Übersetzung des Artikels “USA – Irak – IS: Spuren verwischen”:
Der Islamische Staat (IS) ist von der “internationalen Gemeinschaft” bereits zum Tode verurteilt und wird höchstwahrscheinlich von der Weltkarte verschwinden, nicht jedoch aus der Politik. Die USA werfen gute Werkzeuge nicht weg.
23.03.2016
Die Politik ist ein zu schmutziges Geschäft, um es wie ein Ritterturnier zu beurteilen. Das gilt grundsätzlich. Im politischen Alltag darf man keine Fehler machen und muss die Fehler des Gegners schamlos und schonungslos nutzen. Daneben gibt es noch die “schmutzige” Politik. Sie greift zu jedem Mittel, ihr ist überhaupt nichts heilig und ihren Vertretern ist völlig egal, wie groß die Lügen sind und wie viele Millionen Menschen sterben müssen, damit die gesetzten politischen Ziele erreicht werden.
Diese Geschichte begann vor langer Zeit. Der Mann auf dem Foto [Osama bin Laden] war ein großer Freund der Familie, aus der zwei US-Präsidenten hervorgegangen sind. George Bush Senior begann den ersten Irak-Krieg. Die Arbeit seines Sohnes machte den zweiten Irak-Krieg unausweichlich für die US-Armee. Osama bin Laden war ein arabischer Milliardär, der alles hatte: Geld, hohe Stellung in der Gesellschaft, Anerkennung. Aber er hatte einen Partner, vielleicht einen Patron, den ehemaligen CIA-Direktor (George Bush Senior), der ihm irgendwann gesagt hat: “Freund, das muss getan werden, weil…”. Was er später sagte, spielt keine Rolle. Wichtig ist, was Bin Laden dann tat.
Überhaupt ist die ganze offizielle Geschichte über Bin Laden ein schöner Mythos, um Anhänger anzuziehen. Natürlich glaube ich daran, dass er als einer der ersten damit begann, Mudschaheddin aus aller Welt zu versammeln und zu finanzieren, damit sie in Afghanistan kämpfen. Aber ich glaube nicht daran, dass die USA daran unbeteiligt waren (Osama war genau deshalb so bequem, weil er Washington niemals Probleme bereitete, sondern Washingtons Probleme löste). Später, als die UdSSR zerstört war und die Dienste seiner [Bin Ladens] Kämpfer im Land nicht mehr nötig waren, wurde er in die Reserve geschickt. Aber nicht zu lange, denn so ein gutes Werkzeug darf man nicht rosten lassen…
Anti-US-Krieg der Dschihadisten
Sudan wurde vom Bürgerkrieg zerrissen. Zum Jahr 1991 versetzte das Militär des Südsudan einige empfindliche Schläge gegen die “Islamisten” des Nordens und setzte die Offensive fort. Bin Laden wurde wieder für die Entfachung eines echten “Dschihad” gebraucht, der ein vereinigtes Sudan unmöglich machen sollte. Wir wollen die Details dieses Krieges nicht aufrollen, aber am Ende bekamen die USA das, was sie wollten: Der ölreiche Süden des Landes wurde unabhänhig und von westlichen Konzernen kontrollierbar, und die Mudschaheddin Bin Ladens hatten ihre “Mitschuld” daran. Im Juni 2010 haben die USA verkündet, dass sie die Entstehung eines neuen Staates akzeptieren würden, wenn es ein Referendum mit positivem Ergebnis geben würde, das es ein halbes Jahr später dann auch gab…
Übrigens, die Waffen für die südsudanesischen “Aufständischen” lieferten “Washington-Agenten” aus Kiew. Erinnern Sie sich an den “Panzer-Skandal” unter Viktor Juschtschenko? Er hat heimlich ukranische Waffen an zwei Länder verkauft: Georgien und Südsudan.
Von Sudan aus schaffte es Bin Laden, die Ungläubigen überall dort zu bekämpfen, wo es Washington notwendig war: Bosnien, Nordkaukasus in Russland, Kosovo. Und natürlich hatte er nie Kontakt zu den USA und war ihr Feind Nummer 1, und damit niemand daran zweifelte, hat er sogar eine entsprechende Fatwa ausgestellt. Damit kein Rechtgläubiger etwas falsches denkt. Denken ist schlecht für sie. Man muss anerkennen, dass Washington analog antwortete, aber mit Sonderbarkeiten. Washington hasste Bin Laden auf den Fernsehbildschirmen und versuchte dabei nicht, den Kopf von Al Qaida seiner Hauptwaffe zu berauben – Geld (und wie wir wissen, können die USA das, wenn sie wollen).
