Aus aktuellem Anlass 2 – erinnern und vergleichen

Wer hätte es Gedacht: “IS missbraucht Familien als Schutzschilde“. Die UN hat es gesehen, SPON hat es berichtet. Aber es geht nicht um Aleppo, sondern um Mossul.

Die Terroristen in Mossul sind böse, sie missbrauchen Zivilisten als Schutzschilde. Die Terroristen in Aleppo sind ganz anders, die würden sowas nie tun und alle Hinweise Russlands darauf sind nur Putin-Propaganda.

Der Angriff der irakischen Armee auf die irakische Stadt Mossul wird übrigens von Luftangriffen der USA und ihrer Partner unterstützt. Das ist eine gute Sache.

Der Angriff der syrischen Armee auf die syrische Stadt Aleppo wird von Luftangriffen Russlands unterstützt. Das ist eine böse Sache. Eine sehr sehr böse Sache.

Artikel wie den verlinkten von SPON muss man sammeln. Um sie bei Bedarf gewissen Leuten um die Ohren zu hauen.

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Aus aktuellem Anlass: erinnern und vergleichen

Ein Mann schießt in Deutschland vier Polizisten nieder. Der Mann wird leicht verletzt festgenommen.

Der Mann war legal im Besitz dutzender Waffen. Die Polizei wollte ihm diese wegnehmen. Spezialkräfte waren an der Operation beteiligt. Der Mann schoss ohne Vorwarnung. Der Mann erlitt bei der Festnahme dennoch nur leichte Verletzungen. Verstehen Sie? Er schießt vier Polizisten nieder (sie werden teils schwer verletzt) und wird selbst nicht erschossen.

Nun erinnern Sie sich an verschiedene “Amokläufer”, München, Winnenden, noch andere, die allesamt von der Polizei erschossen wurden, obwohl sie der Polizei nichts getan haben.

Spüren Sie den Unterschied zwischen einem realen Polizeieinsatz und einer inszenierten Geheimdienstoperation. Der nächste “Amoklauf” kommt bestimmt, dann werden Sie sich an diesen Vergleich erinnern und gewisse Rückschlüsse ziehen können.

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Zombiefutter

Im Beitrag über den Sturz der USA vom Thron des Hegemons wurde einige male der Unterschied verdeutlicht zwischen dem, was in der Politik vorgeht und dem, was den Zombies darüber berichtet wird. Den Kommentaren nach zu urteilen, hat das vielen gefallen. Hier also weitere Beispiele für Zombiefutter.

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung meldet, dass Merkel sich für neue Sanktionen gegen Russland stark macht. Sie will in der EU dafür werben, heisst es.

Ein Aufschrei geht durch die Menge der Merkel-Hasser: Da habt ihr den erneuten Beweis, dass Merkel eine US-Marionette ist, dass sie blind die deutsch-russischen Beziehungen zerstört und auch sonst vom Teufel besessen ist! Und wie passt das mit den Behauptungen zusammen, dass König USA gestürzt ist und Vasall Deutschland längst gegen ihn rebelliert? Gar nicht! Der König sitzt noch auf dem Thron, Merkel wedelt mit dem Schwanz vor ihm usw.

Dabei hätte schon beim Verkünden der Meldung auffallen können, dass Merkel nichts dergleichen gesagt hat. Das wird gar nicht behauptet. Die F.A.S. zitiert “Merkels Umfeld”, ohne Namen zu nennen. Merken Sie sich das mit dem “Umfeld” – wenn westliche Medien damit antanzen, handelt es sich fast garantiert um Zombiefutter. Nicht nachprüfbar, unverbindlich, aber gut genug für die Zombies. Kommt ja von den “Qualitätsmedien”.

Die gleichen Qualitätsmedien berichten nur zwei Tage später, dass die EU keine Sanktionen gegen Russland in Erwägung zieht. EU-Außenbeauftragte Mogherini hat mitgeteilt, dass kein Mitgliedstaat Sanktionen gegen Russland vorgeschlagen hat. Da haben Sie einen Namen, einen offiziellen EU-Vertreter für solche Fragen, und der Vertreter sagt klar, dass keine solche Pläne eingereicht wurden.

Bricht die Zombierealität jetzt wieder zusammen? Vermutlich nicht. In der Meldung heißt es ja weiterhin hartnäckig, dass Merkel “gleichwohl” am Freitag für Saktionen gegen Russland werben will. Offizielle Dementis, kein Sanktionen-Vorschlag von Deutschland, aber Merkel wirbt für Sanktionen, gewiss. Das anonyme “Umfeld” bezeugt es uns. Das geile ist ja, dass der Fake so konstruiert ist, dass er nicht widerlegbar ist. Wenn nächste Woche immer noch kein Vorschlag für Sanktionen eingereicht wurde, wird die FAZ mit den Schultern zucken: Die Merkel hat sich Freitag für Sanktionen stark gemacht, aber die anderen wollten nicht und Deutschland hat angesichts der Aussichtslosigkeit eines Antrags auf die Antragstellung verzichtet. Das ist professionelle, wasserdichte Zombiescheiße.

Ob diese Darlegungen dazu beitragen, dass wenigstens ein Merkel-Hasser (unter meinen Lesern gibt es viele) im Kommentar schreibt: “Hmja, ich muss gestehen, ich habe in diesem Fall vorschnell negativ über Merkel geurteilt”?

Noch ein Beispiel.

Am Wochenende verkündete die Presse einen Knaller. Die USA drohen Russland mit einer Cyber-Attacke. Eine “Botschaft mit größter Wirkung”! Und das sind jetzt nicht irgendwelche anonymen Quellen, das sagt Biden, der US-Vizepräsident! Schauen Sie sich seine gefletschten Zähne auf dem Foto im SPON-Beitrag an! Da, der ultimative Beweis, dass der König fest im Sattel sitzt! Er droht Russland mit Cyber-Krieg, wir sehen schon russische Metropolen im Dunkel der Nacht verschwinden, die russischen Atomkraftwerke werden lahmgelegt, das Internet funktioniert nicht mehr in Russland, die Menschen ergeben sich in Panik dem König!

Nehmen wir die Zombiescheiße unter die Lupe. Schon in der deutschen Meldung könnte einem auffallen, dass Biden die Kreml-Führung blamieren will. Mehr nicht? Nur ein bisschen blamieren? Suchen wir uns zur Quelle dieser Meldung durch, um Klarheit zu gewinnen. NBC News hat die große Story von der Rache des Königs in die Welt gesetzt. Legen wir los:

Current and former officials with direct knowledge of the situation say the CIA has been asked to deliver options to the White House for a wide-ranging “clandestine” cyber operation designed to harass and “embarrass” the Kremlin leadership.

Übersetzung:

Angestellte und ehemalige Offizielle mit direktem Wissen über die Situation sagen, dass die CIA angewiesen wurde, dem Weißen Haus Vorschläge für weitreichende geheime Cyber-Operationen mit dem Ziel der Belästigung und Beschämung der Kreml-Führung zu unterbreiten.

Die ersten Alarmglocken sollten bei den nicht genannten Offiziellen klingeln. Die Meldung basiert auf anonymen Quellen, also werden wir es gleich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit professioneller, wasserdichter Zombiescheiße zu tun haben. Die zweiten Alarmglocken läuten, wenn wir lesen, dass die Cyber-Operationen sich nur gegen die Kreml-Führung richten sollen und bei dieser nicht mehr als Belästigung und Scham bewirken sollen. Das ist in etwa die Anweisung an das CIA, Nacktfotos von Zacharowa mit Photoshop zu produzieren. Das soll die große Antwort des gestürzten Königs sein?

The sources did not elaborate on the exact measures the CIA was considering, but said the agency had already begun opening cyber doors, selecting targets and making other preparations for an operation. Former intelligence officers told NBC News that the agency had gathered reams of documents that could expose unsavory tactics by Russian President Vladimir Putin.

Nichts genaues über die genauen Maßnahmen, nichts genaues über die Quellen… Zombiescheiße also, aaaber die CIA hat schon stapelweise enthüllende Dokumente erbeutet, die Putins widerliche Taktiken enthüllen werden!

Wie soll man bitte ernst bleiben bei so einem Müll? So eine Kinderkacke. Die CIA hat ihr Material über Putin bereits im großen Offshore-Skandal verpulvert. Der Skandal war so groß, dass sich kaum mehr jemand an ihn erinnert. Wenn Sie schon wieder vergessen haben, welche Scheiße der Westen damals als Gold verkaufen musste, bitte hier entlang. Und jetzt wollen uns die Qualitätsmedien glaubhaft machen, dass damals, als der Krieg gegen Russland in einer heißen Phase war und der Ausgang noch offen war, dass die USA damals also ihr gutes komprommitierendes Material nicht eingesetzt haben in der “größten Enthüllung des Jahrzehnts”? Gewiss, die CIA hat es sich aufgespart, um erst jetzt, nach dem Sturz des Königs, zur großen Rache anzusetzen… Und die Zombies fressen das. Das logische Denken wurde ihnen längst ausgetrieben.

Vice President Joe Biden told “Meet the Press” moderator Chuck Todd on Friday that “we’re sending a message” to Putin and that “it will be at the time of our choosing, and under the circumstances that will have the greatest impact.”

Vize-Präsident Biden will eine “Botschaft” an Putin senden. Und Biden, dieser potente Hengst, wird den Zeitpunkt der Botschaft selbst wählen, und die Umstände auch selbst wählen! Die Botschaft wird die größte Wirkung entfalten!

Schlimmer als auf dem Schulhof. Auf dem Schulhof rufen die Jungs: “Irgendwann haue ich dir so in die Fresse!” Biden ruft: “Irgendwann sage ich dir so sehr meine Meinung!” Und die Zombies sind beruhigt. Der König hat seine Stärke gerade bewiesen. Er hat gedroht, Putin zu einem selbstbestimmten Zeitpunkt eine Botschaft zu senden!