Aber der Terrorist Nummer 1 blieb nicht bis zum Ende des Krieges in Sudan. “Onkel Sam” musste eine Neuordnung in Afghanistan schaffen, das nach mehreren Jahren Bürgerkrieg plötzlich Frieden mit den Nachbarn schloss und unter die Kontrolle örtlicher Nationalisten, der Taliban, ging. Das musste man irgendwie lösen.
In alter Freundschaft nahmen die Taliban ihren “Bruder” auf, noch nicht ahnend, dass Osama ihnen den Vernichtungskrieg brachte. Unschwer zu erkennen, wie seit der Ankunft von Bin Laden in Kabul die Taliban in die Krise rutschten. Er verfeindete sie mit Russland, indem er sie in den zweiten Tschetschenien-Krieg reinzog, und er verfeindete sie mit den USA, indem er formal die Verantwortung für die von US-Geheimdiensten organisierten Terroranschläge des 11. September 2001 auf sich nahm.
Danach war das Taliban-Regime dem Tode geweiht und die USA stellten die volle Kontrolle über Afghanistan her. Mit der Zeit musste man allerdings Osama bin Laden opfern. Nicht physisch. Vermutlich hat er die letzten Jahre irgendwo in einem Kurort verbracht und alle Zeugen seines Mordes wurden schlicht eliminiert. Das Wichtigste ist, dass sein Image als Glaubenskämpfer geblieben ist, den Al Qaida nutzte, um alle “anti-US” islamistischen Gruppen zu vereinigen.
Und wieder nach Irak
Das Eindringen der USA in den Irak im Jahr 2003 kam gerade recht. Die Dschihadisten in Afghanistan hatten nichts zu tun und jemand musste den neuen Nahen Osten nach den Plänen von Oberst Petraeus bauen [Namensverwechslung, der Autor meint Ralph Peters].
Zum Entfachen eines Krieges braucht man zwei Dinge: Geld und noch mal Geld. Natürlich auch Soldaten, die für dieses Geld ihre Arbeit verrichten werden. Für einen langen Krieg braucht man außerdem eine Idee, die es ermöglicht, die notwendigen Soldaten einfacher und vor allem billiger anzuheuern.
Der Islamische Staat (in Russland verbotene Organisation) ist eigentlich: Ideologie von Al Qaida, Soldaten von der Baath-Partei und Geld von schmutzigen Politikern, die beschlossen haben, mit Hilfe dieses explosiven Cocktails ihre Nahost-Politik umzusetzen. Die Amerikaner haben sich selbst und das irakische Volk nicht umsonst so lange mit einem Bürgerkrieg gequält. Sie haben eine Atmosphäre der Ausweglosigkeit und des Hasses gegen sich geschaffen und das geschickt auf andere umgeleitet. Die Mitglieder von Saddams Baath-Partei sind in dem Land, in dem sie Jahrzehnte geherrscht haben, zu Ausgestoßenen geworden. Sie wurden erzogen als Herrscher und Krieger und dann erniedrigt auf das Niveau von Bettlern. Von 2004 an folgten sie dem Weg, der ihnen von US-Politikern vorgezeichnet wurde. Dieser Weg konnte sie nicht an der islamistischen Bewegung Al Quaida, und später am IS, vorbei führen.
2006 wurde nach dem Urteil eines irakisches Gerichts unter dem Vorsitz von Ra’uf Raschid Abd ar-Rahman der ehemalige irakische Diktator Saddam Hussein hingerichtet. Das zeigte den ehemaligen Baath-Funktionären, dass eine Aussöhnung unmöglich ist. Ein Bürgerkrieg wurde unvermeidlich. Die Mission der USA war damit erfüllt und sie verließen eilig das Land (Ende 2011), in dem sich der Bürgerkrieg entfachte. Während nebenan für ihr Geld und unter dem tosenden Applaus der “internationalen Gemeinschaft” sich ein anderer Konflikt entzündete. Die syrischen “Oppositionellen” veranstalteten “friedliche” Demonstrationen und unter diesem Deckmantel begannen speziell geschulte Kräfte auf Polizei und Militär zu schießen (erinnert das vielleicht jemanden an etwas?).