Achten Sie auf die Professionalität der Zombiescheiße. Das sage ich mit großem Respekt vor dieser Arbeit, denn das ist wirklich sehr professionelle Propaganda. Biden, die offizielle Stimme, kündigt nur eine “Botschaft” an. Anonyme Quellen, die im gleichen Beitrag zitiert werden, schwafeln was von Cyber-Operationen. Das Gehirn des Menschen setzt das in einen kausalen Zusammenhang. Der Leser ist überzeugt, dass Biden die Cyber-Angriffe angedroht hat. Dabei steht das gar nicht im Artikel! Die Scheiße ist wasserdicht. Der König hat mit keinen Angriffen gedroht, Sie können keine offizielle Person damit dingfest machen und zur Rede stellen. Aber in der Zombierealität sieht es so aus, als ob der König eine furchtbare Drohung an Russland gesendet hat und bereits halb dabei ist, diese Drohung umzusetzen. Das ist Gehirnwäsche vom feinsten. Solche Artikel werden nicht von irgendwelchen Journalisten geschrieben, da sind bestens ausgebildete Propaganda-Profis am Werk. Sie erzeugen eine bestellte Zombierealität, die mit der politischen Realität nichts gemein haben muss.

Aber es wird noch toller:

When asked if the American public will know a message was sent, the vice president replied, “Hope not.”

Übersetzung:

Auf die Frage, ob das US-Publikum mitbekommen wird, dass die Botschaft gesendet wurde, antwortete der Vize-Präsident: “Hoffentlich nicht.”

Der König droht mit einer Botschaft an Putin, aber niemand wird mitbekommen, ob und wann die Botschaft gesendet wurde. Was für eine Grütze. “Irgendwann sage ich dir so sehr meine Meinung! … aber so, dass es niemand mitbekommt.” Wer behauptet noch mal, dass der König noch auf seinem Thron sitzt? Wir sezieren hier den Artikel, der Mut machen soll, der den König in drohender Pose zeigt. In Wirklichkeit zeigt der Artikel selbt, dass der König eine leere Drohung macht, nur fürs Publikum. Die Drohung ist nur für die Zombiewirkung da, und der Artikel macht kein Geheimnis daraus. Man muss nur lesen und mitdenken.

Warum steht das im Artikel? Weil die Zombies nicht weiter als bis zum zweiten Absatz lesen. Und diejenigen, die weiter lesen, kapieren die inneren Widersprüche nicht. Und überhaupt, die Meldung wird ja von der Weltpresse weiterverbreitet, die meisten Empfäger dieser Story lesen sie gar nicht bei NBC News, sondern bei ihrem Haus-Qualitätsmedium, das die Widersprüche des Originalartikels ausgespart und nur die Drohung übriggelassen hat.

Aber wozu die Widersrüche im Original? Weil russische Sicherheitsdienste solche Botschaften überprüfen. Irgendwo sitzt ein russischer Beamter an seinem PC, prüft die angebliche US-Drohung, geht auf die Seite von NBC News, liest den Artikel, sieht dort ein Dutzend Botschaften an ihn, an den russischen Beamten, dass der Artikel nur Zombiefutter ist. Er zeigt es seinen Kollegen, alle lachen darüber. Im Kreml steht am nächsten morgen in irgendeinem Sicherheitsbericht, dass die angebliche Cyber-Drohung nur leere Luft ist. Der Kreml lässt irgendwo eine kurze Botschaft raus, dass Russland sich permanent um seine Cyber-Sicherheit kümmert und nicht erst, wenn Biden das fordert. Fertig. Für Politik und Sicherheitsdienste hat sich diese “große Drohung” damit ausgefressen. In der Welt der Zombies wird dieses Stück Scheiße aber mit dem Schaumschläger der Weltpresse aufgebauscht und noch tagelang an die Zombies verfüttert.

“It’s well known that there’s great deal of offshore money moved outside of Russia from oligarchs,” he said. “It would be very embarrassing if that was revealed, and that would be a proportional response to what we’ve seen” in Russia’s alleged hacks and leaks targeting U.S. public opinion.

Biden offenbart uns ein Geheimnis: russische Oligarchen haben viel Geld in Offshore-Oasen verfrachtet! Es wäre sehr peinlich für Russland, wenn das rauskommt.

Was für ein Mumpitz. Russland kämpft seit zwei Jahren erfolgreich gegen den Abfluss des Geldes in Offshores. Wenn die USA so freundlich wären, Russland in diesem Kampf zu helfen, wäre der Kreml sicher sehr verbunden. (Nur am Rande, für diejenigen, die vom russischen Polizei-Major mitbekommen haben, der hunderte Millionen Dollar Bargeld zu Hause aufbewahrte: Die Liberastenpresse hat die Interpretation aufzuzwingen versucht, dass Russland so korrupt ist, dass ein Polizei-Major hunderte Millionen Dollar an Korruption verdient. Das ist Schwachsinn. Der Fall zeigt, dass für die russischen Oligarchen das Ausführen des Geldes in die Offshores so kompliziert geworden ist, dass sie in ihrer Verzweiflung schon mit Bargeld operieren, bei gigantischen Summen, die kein unverzweifelter Mensch in bargeld transferiert. Der Major ist nur ein Mittelsmann, dessen Wohnung als Parkplatz vewendet wurde.)

Ganz nebenbei werden im Artikel (siehe letztes Zitat) Hackerattacken ganz selbstverständlich Russland zugeschrieben. Die Presse stellt das als Tatsache hin, übrigens wieder sehr geschickt und äußerst professionell. Es wurde, nur zur Erinnerung, noch kein einziger Beweis dafür vorgelegt, dass Russland Hackerangriffe gegen die USA verübt hat. Es wurde nicht mal irgendwo formal Anklage dagegen erhoben. Die Anklage geisterte nur in der Presse herum und wurde von der Presse inzwischen zu einer Tatsache erklärt. Professionell gemachte Zombierealität.

Neben Bidens Anschuldigung von russischen Oligarchen wird folgendes Zitat platziert:

“Probe with bayonets. When you hit mush, proceed. When you hit steel withdraw.”

Das ist kein Zufall! Bidens lahme “Drohungen” werden von markigen Worten flankiert, die an dieser Stelle völlig fehl am Platz sind, ohne jeden Zusammenhang. Das Zitat taucht erst viel später im Text auf, aber hier wird es schon mal neben Bidens Worte gestellt, damit der Leser Bidens lahme Ente mit solchen Worten wie “Bajonett” und “Stahl” assoziiert. Das passiert unbewusst, Sie können sich nicht dagegen wehren, außer sie werden sich dessen bewusst, so wie jetzt. Wie viele Zombies sind sich dessen bewusst geworden? Kaum jemand. Sie lesen ein Zitat von Biden und rechts daneben prangt in Großbuchstaben “BAYONETS” und “STEEL” und das Gehirn sieht in Biden ein stählerndes Schwert, das zum Schlag gegen Russlans ausholt. Das ist einfach zu geil. Echt grandios gemacht, ich verneige mich vor den echten Autoren des NBC-Artikels.

Aber das ist noch nicht alles. Der Artikel hat noch weitere Botschaften parat:

Two former CIA officers who worked on Russia told NBC News that there is a long history of the White House asking the CIA to come up with options for covert action against Russia, including cyber options — only to abandon the idea.

“We’ve always hesitated to use a lot of stuff we’ve had, but that’s a political decision,” one former officer said. “If someone has decided, `We’ve had enough of the Russians,’ there is a lot we can do. Step one is to remind them that two can play at this game and we have a lot of stuff. Step two, if you are looking to mess with their networks, we can do that, but then the issue becomes, they can do worse things to us in other places.”

Zwei ehemalige, anonyme CIA Offiziere erzählen, dass das Weiße Haus ständig verdeckte Operationen gegen Russland bestellt, nur um sie jedes mal doch wieder zu verwerfen. Sie sagen, dass die CIA genug Material hat, um jederzeit etwas auspacken zu können. Man könne die Russen im ersten Schritt erinnern, dass die USA im Krieg der Hacker auch viel können. Aber im nächsten Schritt könnten die Russen noch schlimmere Sachen mit den USA machen…

Fragen Sie mich nicht, wie das ein Symbol der königlichen Stärke sein soll. “Wir können Russland eine Ohrfeige setzen, aber Russland wird uns mit einem Faustschlag antworten.” Ja, genau das steht im Artikel, der “Steel Bayonet”-Bidens nicht ausgesprochene Drohung von Cyber-Angriffen berichtet. Diese anonymen CIA-Agenten und ihre Worte sind eine Botschaft an die Gegenseite: “Wir wollen keinen Hacker-Krieg.” Beachten Sie auch, wie aus dem Cyber-Krieg ein Hacker-Krieg wurde im Verlauf des Artikels. Je weiter wir uns von der Schlagzeile entfernen, desto kläglicher wird der König.

Dann darf noch ein weiterer ehemaliger anonymer CIA-Agent berichten, dass die CIA keine effektiven Schritte im Cyberkrieg gegen Russland setzen konnte und dass Russland alles mit gleicher Stärke kontern kann:

A second former officer, who helped run intelligence operations against Russia, said he was asked several times in recent years to work on covert action plans, but “none of the options were particularly good, nor did we think that any of them would be particularly effective,” he said.

Putin is almost beyond embarrassing, he said, and anything the U.S. can do against, for example, Russian bank accounts, the Russian can do in response.

Nur zur Erinnerung, wir behandeln den Artikel, der den Zombies erklären soll, dass die USA einen mächtigen Cyber-Angriff gegen Russland starten.

Und so geht das weiter:

Former CIA deputy director Michael Morell expressed skepticism that the U.S. would go so far as to attack Russian networks.

“Physical attacks on networks is not something the U.S. wants to do because we don’t want to set a precedent for other countries to do it as well, including against us,” he said. “My own view is that our response shouldn’t be covert — it should overt, for everybody to see.”

Ein ehemaliger CIA Offizieller mit Namen! Der sagt nun im Klartext, dass die USA wohl kaum so weit gehen würden, russische Netzwerke anzugreifen. Seine Botschaft richtet sich an die russischen Beamten, die den Ernst dieser Zombiemahlzeit prüfen. Der Mann mit Namen, den man dingfest machen kann, verspricht, dass die USA keine physischen Angriffe auf russische Netzwerke durchführen werden. Sie wissen schon, das ernste Zeug, das man üblicherweise unter Cyber-Angiffen versteht: Glasfaserkabel durchschneiden oder Elektrizitäts-Netzwerke lahmlegen oder so. Nein, sowas verdecktes werden die USA nicht tun. Etwas “offenes” käme aber schon in Frage. Also doch Nacktfotos von Kreml-Sprecher Peskow? Und warum widerspricht dieser ehemalige CIA-Mann dem US-Vizepräsidenten? Biden wollte ausdrücklich was Verdecktes, so verdeckt, dass die US-Öffentlichkeit nichts davon mitbekommt.

Es geht immer noch weiter, wir erleben eine weitere Blamage:

The CIA’s cyber operation is being prepared by a team within the CIA’s Center for Cyber Intelligence, documents indicate. According to officials, the team has a staff of hundreds and a budget in the hundreds of millions, they say.

Die CIA hat ein Team für Cyber-Operationen. Das Budget beträgt hunderte Millionen Dollar. Wir erinnern uns kurz an die ehemaligen CIA Offiziere, die bereits vorher im Text zitiert wurden und gesagt haben, dass die CIA nichts effektives in diesem Bereich auf die Beine stellen kann und Russland definitiv nicht überlegen ist. Hunderte Millionen Dollar für den Arsch, wie man so schön sagt. Nun gut, das überrascht nicht jeden, aber wofür musste man dieses Eingeständnis in einen Artikel stecken, der die Stärke der USA demonstriert?

Lassen Sie sich nicht verarschen.

Ach ja, wir sind gar nicht so weit gekommen, uns offizielle Mittelungen der US-Regierung anzuhören. Es war gar nicht nötig. Die kampfeslustige Presse hat ihre Propagandascheiße schon selbst als Scheiße offenbart, und zwar so offensichtlich, dass es nicht zu übersehen ist. Aber wenn Sie noch immer glauben, dass da der König sein Schwert zum Gegenschlag erhob, gönnen Sie sich die Pressekonferenzen des Weißen Hauses und des US-Außenministeriums.

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Die Komödien-Auszeit

Man muss sich auch mal Auszeiten gönnen vom politischen Schmutz. Was ist da besser, als eine Komödie? “Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand”, eine schwedische Komödie. Ein bisschen wie Forrest Gump, über einen einfachen Menschen, der den Lauf der Geschichte entscheidend mitgestaltete, ohne es je vorgehabt zu haben.

Klingt cool.

Gleich zu Beginn des Films haben die bösen Russen ihren Auftritt. Sie richten den Vater des Filmhelden hin, weil er für Verhütung wirbt.

Hahaha.

Dann wird gleich mehrfach eine Matroschka, im Westen ein Symbol für Russland, mit Dynamit in die Luft gesprengt.

Hahaha.

Dann sagt ein intelligenter Zugpassagier voller Überzeugung: “Hitler ist ein guter Mann!”

Hahaha.

Dann rettet der Filmheld Diktator Franco das Leben und feiert mit ihm eine Party.

Hahaha. Es ist einfach so witzig, Faschisten-Idole anzupreisen. Dieser feinsinnige schwarze schwedische Humor.

Im russischen Gulag erschießen die Wächter einfach so die Arbeiter. So ganz nebenbei.

Hahaha.

Dann beschert der Filmheld einen Herzinfarkt für Stalin.

Hahaha. Dieser feinsinnige schwarze schwedische Humor.

Dann trifft der Filmheld einen russischen Agenten wieder und dessen Sohn ist voll begeistert von den US-Cowboystiefeln des Helden und bettelt danach.

Hahaha.

Stattdessen bekommt der Junge ein Benzinfeuerzeug, das er fasziniert anstarrt, als ob es ein Weltwunder wäre.

Hahaha, diese rückständigen Russen. Diese sibirischen Affenmenschen. Die haben ja nichts, nicht mal Stiefel und Feuerzeuge. Und das ist kein Witz, Witze aus dieser Kategorie musste ich mir schon in der deutschen Schule regelmäßig anhören. Ist ja nur Spaaaß. Hahaha!

Dann sagt US-Präsident Reagan: “Die Mauer bleibt stehen! Ich will kein lästiges Ungeziefer in meinem Garten haben! (…) Zum letzten mal, reißen Sie die Mauer ein – und Sie sind gefeuert!” Sagt er zum Gärtner über eine kleine Mauer bei sich im Garten. Die Russen bekommen die Aufzeichnung dieser Worte und Gorbatschow denkt sich: “Er hat Angst, dass wir die Mauer einreißen. Er weiss, wenn wir das tun, wird das russische Volk die Welt ohne Waffen einnehmen”.

Hahaha. Die Russen subtil mit Ungeziefer gleichzustellen, gegen das nur eine Mauer hilft, das ist so geil witzig.

Die Schweden werden übrigens alle als Vollidioten dargestellt, den ganzen Film lang.

Hahaha.

Was haben wir am Ende des Films alles erlebt? Viel Lobpreisung für die Faschisten, viel Schmähung von Russland, dumme Schweden. Ja, das kommt davon.

Scheiße. Die westliche Kultur ist voll von Propagandascheiße. Und wir alle müssen darin baden. Die eingeborenen Europäer von Geburt an. Die kennen das gar nicht anders, die merken gar nicht, dass sie in Scheiße aufwachsen, weil es für sie normal ist, weil sie nichts anderes kennen. Lesen Sie mal die Kundenbewertungen des Films auf Amazon. Die Zombies fressen die Propagandascheiße, ohne es zu merken.

Tragisch ist das. Und voll scheiße.

PS: Und am Ende des Films offenbart sich der neukapitalistische Traum: Blöd sein, Scheiße bauen und es dadurch nach Bali schaffen, mit einem Koffer voll Geld, um dort dann das Leben am Strand zu genießen.

Scheiße, so eine Scheiße wird auf der Ebene des Unbewussten in die Köpfe der Menschen gehämmert. Guten Appetit!

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Willkommen in der multipolaren Welt

Haben Sie es mitbekommen? Die Welt ist jetzt eine andere. Sie haben ein Stück bedeutender Zeitgeschichte erlebt. Dabei haben Sie als einfacher Bürger mit einiger Wahrscheinlichkeit nichts davon mitbekommen. Sie gehen wie gewohnt zur Arbeit, fahren wie gewohnt einkaufen, schauen wie gewohnt die Abendnachrichten. Alles ist beim Alten. Dabei leben Sie bereits in einer anderen Welt. Gleich erleben Sie die Geburtsstunde der multipolaren Welt. Eine Geburt ist lang und antrengend, also decken Sie sich mit Geduld ein.

Dieser Artikel knüpft nahtlos an “Syrien: Die Masken sind gefallen” an. Kürzestzusammenfassung: Die USA haben sich als Unterstützer und Väter des Terrorismus derart offenbart, dass Russland dazu übergegangen ist, die USA offen der Terroristenunterstützung zu beschuldigen.

Wir sind an dem Moment angelangt, wo der Ruf „Der König ist nackt!“ erschallt. Alle haben es vorher schon gesehen, aber niemand wagte es auszusprechen und weil es niemand auszusprechen wagte, mussten alle so tun, als ob alles anders wäre.

Das muss man etwas präzisieren. Im Märchen reicht es aus, dass ein Junge die Wahrheit ausruft, damit die heile Welt wieder einkehrt. In der Realität gibt es längst viele Jungs, die die Wahrheit ausgerufen haben. Journalisten, ehemalige Agenten, Blogger. Aber der König qualifiziert sie als Verschwörungstheoretiker ab und die Herzöge und Grafen und Gesandten preisen weiter die tollen Kleider des Königs. Diejenigen, die die Kleider nicht preisen, sagen, dass das Kleid ein wenig schief sitzt, aber niemand spricht offen aus, dass der König nackt ist. Das politische Theater geht weiter. Wozu diese virtuelle Realität? Weil der König ein Schwert hat. Jeder Herzog und Graf, der die Nacktheit des Königs offen zum Ausdruck bringt, riskiert es, den Kopf zu verlieren. Politik ist ein Machtspiel. Niemand aus der oberen Riege ist bereit, sich enthaupten zu lassen, nur um die Wahrheit auszusprechen. Wer eine solche Bereitschaft hat, wird schon auf den ersten Stufen der politischen Karriereleiter geköpft. Wer es nach oben geschafft hat, hat dabei zwangsläufig gelernt, das Theater mitzuspielen. Das Ziel besteht darin, irgendwann selbst das Stück zu schreiben, das gespielt wird.

Was kleine Jungs im Volk sprechen, ist im Versammlungssaal des Königs irrelevant. Hier zählt nur, was die Herzöge und Grafen sagen – sie bestimmen hier mit dem König die politische Realität.

An diesem Punkt steigen wir mit der Analyse ein und schauen uns an, was im Versammlungssaal des Königs – in der Weltpolitik – passiert ist.

18. September, Sprecherin des russischen Außenministeriums Zacharowa:

Nach den heutigen Schlägen gegen die syrische Armee kommen wir zu einem, für die gesamte Welt erschreckenden, Schluss: Das Weiße Haus verteidigt den IS.