Wie wir aus der neueren Geschichte wissen, ist das der direkte Weg zum Bürgerkrieg. Damit der Herr ganz in weiß bleibt und sein Image als Kämpfer für alles Gute und gegen alles Böse nicht beschädigt, für das Verrichten der Drecksarbeit also, benutzte man “gemäßigte” Islamisten aus dem Präsidentenpalast Ankaras und “nicht gemäßigte” aus dem Gefolge Osama bin Ladens. Sobald die Soldaten der ehemaligen irakischen Armee von Saddam Hussein sich diesen “nicht gemäßigten” anschlossen, explodierte dieser gefährliche Cocktail. Die Baathisten probten den ersten Aufstand im Januar 2014, aber damals erlitten sie eine Niederlage und flüchteten nach Syrien, wo sie Geld und viele Tausende ausgebildete Soldaten bekamen. Die vernichtende Niederlage der irakischen Streitkräfte im Juni 2014 und die darauf folgenden Verkündigung des Kalifats, das wir heute IS nennen, hatten einige Besonderheiten an sich, die uns verstehen lassen, was geschehen war.
Am 16. Juni 2014 nahmen IS-Kämpfer den Richter Ra’uf Raschid Abd ar-Rahman fest, der, wie wir uns erinnern, dem Gericht gegen Hussein vorstand. Bereits am 18. Juni wurde er nach dem Urteil eines Scharia-Gerichts enthauptet, weil er den “Märtyrer” Saddam Hussein zum Tode verurteilte. Die ehemaligen Baathisten haben sich nicht nur gerächt, sondern sich auch schön in die IS-Bewegung eingeflochten, indem sie ihren toten Anführer ideologisch hochstellten und viele führende Positionen [im IS] übernahmen.
So entwirrt sich ein weiterer Knoten der neuen irakischen Geschichte. Die Hinrichtung von Saddam Hussein war die direkte Ursache für die Entstehung des IS. Wenn die USA Frieden im Irak gewollt hätten, hätten sie auf die Einbeziehung der ehemaligen Anhänger des Diktators in die politische Landschaft des neuen Irak bestanden. Stattdessen haben sie den bürgerlichen und den religiösen Konflikt befeuert. Nach der Hinrichtung von Hussein war die Entstehung des IS, wie wir am Ergebnis sehen, nur eine Frage der Zeit und eines “weisen” Tipps.
Die Invasion des Irak, und wenn man genauer sein will, die von den Geheimdiensten organisierten Terroranschläge auf eigenem Terrotorium, führten zu einer Kettenreaktion, die viele schlafende Konflikte im Nahen Osten eskalierte. Heute versinken Irak, Syrien, Türkei, Libyen, Jemen im Chaos des Krieges. Ägypten, Tunesien, Algerien haben einen Bürgerkrieg schon hinter sich oder er schwelt dort noch immer. Am Horizont zeichnet sich Kurdistan ab, der erstmals im fernen Jahr 2006 auf der Karte von “Oberst Petraeus” [gemeint ist wieder Peters] auftauchte.
Dank Russland wird der Krieg in Syrien und vielleicht auch im Irak beendet oder in eine andere Richtung gelenkt. Der Islamische Staat ist durch die “internationale Gemeinschaft” bereits zum Tode verurteilt und wird vermutlich von der Landkarte verschwinden, nicht jedoch aus der Politik. Ein gutes Werkzeug wirft man nicht weg. Washington benutzt Islamisten erfolgreich seit dem Ende der 70er. Sie haben überall das getan, was den USA nützte und ich bin sicher, dass sich mit der Zerschlagung des IS nichts ändern wird. Die heutigen Anführer werden umgebracht, wie seinerzeit Bin Laden “umgebracht” wurde, aber das internationale Netzwerk von Anwerbern und Ausbildern von Tausenden von neuen Terroristen wird nicht vernichtet. Ein Teil von ihnen bleibt schmutziges Werkzeug in den Händen von US-Politikern, einen anderen Teil wird man vom Terrorismus rein waschen und in die Eliten integrieren. Diesen Versuch sehen wir schon heute in Syrien. Wer weiss, vielleicht werden sie in fünf bis zehn Jahren geachtete Abgeordnete irgendeines IS-Parlaments, in einem neuen Land, dessen Entstehung die USA begrüßen werden, wie es bereits mit dem albanischen Kosovo, der europäischen Eiterbeule, passiert ist.
Autor: Georgij Nisowoj
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