Das ist eine politische Atombombe. Warum wurde sie eingesetzt? Zur Erinnerung, am 9. September wurde zwischen USA und Russland ein Deal ausgehandelt, um Al Nusra zu eliminieren. Das Pentagon hat offen dagegen rebelliert. Die Zusammenarbeit hätte am 12. September beginnen müssen, die gemeinsamen Luftschläge gegen Nusra am 20. September. Am 18. September kam der erste Sabotageakt der USA, als eine Stellung der syrischen Armee massiv von den USA gebombt wurde und der IS dabei in eine Großoffensive an diesem Frontabschnitt übergingt. Bei diesem Angriff kamen möglicherweise auch russische Soldaten ums Leben. Das würde die Meldungen erklären, dass Russland am 20. September ein Stabquartier westlicher Agenten in Syrien mit einer Lenkrakete auslöschte und dabei 30 Agenten der USA, Israels, Großbritaniens und anderer IS-Helfer getötet wurden. Dass man diese Meldungen weit von der russischen und westlichen Presse platziert, so dass sie nur in Form von Gerüchten bei uns ankommt, ist normal. Keine Seite gibt ihre Verluste freiwillig in der Öffentlichkeit zu. Wenn wir von Verlusten der USA oder Israels oder Russlands erfahren, dann nur, weil die Geheimdienste der Gegenseite einen entsprechenden Leak organisiert haben und die Beweise so lange in die Öffentlichkeit reindrücken, bis sich die Weiterverbreitung verselbstständigt hat. Nicht mal der Abschuss der russischen SU 24 durch die Türkei wäre öffentlich geworden, wenn der Westen es nicht aktiv öffentlich gemacht hätte. Aber das nur als Randnotiz, um zu verstehen, warum uns hier ein Puzzlestück dessen fehlt, was in Syrien passiert. Russland und die USA fügen sich mit großer Wahrscheinlichkeit schon direkt Verluste im Syrienkrieg zu, aber beide Seiten halten das geheim. Im Versammlungssaal des Königs, in der virtuellen politischen Realität, dürfen die direkten Kriegszusammenstöße von Russland und USA auf keinen Fall zum Thema werden, weil das nach den Spielregeln der Politik eine nicht kontrollierbare Eskalationsspirale auslöst. Also unterdrückt man auf beiden Seiten die Information über diese Zusammenstöße. Für die virtuelle politische Realität im Versammlungssaal sind diese Zusammenstöße gleichwohl von äußerst entscheidender Bedeutung, weil sie Anzeichen von Stärke, Schwäche, Entschlossenheit, Risikobereitschaft usw. beinhalten.

Wir halten fest, dass Russland am 18. September die Eskalationsleiter hochklettert, indem es den USA offiziell Terrorunterstützung vorwirft. “Der König ist nackt!” wird jetzt nicht von irgendeinem Jungen gerufen, den man als geistig behindert abstempeln kann. Der Ruf kommt von einem Herzog und die Anwesenden im Saal können das nicht mehr ignorieren.

Die ersten Herzöge reihen sich vorsichtig hinter Russland ein. Ausgerechnet Deutschland veröffentlicht am 26. September ein Interview, in dem ein Al Nusra Kommandeur offen über die Unterstützung der USA schwadroniert. Im Artikel wird dann auch die Frage gestellt: “Unterstützen die USA Al Qaida?” Hoho! Das ist natürlich keine offizielle Stellungnahme der deutschen Regierung, sondern nur die “freie” Presse. Und man hat diesen Knaller in einem unbedeutenden Pressemedium versenkt, damit er nicht zu viel Staub aufwirbelt. Aber das ist schon eine Ansage. Deutschland testet damit die USA. Je aggressiver die Reaktion des Herren, desto vorsichtiger muss Deutschland seine Fesseln lösen. Je lahmer die Reaktion, desto entschlossener kann Deutschland sich befreien. Das herauszufinden, ist der große Zweck des Artikels.

Am 20. September kommt ein UN-Hilfskonvoi unter sonderbaren Umständen zu Schaden. Die USA entfachten unter diesem Vorwand eine riesige Medienkampagne gegen Russland und heizten die Stimmung an, um den Deal vom 9. September anzugreifen.

Ende September schlagen die USA zu. Am 27. September warnt US-Verteidigungsminister Carter vor der drohenden Gefahr eines Atomkrieges und verkündet, dass die nukleare Erstschlagdoktrin der USA in Kraft bleibt. Eine Drohung mit dem Atomkrieg. Und Kirby, der Sprecher des US-Außenministeriums, kündigt am 28. September an, dass die Terroristen in Syrien Russland angreifen werden, russische Flugzeuge, russische Soldaten, russische Städte. Nachdem also Russland die USA offiziell der Terrorunterstützung beschuldigt hat, drohen die USA mit Atomkrieg und erteilen ihren Terroristen in der Öffentlichkeit den Befehl, Russland anzugreifen. Damit klettern die USA auf eine neue Stufe der Eskalationsleiter.

Das ist ein Spiel. Beide Seiten erhöhen die Einsätze, bis einer nicht mehr weiter erhöhen kann oder sich nicht mehr traut, weiter zu erhöhen. Das ist die Eskalationsspirale. Wer aussteigt, hat verloren, gibt sich geschlagen. Je höher man die Eskalationsleiter hochklettert, desto anstrengender wird es für beide Konfliktparteien. Bevor man hochklettert, überlegt man sich daher, ob man selbst die neue Anstrengung aushalten kann, wie der Gegner wohl mit der neuen Stufe umgehen kann, ob und wie der Gegner noch eine Stufe höher klettern kann und wie gut man selbst und der Gegner die neue Stufe verkraften können. Man muss mehrere Schritte voraus denken. Wenn man denkt, dass es der Gegner es auf der nächsten oder übernächsten Stufe besser haben wird, als man selbst, sollte man nicht eskalieren. Aber man kann in diesem Spiel auch bluffen…

Was in diesem Spiel passiert, muss man sich bildlich veranschaulichen, damit man spürt und begreift, was eigentlich vor sich geht. Herzog Russland sagt also im Versammlungssaal, dass König USA die Terroristen unterstützt. Ein Raunen geht durch die Menge. In der Tasche von Herzögin Deutschland quackt ein Frosch, dass er Beweise dafür hat, dass die USA tatsächlich Terroristen unterstützen. (Das ist das Raunen in Deutschland, in jedem Land wird natürlich etwas eigenes geraunt.) König USA zeigt derweil auf einen brennenden Laster und schreit: “Du hast das angezündet!” Herzog Russland sagt: “Nö. Wir haben hier Videoaufnahmen von deinen Terroristen am Laster und von deinen Kampfdrohnen über dem Laster.” Der König schreit: “Du bist schuld an allem! Die Terroristen werden dich fressen! Und ein Atomkrieg kann dich auch ereilen!” Und ein paar Tage später, am 3. Oktober, sagt der König: “Unser Deal zur Bekämpfung dieser Terroristen ist übrigens nichtig”. Und als Antwort gibt es eine schallende Ohrfeige von Herzog Russland. So schallend, dass alle im Saal erstarren.

Auf die Eskalation der USA, die am 3. Oktober ihren Schlusspunkt findet, kommt blitzschnell die Antwort von Russland. In Form einer neuen Eskalationsstufe. Schauen wir uns das, und die Reaktion der USA, im Detail an.

3. Oktober. Russland zieht sich aus dem Plutonium-Vertrag zurück. Es geht um die Vernichtung von jeweils 34 Tonnen hoch angereichertem, waffenfähigem Plutonium. Aber das ist gar nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass Russland dazu sagt: Wir können den Vertrag gerne wieder reaktivieren, nachdem die USA drei Bedingungen erfüllen:

  1. Die NATO aus Osteuropa abziehen.
  2. Alle Sanktionen gegen Russland aufheben und Reparationszahlungen für alle Sanktionen und alle Gegensanktionen zahlen.
  3. Aufzeigen, wie die USA selbst den Vertrag erfüllen können.

In dieser Reihenfolge.

Veranschaulichen wir uns das bildlich. Herzog Russland sagt zum König: “Dieses waffenfähige Zeug, das wir beide abbauen wollten, weil wir angeblich Freunde geworden sind, dieses Zeug lassen wir mal schön liegen, wo es gerade ist. Und wenn du willst, dass wir uns das wieder anschauen, musst du dich vor uns auf die Knie stellen, deine Sünden gestehen, deine Armeen aus unserer Nachbarschaft abziehen und uns einen Lastwagen voll Gold herüberkarren. Und wenn du dann noch zeigst, dass du in der Lage bist, deinen Teil des Plutoniums zu zerstören, können wir wieder darüber reden, dass wir gemeinsm Plutonium zerstören”.

Genau das sagt Russland den USA am 3. Oktober, eingepackt in bürokratisch-diplomatischen Jargon. Das sagt Herzog Russland zum König USA, während alle anderen Herzöge und Grafen und Barone aus aller Welt drum herum stehen und ohnehin schon gebannt schauen, was zwischen Russland und USA passiert. Das ist kein Trolling mehr, das ist eine Ohrfeige.

Um die Bedeutung dieses Tages symbolisch zu unterstreichen, entlässt Wladimir Putin noch an diesem 3. Oktober eine Herde Prschewalski-Pferde in die Freiheit. Was soll die Sache mit den Pferden? Die CIA-Berichterstatter kommen sich wie immer geil vor mit ihren süffisanten Kommentaren.

Das Prschewalski-Pferd, ein asiatisches Wildpferd, war in freier Wildbahn bereits ausgestorben. Mit den Exemplaren, die in den Zoos überlebt haben, hat man ein Auswilderungsprogramm gestartet, um diese Tiere, die der Mensch der Natur nahm, der Natur wieder zurück zu geben. Putin hat an diesem Prozess teilgenommen, indem er die Tore geöffnet hat und die Pferde aus dem Gehege in Richtung Freiheit lockte. Warum hat sich Putin beeilt, noch am 3. Oktober, bei Sonnenuntergang, diesen Termin wahrzunehmen? Man muss die Symbole lesen: Freiheitsliebendes, ungezähmtes Wesen, fast verschwunden von der Erde, ist dank großer Bemühungen wieder da. Und es wird in die Freiheit entlassen. Raus aus der Gefangenschaft und in die Freiheit. Das ist nur vordergründig eine Geschichte von Pferden, in Wirklichkeit erzählt uns Putin eine Geschichte von Russland.

Wir schreiben noch immer den 3. Oktober. Der Hofberichterstatter New York Times berichtet über das russische Ultimatum. Die Form der Berichterstattung ist bemerkenswert. Aussetzung des Plutonium-Vertrags wird schon in der Schlagzeile angekündigt. Im langen Text folgt die übrige Grütze über böse Russen und ganz am Ende, ganz kurz, wird das Ultimatum erwähnt. Bildlich: Der Berichterstatter des Königs macht nach dem russischen Ultimatum bekannt, dass Russland sich aus dem Plutonium-Vertrag zurückzieht. Der Berichterstatter erwähnt lang und breit, dass Russland böse ist und fügt am Ende, mit Seitenblick auf den König, hüstelnd und flüsternd hinzu, dass eine Reaktivierung des Vertrages wohl nicht zu erwarten sei, weil Russland noch diese drei dreisten Bedingungen gestellt hat.

Das ist wichtig. Wenn sein Berichterstatter es ihm auf englisch vorgelesen hat, kann der König später nicht behaupten, er hätte das Ultimatum nicht mitbekommen oder hätte es eh nicht verstehen können, weil es auf russisch vorgetragen wurde. Nein nein, die Bedingungen wurden für alle sichtbar dem König verlesen. Und einen Tag später legt Bloomberg nach und befasst sich eingehend mit den drei Forderungen, die nun schon in der Überschrift offen als Ultimatum betitelt werden. Damit kann ein fadenscheiniger Rückzieher nun wirklich ausgeschlossen werden. Die Botschaft ist angekommen, in ihrer ganzen Tragweite, alle Anwesenden im Saal haben das bezeugt. Der König kann nicht mehr sagen: “Ohrfeige? Welche Ohrfeige? Huch, habe ich etwas verpasst?” Das ist wichtig. Das zwingt den König zu einer sofortigen Reaktion. Alles, was er jetzt tut, ist eine Reaktion, auch wenn er nichts tut.

Noch am 3. Oktober gibt das russische Außenministerium eine Stellungnahme über Venezuela ab. Hier das Entscheidende daraus:

Die Dynamik der Entwicklung der innenpolitischen Situation in Venezuela zeigt, dass unversöhnliche Kräfte innerhalb des Landes, die sich auf äußere Unterstützung stützen, die Eskalation der Spannung fördern. Das Ziel – um jeden Preis die Entmachtung der Regierung dieses Landes zu erreichen.

(…)

In diesem Zusammenhang erklären wir erneut, dass die einzige Grundlage der Lösung der innenpolitischen Probleme Venezuelas, wie jedes anderen Landes, das Respektieren der Verfassung und nationaler Gesetze ist. (…)

Was die internationale Gemeinschaft betrifft, darunter einige Nachbarn Venezuelas, würden wir solchen Kurs ihrerseits begrüßen, der die Normalisierung der innenpolitischen Lage in Venezuela fördern würde.

Übersetzt aus dem Diplomatischen: “Die USA spalten Venezuela von innen heraus, um die Regierung zu stürzen. Nach diesem Muster vollzogene farbige Revolutionen sind böse. Wir verhandeln mit der venezolanischen Regierung über unsere Einmischung in diesen Prozess und laden Venezuelas Nachbarn ein, sich uns im Kampf gegen die US-Farbrevolution anzuschließen.”

Nicht schlecht, so als Begleitprogramm zum Ultimatum. Der Hintergrund ist folgender. Die USA reißen Südamerika gerade in Stücke, um dort kontrollierbares Chaos mit US-Marionetten zu implementieren. Russland und China haben sich aus diesem Krieg auf dem südamerikanischen Kontinent heraus gehalten, obwohl der BRICS-Partner Brasilien gerade offen von den USA malträtiert wird. Warum diese Zurückhaltung? Geopolitik ist brutal. Der von Russland angebotene große Deal lautete: Lasst Eurasien in Ruhe, zieht euch hier langsam und gesichtswahrend zurück. Wir lassen im Gegenzug die amerikanischen Kontinente in Ruhe. Wir herrschen über Eurasien, ihr herrscht über Amerika, wir mischen uns nicht beim jeweils anderen ein.

Dieser Deal ist geplatzt. Die gemeinsame Zerstörung von Al Nusra sollte nur ein kleiner Baustein in diesem großen Deal sein. Das hätte echte Ruhe in den Nahen Osten gebracht und die USA hätten dabei echt als Ruhestifter auftreten können, hätten ihr Gesicht wahren und darauf aufbauend ihre Rückzugsstrategie entwickeln können. Das wäre der sanfte Übergang zur multipolaren Welt.

Obama und die hinter ihm stehenden Kräfte waren zu diesem Deal bereit. Den Rückzug wollten die USA sich mit TTIP und TTP versüßen, indem sie die “zurückgelassenen” europäischen und asiatischen Territorien über “Freihandelsverträge” versklavt hätten. Das ist die “moderate” US-Strategie. Dem radikalen US-Lager ist diese elegante Lösung aber nicht gut genug. Das radikale Lager geht davon aus, dass die USA in der Lage sind, so viel von der Welt in kontrolliertes Chaos zu stürzen, dass die USA sich als Hegemon und Ordnungshüter dieses Chaos behaupten können. Das moderate Lager hat nichts gegen Chaos in der Welt, es befürchtet nur, dass die USA damit scheitern werden und dann viel weniger haben werden als mit TTIP und TTP “auf friedlichem Wege” zu erreichen ist.

Nachdem Obama die Umsetzung des wichtigen syrischen Bausteins nicht gewährleisten konnte, ist der Deal nun geplatzt. Und Russlands kleine Ansage zu Venezuela, die noch am 3. Oktober abgegeben wird, ist die erste kleine Botschaft an die Welt, dass nicht nur der Syrien-Deal geplatzt ist, sondern etwas viel größeres.

Gut, Russland ist am 3. Oktober die Eskalationsleiter hochgeklettert, und zwar nicht zu wenig. Wir warten auf die Reaktion des Königs!

Am 4. Oktober äußert sich Kerrys Stellvertreterin gegenüber einer russischen Zeitung zum Plutonium-Deal. Die US-Medien greifen das nicht auf. Das ist aus der Kategorie “hat der König gesagt, aber irgendwie auch nicht, weil es nur in Übersee berichtet wurde”. Gottemoeller ist sehr diplomatisch, sehr freundlich, ohne die Spur von aggressivem Auftreten. Sie ist “sehr erleichtert”, dass Russland sich verpflichtet hat, die 34 Tonnen Plutonium, um die es geht, nicht für Forschungs- oder Militärzwecke zu verwenden.

Zur Erinnerung und Veranschaulichung: König USA hat gerade eine schallende Ohrfeige von Herzog Russland erhalten. Eine kleine Stimme des Königs antwortet: “Oh, wir sollten zusammenarbeiten. Wir sind sehr froh, dass es nur eine Ohrfeige und kein Faustschlag war.” Aber das ist nur eine Stimme in Übersee, die von den königlichen Berichterstattern verschwiegen wird, deswegen zählt diese Stimme nur halb.

Die große Stimme der USA, Außenminister Kerry, spricht am 4. Oktober bei einer Rede in Brüssel zur EU. Thema von Kerrys Rede: Transatlantische Beziehungen. Die Rede ist schwach, Kerry erinnert an die guten alten Zeiten und verspricht, dass alles weiter toll sein wird. Er schmiert der EU Honig ums Maul und fleht sie an, nicht von den USA wegzulaufen. So sieht einer seiner Mutmacher aus:

In the United States, we will never forget that Article 5 of the North Atlantic Treaty was triggered for the first time after 9/11. And I can assure you – that whatever you may have read in recent times – the United States of America will never fail to meet its own Article 5 obligations should any NATO member come under attack.

Ja, ein einziges mal wurde der Bündnisfall ausgerufen, vom König selbst, und die Vasallen sind artig beigesprungen. Und gewiss, wer würde daran zweifeln, dass der König für seine Vasallen auch einspringen würde? Etwa nachdem der König die Türkei zum Abschuss eines russischen Flugzeugs angestachelt hat und dann, als die Türkei sofort den NATO-Rat einberufen hat, der König unmissverständlich kundgetan hat, dass man Artikel 5 nicht bemühen sollte in diesem Fall. Die Türkei hat verstanden und hat inzwischen die Seiten gewechselt. Und damit die Europäer vollends überzeugt sind davon, dass der König sie nie und nimmer fallen lässt, legt Kerry nach:

Now, nonetheless, I emphasize – and I want to emphasize this particularly in the wake of the news of the last few days – NATO is a defensive alliance. The Russian people, in particular, should know that despite what their leaders sometimes tell them, our alliance does not seek to weaken, to contain, or to divide their nation or any other nation. We want to work with Russia. We want to work with a Russia that is just as committed to solving common challenges. In fact, I have probably spent as much time with the Russian foreign minister as I have with any other foreign diplomat.

Übersetzung:

Dennoch, ich möchte betonen – und das möchte ich gerade im Licht der Nachrichten der letzten Tage betonen – die NATO ist ein Defensivbündnis. Die Menschen in Russland, gerade sie, sollten wissen, dass unsere Organisation, ungeachtet dessen, was ihre Führer ihnen manchmal darüber erzählen, nicht vorhat, ihre Nation einzudämmen oder ihre oder irgendeine andere Nation zu teilen. Wir wollen mit Russland zusammenarbeiten. Wir wollen mit einem Russland zusammenarbeiten, das genauso engagiert ist beim Lösen von Herausforderungen. Mit dem russischen Außenminister habe ich tatsächlich wohl mehr Zeit verbracht als mit irgendeinem anderen Diplomaten.

Das ist pure Deeskalation. König USA zeigt Schwäche, versichert Herzog Russland, dass keine feindlichen Absichten bestehen. “Hey Bruder! Wir sind doch Brüder, oder? Ich bin doch sogar per du mit Lawrow!”

Und dann schleichen sich noch solche symbolischen Sätze in seine Rede: “Today, the world is less hierarchical and power is more broadly shared.” Ja, wie die Welthierarchie gerade flöten geht, erleben die Eliten live mit.

In der Fragerunde nach der Rede fragt niemand nach dem Plutonium-Deal und dem Ultimatum. Auf der täglichen Pressekonferenz des US-Außenministeriums fragt am 4. Oktober auch niemand nach dem Plutonium-Deal und dem Ultimatum. Es wird gefragt, welche Optionen die USA in Erwägung ziehen, nachdem sie den Deal mit Russland aufgekündigt haben. Der Sprecher will keine Details nennen und betont gebetsmühlenartig, dass die USA eine multilaterale Lösung suchen – also kein Alleingang in Syrien. Und die Lösung soll am besten politisch sein – also keine Entschlossenheit zum militärischen Durchgreifen. Nichts konkretes, keine Entschlossenheit – das sind Zeichen von Schwäche.

Am 5. Oktober steigt Russland aus dem Abkommen über Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung in den Bereichen Atom und Energie aus. Grund: die USA sind 2014 ausgestiegen (im Rahmen der Sanktionen). Am gleichen Tag setzt Russland das Exekutivabkommen zwischen Rosatom und dem Energieministerium der USA über Kooperation bei der Erforschung der Möglichkeit der Konversion der russischen Forschungsreaktoren zur Nutzung von niedrig angereichertem Uranbrennstoff aus. Grund sind ebenfalls Sanktionen der USA von 2014, unter anderem im Bereich der zivilen Atomnutzung. Die im Rahmen des Abkommens abgeschlossenen Verträge werden noch erfüllt. Im übrigen wird Russland selbst entscheiden, ob und wann es russische Forschungsreaktoren auf niedrig angereicherten Uran-Brennstoff umstellen wird.

Zwei weitere Verträge im Nuklear-Bereich ausgesetzt. Vermeldet unter anderem auf der Seite des russischen Außenministeriums, damit es alle Welt sicher mitbekommt. Das russische Außenministerium vermeldet auch, dass Lawrow und Kerry miteinander telefoniert haben, auf Kerrys Wunsch. Es wird häufig mitgeteilt, auf wessen Wunsch ein Kontakt stattgefunden hat. Das ist wichtig. Kerry ist der Bittsteller für diesen Dialog, Lawrow derjenige, der sich bitten lässt. Die kleine Information darüber, wer den Kontakt initiiert hat, kann in bestimmten Situationen schmerzhaftes Trolling sein. Nicht immer. Aber wenn der König den Kontakt zum angeblich unterlegenen Feind suchen muss, kaum dass er den Kontakt abgebrochen hat, ist es unangenehm. Und wenn der Feind dieses Detail in alle Welt hinaus posaunt, ist es schmerzhaftes diplomatisches Trolling.

Auf der täglichen Pressekonferenz des US-Außenministeriums am 5. Oktober wird nach dem Telefonat gefragt und warum das denn stattfinden musste. Betreiben die USA jetzt also doch wieder bilaterales Engagement mit Russland? Der Sprecher windet sich, um zu erklären, dass das Telefonat kein Engagement der USA ist, sondern nur so ein Gespräch, irgendwie… es wäre ja unverantwortlich, nicht mit den Russen zu sprechen, bei der heißen Lage in Aleppo. Dann sagt der Sprecher etwas wichtiges, als Erklärung für den hartnäckigen Journalisten, der darauf beharren will, dass das Telefonat echtes Engament darstellt. Der Sprecher sagt:

MR TONER: — it doesn’t change the facts on the ground, as you note. We don’t have a cessation of hostilities. We don’t have humanitarian access. We don’t have any of the elements, the core elements of that September 10th agreement in the process of being implemented or implemented. There’s no – going to be no Joint Implementation Center. None of the, if you will, carrots either for Russia – or at least what Russia proclaimed to want, that Joint Implementation Center – is moving forward as well. But I think – and I tried to stress this yesterday – while that particular bilateral channel is now suspended, we’re not going to just walk away from what’s happening in Syria. We’re going to try to – on the multilateral front, try to coordinate with likeminded partners and allies and stakeholders, and that includes Russia and Iran. Unfortunately, that does include them.

Übersetzung:

TONER: An den Tatsachen am Boden hat sich nichts geändert. Wir haben keinen Waffenstillstand. Wir haben keinen Hilfskorridor. Wir haben kein Element, kein Kernelement des Abkommens vom 10. September ist implementiert worden oder wird gerade implementiert. Es gibt nicht – es wird die gemeinsame Operationszentrale nicht geben. Keine der, wenn Sie so wollen, Möhren für Russland, oder das, was Russland behauptete zu wollen, die gemeinsame Operationszentrale – nichts davon macht Fortschritte. Aber ich denke, und das habe ich gestern zu erklären versucht, nur weil dieser konkreter bilateraler Kanal geschlossen ist, werden wir uns nicht einfach zurückziehen aus Syrien. Wir werden versuchen, auf multilateraler Ebene, werden versuchen, unsere Bemühungen mit gleichgesinnten Partnern und Verbündeten zu koordinieren, und das schließt Russland und Iran mit ein. Bedauerlicherweise schließt sie das mit ein.

Man muss den Kontext dieser Aussage beachten. Die Aussage wird als Erklärung gereicht, warum Kerrys Telefonat nicht von Bedeutung ist. Wir erfahren, was wirklich von Bedeutung ist für die USA. Wirklich von Bedeutung ist, den Deal vom 9. September nicht umzusetzen. Und das gemeinsame Operationszentrum, das eine Schlüsselrolle bei der Vernichtung von Al Nusra spielen sollte, das ist nur eine Möhre für Russland. So wie andere Details des Deals auch nur Möhren für Russland waren. Das US-Außenministerium verheimlicht nicht, spricht offen aus, dass der Deal seitens der USA nur Show war, um die Russen bei Laune zu halten. Dass die Umsetzung der Pläne nicht erfolgt ist und nicht erfolgen wird, verbucht das US-Außenministerium als Verdienst und Erfolg.

Wichtig ist der erneute Verweis auf multilaterale Lösungen. Das ist ein starkes Signal an die Welt. Multilateral schließt einen Atomkrieg schon mal aus, denn es ist jedem klar, dass die USA keine Partner für einen Atomkrieg gewinnen können, nicht mal im Lager ihrer Freunde und Vasallen. Dass man es bedauert, mit Russland zusammenarbeiten zu müssen, es aber dennoch tun muss und tun wird, sagt der Welt einiges über das Potential der USA aus. Der König sagt: “Wir hassen sie, aber wir müssen mit ihnen zusammenarbeiten”.

Sofort im Anschluss kommt eine Frage und… ein Fehler des Sprechers:

QUESTION: And how do you assess the current state of U.S.-Russian relations?

MR TONER: How do we assess it? I think our assessment is while we have failed to cooperate meaningfully in this recent effort on Syria, we continue to disagree where we disagree with Russia, and that’s on Ukraine, certainly with what’s happening in Syria right now, and in other areas. But where we can cooperate constructively, such as nuclear agreements – and in fact, the other day they suspended this Plutonium Management and Disposition Agreement – that’s a real tragedy, because these are areas that we had successfully cooperated in the past. And again, it’s in the interest of our both our countries to continue those efforts.

Wie sehen denn die aktuellen Beziehungen zwischen USA und Russland aus? Übersetzung der Antwort:

TONER: Wie schätzen wir sie ein? Während es uns nicht gelungen ist, bei diesem Bestreben in Syrien nennenswert zu kooperieren, behalten wir unsere Differenzen mit Russland bei, über die Ukraine, über das, was gerade in Syrien passiert, und in anderen Bereichen. Aber wo wir konstruktiv kooperieren können, so etwa im nuklearen Bereich – und in der Tat, dass sie kürzlich den Plutonium Management and Disposition Agreement ausgesetzt haben – das ist eine Tragödie, weil wir in diesen Bereichen in der Vergangenheit erfolgreich kooperiert haben. Noch mal, es ist im Interesse unserer beider Länder, diese Bemühungen fortzusetzen.

Das tut weh. Der Sprecher gibt zu, dass der von Putin ausgesetzte Vertrag eine Tragödie ist. Der König sagt damit: “Ja, die Ohrfeige hat weh getan”. Der Sprcher spricht sich dann für die Fortsetzung der Zusammenarbeit im nuklearen Bereich aus – am Tag, an dem Russland zwei weitere Verträge in eben diesem Bereich aussetzt. Der König sagt: “Lasst uns aber sonst zusammenarbeiten, ja?”, während Herzog Russland sagt: “Scher dich zum Teufel”. Das tut weh und da hat sich Mark Toner offensichtlich verplappert. Dafür wird man ihn kräftig ausgepeitscht haben im Anschluss an die Pressekonferenz.

Warum verplappert? Weil die Presse an diesem Tag erneut keine einzige Frage zum Plutonium-Vertrag oder dem Ultimatum gestellt hat. Der Sprecher hat das Thema selbst eröffnet. Und selbst dann hat kein einziger Journalist das Thema aufgegriffen und weitere Fragen dazu gestellt. Es wurde sofort das Thema gewechselt. Die Journalisten haben einen Maulkorb. Plutonium-Vertrag und Putins Ultimatum sind ein Tabu-Thema. Es läuft Tag zwei nach dem Ultimatum an den König und kein Journalist interessiert sich dafür? Nein, sie interessieren sich alle brennend. Aber man hat ihnen ein so deftiges Verbot auf dieses Thema erteilt, dass sie selbst dann schweigen, als das US-Außenministerium versehentlich selbst das Thema eröffnet. So ist sie, die freie Presse. Dieses unnatürliche Schweigen, das sich auch in den Tagen nach dem 5. Oktober fortsetzen wird, ist natürlich auch ein Signal. Es ist ein Zeichen großer Schwäche, aber offenbar haben die PR-Experten der US-Regierung auch nach zwei Tagen keine Formulierung gefunden, die auf Putins Ultimatum eingeht und besser als betretenes Schweigen wäre. Das ist hart. Und die ganze Welt schaut zu. Nicht die Welt der einfachen Bürger, die verpassen dieses grandiose Schauspiel dank ihrer Qualitätsmedien. Aber die Welt der Elite schaut gebannt zu.

Wir steigen direkt nach Toners Aussetzer wieder in die Pressekonferenz ein:

QUESTION: — on Syria. Regarding the options that U.S. Government is discussing, are you getting close to the decision? Any meetings that you can talk about?

MR TONER: I don’t want to necessarily preview some of our internal U.S. Government meetings. I’ll just say that we continue our efforts to look at different options in the range of what I talked about yesterday.

QUESTION: The pro-Kurdish party in Syria, the PYD, now controls significant areas of northern Syria, and they’re going to hold a conference, they’ve said, this weekend to announce the establishment of a federal system in the three cantons that they’re now administering. What’s your position on this?

MR TONER: Well, our persistent – position rather, excuse me – has been that the future of Syria should be decided by Syrians consistent with the political transition and election process that was outlined in the UN Security Council Resolution 2254, and that resolution states that the Syrian people will decide the future of Syria and that the Geneva Communique should be the basis of a Syrian-led and Syrian-owned political transition. Put more simply, we support the territorial integrity of Syria and we also support a unified, democratic Syria in which the rights of all groups are protected.

So in direct response to your question, we’d urge Syrian parties – all Syrian parties to work together in a manner consistent with UN Security Council Resolution 2254 in order to advance that political process. So what we don’t want are groups working on the margin creating their own systems or their own de facto states. This all needs to be worked out to a political transition that’s enshrined in UN Security Council Resolution 2254.

Was ist denn nun mit den US-Optionen nach dem abgesagten Deal? Na, nichts neues, die Regierung überlegt fleißig. Der Reporter gibt sich damit nicht zufrieden, will mehr als das herauskitzeln, fragt konkret nach den Kurden, die angeblich eine eigene Förderation verkünden wollen, schon am Wochenende. Was hält der König davon? Halten Sie sich fest: Toner beruft sich gleich drei mal auf die UN-Resolution 2254 und sagt, dass die USA die territoriale Integrität Syriens unterstützen!

Als direkte Antwort auf Ihre Frage, wir mahnen alle Parteien in Syrien an, im Einklang mit der UN-Resolution 2254 zusammenzuarbeiten, um den politischen Prozess voranzutreiben. Was wir nicht wollen, sind Gruppen, die davon abweichen und eigene Systeme oder eigene defacto Staaten kreieren. Das muss alles im Rahmen einer politischen Transition geschehen, wie sie in der Resolution 2254 verankert ist.

Ein klarer, unmissverständlicher Befehl an die Kurden, ihre Pläne für das Ausrufen einer wie auch immer gearteten Autonomie sofort einzustellen. Das ist zu 100% das, was Russland die ganze Zeit predigt. Und es ist genau entgegengesetzt zu den US-Plänen über die Gründung eines Kurdenstaates. Das heißt nicht, dass die USA ihre Pläne vom Kurdenstaat begraben haben. Aber es ist eine weitere Geste der Deeskalation. König USA sagt zu Herzog Russland: “Ok ok, wir sind schon artig.”

Gleichzeitig droht der Generalstabs-Chef der US-Armee, Mark Milley, dass es einen Krieg zwischen USA und ihren Kontrahenten Russland und China geben wird. Die USA würden ihre Feinde prügeln, wie sie noch nie geprügelt wurden. Er sagt aber auch Dinge wie “ungeachtet all unserer Herausforderungen”, womit er auf die gewaltigen strukturellen und strategischen Probleme der US-Armee eingeht. Milley warnt davor, dass der nächste Großkrieg extrem blutig sein wird. Nun, daran zweifelt niemand. Das ist auch der größte Schutz davor, dass die USA einen solchen Krieg anzetteln werden. Wir konstatieren dennoch, dass das US-Militär im Gegensatz zur Regierung harte Rhetorik demonstriert. Der General erklärt sich bereit, in den Krieg zu stürzen und alle Feinde zu zerstören, wenn der König es befiehlt.

Am 6. Oktober warnt das russische Außenministerium die USA eindringlich vor einem Militäreinsatz der USA gegen die syrische Armee. Die US-Presse hat Hinweise auf entsprechende Pläne der USA diskutiert. Russland dazu: Der Himmel über Syrien wird überwacht und Russland ist bereit, all seine Luftverteidigungssysteme gegen jegliche unbekannten Flugobjekte einzusetzen. Man wird nicht erst herausfinden, wem die entsprechenden Flugzeuge und Raketen angehören. Diese Warnung ertreckt sich auf sämtliche Luftangriffe auf das von Damaskus kontrollierte Territorium.

Was haben die USA am 6. Oktober mitzuteilen? Wir wenden uns wieder an das US-Außenministerium und seine Pressekonferenz.

MR KIRBY: (…) But speaking for Secretary Kerry, I can tell you that he fully intends to use multilateral efforts available to him, whether it’s the ISSG or the UN or something separate and distinct. Tom Shannon was in Berlin at the invitation of the German Government just yesterday to – a smaller but still multilateral discussion about Syria. The Secretary has every intent to continue to use those vehicles as best he can.

Noch mal die Bestätigung, dass die USA keinen Alleingang vorhaben. Sie suchen nach einer Koalition, um jetzt irgendwas neues in Syrien auszuprobieren. Der König dreht sich zu seinen Vasallen um und flüstert: “Was sollen wir jetzt machen? Was sollen wir jetzt machen?!” Es ist bezeichnend, dass die USA keinen Plan B in der Tasche haben. Was machen deren Diplomaten eigentlich die ganze Zeit? Russland hat einen Plan B vorbereitet für den Fall, dass die USA den Syrien-Deal platzen lassen. Russland ist nach dem Scheitern von Plan A sofort zu Plan B übergegangen. Die Ohrfeige für die USA in Form eines Ultimatums, gleich drei ausgesetzte Nuklearverträge, symbolische Gesten, das Eröffnen der Südamerika-Front. Und noch viele andere Dinge, die wir noch sehen werden. Das haben sie sich nicht am 3. Oktober ausgedacht, nachdem die USA den Deal platzen ließen. Das war alles schon vorbereitet und musste in der Stunde X nur aus der Schublade geholt werden. Und die USA haben nichts. Tag um Tag fragt die Pressemeute, welche Pläne es denn nun gebe und die Sprecher können keine Pläne präsentieren. Die Sprecher wissen nicht einmal, in welchem Format die USA nun weitermachen wollen. Mittels der UN? Mittels der ISSG? Irgendwie anders? Die haben keine Ahnung und keinen Plan. Der Plan war, den Syrien-Deal platzen zu lassen, weiter haben sie nicht gedacht.

QUESTION: Yeah, okay. And is there anything that you are doing to try to stop Aleppo from falling to the government, the Russian-backed government offensive, or have you kind of written it off?

MR KIRBY: Nobody is writing off Aleppo. I think everybody’s deeply troubled and concerned about what appears to be a very continued, concerted, and if – and increased effort by the regime to conduct a siege and to take Aleppo. But —

QUESTION: Yeah. Are you doing anything to stop it?

MR KIRBY: Well, we obviously are continuing – another reason why, as I said, they – Foreign Minister Lavrov and the Secretary spoke yesterday was the Secretary was expressing our concerns about what’s going on in Aleppo. We’re not turning a blind eye to that. And we still want – the short answer to your question is we’re still interested in pursuing a cessation of hostilities that can endure nationwide, and certainly in Aleppo. It’s just that now we’re going to have to pursue that goal through a multilateral effort and not any longer solely through a bilateral effort with Russia

Der Journalist fragt, ob die USA Aleppo aufgegeben hätten und wie sie verhindern wollen, dass die syrische Armee es unter Kontrolle bekommt. Kirby ist tief besorgt über die Belagerung von Aleppo und über die gestiegenen Bemühungen der syrischen Armee, diese Stadt einzunehmen. Der Journalist fragt, wie die USA dagegen vorgehen. Kirby antwortet, dass Kerry genau deshalb mit Lawrow telefoniert habe, um seine Sorgen über die Lage in Aleppo zu übermitteln. Die USA sind weiterhin an einem Waffenstillstand interessiert, gerade in Aleppo. Das werden die USA weiter anstreben, aber jetzt nicht mehr im bilateralen Format mit Russland, sondern im multilateralen Format.

Merken Sie es? Das große Ziel ist die Waffenruhe in Aleppo. Und all die “Möhren für Russland” (O-Ton der US-Regierung) waren nur dazu gedacht, die Waffenruhe durchzusetzen. Was zum Teufel ist so wichtig an Aleppo? In Aleppo sind 6 bis 8 Tausend “Rebellen”, von denen die Hälfte zu Al Nusra gehören. Die USA und die UN haben Al Nusra als Terrororganisation anerkannt. Aleppo ist voll von Terroristen. Aleppo ist eine strategisch wichtige Stadt im Syrien-Krieg. Strategisch gelegen, sehr groß, gut zu verteidigen, sehr schwer einzunehmen. Und voll von westlichen Agenten und moderaten Terroristen. Wenn Aleppo fällt, ist der Syrien-Krieg endgültig entschieden. Die Terroristen können sich im übrigen Territorium nirgends mehr festkrallen. Überall sonst kann man sie leicht ausräuchern und zubomben. Aleppo ist eine Bastion. Eine Bastion der Terroristen.

Zurück zur Pressekonferenz:

QUESTION: So I’m trying to get to my – the second part of my question, which was the famous menu of options that the Administration is now considering. Just briefly on two potential ones – one is the military option, an option that presumably would involve some kind of actual – kinetic military activity, as you like to call it. You will have seen that the Russians warned you guys today not to do that. And I’m just wondering, is there any – do they have good reason to issue such a warning? Do you take such a warning seriously? Do you think that if that option is taken, that it could lead to an overt U.S.-Russia military confrontation?

MR KIRBY: Well, nobody wants to see an escalation in violence or tensions between the United States and Russia on this issue. And as we’ve said many times, we still don’t believe a military solution is the right approach, that —

Der Journalist geht auf die oben zitierten Warnungen des russischen Verteidigungsministeriums ein. Nehmen die USA solche Warnungen etwa ernst? Wie wirkt sich das auf etwaige militärische Pläne der USA in Syrien aus? Könnte es dabei zu einer offenen Konfrontation mit Russland kommen?

Sehen Sie, es ist noch längst nicht bei allen angekommen, dass die Welt sich gerade sehr schnell ändert. Der forsche Journalist ist immer noch im Glauben gefangen, dass niemand es wagen wird, sich den USA entgegen zu stellen. Aber der König, vertreten durch Sprecher Kirby, ruft zu Mäßigung auf. Niemand wolle eine Eskalation zwischen USA und Russland. Und wie er schon oft gesagt habe, die USA glauben nicht an eine militärische Lösung.

Später wird Kirby noch mal wegen der russischen Warnung gefragt. Wird diese die USA etwa in ihren militärischen Plänen einschränken? Ja, nein, man diskutiere intern natürlich alle Optionen, aber man habe eine große Verantwortung und man glaube fest, dass eine diplomatische Lösung die bessere ist.

Das kann doch nicht wahr sein, denken sich die Journalisten, und fragen noch mal:

QUESTION: In the event that a strike is decided upon and you take out certain, let’s say, runways or military facilities and so on, it would be just a punishment or would it be a la Desert Fox back in 1998 in Iraq? Or would it be something that is sustained to basically – like Libya, to overthrow the regime?

MR KIRBY: Said, you’re well ahead of any decisions, at least that have been made to date here, on the U.S. side. I can’t even begin to entertain that question. We still believe a diplomatic approach is the best one. Yes, inside the government, we continue to have conversations about options. Not all of those options, as I’ve said, revolve around diplomacy. It would be irresponsible for us not to think about other tools available to us to change the situation on the ground in Syria.

Also wenn die USA sich für einen Militärschlag entscheiden, wird das nur so eine kleine Strafe sein oder eine große Operation? Oder wird man wie in Libyen das Regime stürzen? Kirby: Wir glauben an die diplomatische Lösung, das ist das Beste.

Die kleinen Pressebarone, die sich bisher im Glanz ihres Königs gesonnt haben und sich für unangreifbare Superhelden gehalten haben, bekommen Tage nach der Ohrfeige des russischen Herzogs leichte Zweifel. “König, willst du den Russen nicht mal kneifen?” – “Nee, wir wollen lieber darüber reden.” – “König, willst du dem Russen Sanktionen um die Ohren hauen?” – “Nee, wir wollen lieber reden.” – “König, aber wenn du ihn doch verprügelst, dann so ein bisschen oder so richtig?” – “Nee, wir glauben an Diplomatie.” König… die Zweifel wachsen.

Zum Plutonium-Deal und zum Ultimatum von Putin kommt erneut keine einzige Frage. Stellen Sie sich vor, wie tief der Schock sitzt, dass das Thema mit einem totalen Redeverbot belegt wurde. Das, was nicht gesagt wird, ist oft entscheidender als das, was gesagt wird. Das ist so ein Fall. Eine öffentliche Ohrfeige für den König und niemand im Lager des Königs spricht ein Wort darüber. Das ist entscheidend. Alle fragen den König, ob dem Russen eine Ohrfeige oder einen Faustschlag versetzen wird, und der König antwortet, dass er nur reden will.

UN-Sonderbeauftragter für Syrien, Staffan de Mistura, bietet am 6. Oktober an, die Nusra-Terroristen persönlich aus Aleppo zu geleiten. Gut so, ab nach Idlib mit ihnen. Das widerspricht allerdings den US-Interessen.

Am 6. Oktober beschwert sich die Washington Post, der zweite wichtige Hofberichterstatter des Königs, dass Obama eine Kongressinitiative für neue Sanktionen gegen Russland torpediert. Josh Earnest, der Sprecher des Weißen Hauses, sagt:

The concern we have with the current congressional proposal that’s being debated is that it would deploy those sanctions essentially unilaterally.

Das Weiße Haus ist besorgt, dass sich niemand den Sanktionen anschließen wird. Damit ist das Sanktionen-Gerede in Deutschland, das zeitgleich in die Presse gestreut wurde, auch abgehandelt.

Auch noch am 6. Oktober wird in Russland die baldige Fertigstellung der zweiten Luftwaffendivision im Fernen Osten Russlands verkündet. Es handelt sich um strategische Langstreckenbomber. Das soll den Staaten der Pazifikregion den Ernst der russischen Ziele in der Region demonstrieren. Achten Sie auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung. Der Aufbau der Division begann schon vor etlichen Wochen oder Monaten, der Prozess ist noch nicht beendet. Aber jetzt und nicht erst später will Russland darauf aufmerksam machen. Russland fordert die USA heraus und will keinen Zweifel am Ernst dieses Vorhabens lassen.

Vom 4. bis 7. Oktober wird in Russland eine riesige landesweite “Übung für zivile Verteidigung in großmaßstabigen Notsituationen natürlichen oder technischen Charakters” durchgeführt. 40 Millionen Bürger (!) und 200 Tausend Rettungskräfte nehmen teil. Eine große Notsituation technischen Charakters ist ein Atomkrieg. Russlands Signal: Wir sind bereit, selbst für den Atomkrieg. Und zwar sind wir nicht mit Gelaber bereit, sondern mit Taten. Nicht nur unsere Armee, auch unsere Zivilisten sind auf das Schlimmste vorbereitet. Und ihr?

Am 6. Oktober reagiert das Pentagon auf die Stationierung russischer S 300 Luftabwehrsysteme in Syrien:

“Our operations will continue,” said Pentagon Press Secretary Peter Cook when asked by The Daily Caller News Foundation if Russian actions have impeded U.S. air strikes in the war-torn country.

The U.S. continues to take “precautions with regard to the safety of our air crews” and despite recent “differences” with the Russians, the safety line of communication established to prevent any accidents in Syria is effective, Cook said. America continues to use the safety line and “would encourage the Russians to do the same,” Cook concluded.

Das Pentagon gibt sich verbal härter als das Weiße Haus oder das Außenministerium. Aber es steckt nicht viel dahinter. Das Pentagon will seine Operationen fortsetzen. Also keine neuen Operationen, keine Änderung. Und der militärische Kommunikationskanal zu Russland wird ja nicht geschlossen, er hilft Zwischenfälle zu verhindern. Also keine Zwischenfälle geplant. Kampfrhetorik sieht anders aus. Die kann man derzeit bei Russland beobachten: “Wenn ihr eine Bombe am falschen Ort abwerft, werdet ihr garantiert abgeschossen.”

Aber! Die US-Armee macht am 6. Oktober Testflüge, bei denen die Attrappe einer Atomrakete abgeworfen wird. Na immerhin. Eine zarte Drohung mit dem Atomkrieg.

Die Vasallen springen dagegen schon ab. Bei den deutschen Kampfflugzeugen, die in Syrien im Einsatz sind, ist ein technischer Defekt eingetreten. Bei allen Flugzeugen. Gleichzeitig. Deswegen können die Deutschen bis auf weiteres nicht mehr über Syrien fliegen.

“Jedwede Gefährdung für Personen und Material” solle ausgeschlossen werden, heißt es.

Man darf es offiziell natürlich nicht sagen, aber jedem ist klar, dass dieses Kommando zuerst kam, und die technischen Defekte danach. Um jedwede Gefährdung für Personal und Material auszuschließen.

Springen wir zum nächsten Tag, dem 7. Oktober. Manche Vasallen distanzieren sich weiter vom König. Merkel:

“Ich sage es mal ganz vorsichtig: Die Tatsache, dass ein Freihandelsabkommen, das wir mit Russland verhandeln würden, wahrscheinlich nur die Hälfte aller Diskussionen mit sich bringen würde, das muss uns doch zu denken geben”, sagte Merkel auf dem Tag der deutschen Industrie in Berlin mit Blick auf die Kritik an TTIP.

Lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen. Merkel stellt einen direkten Vergleich zwischen USA und Russland her und Russland gewinnt in diesem Vergleich. Herzögin Merkel sagt: “Hmja, mit Herzog Russland hätten wir echt weniger Probleme, als mit unserem König. Darüber müssen wir mal nachdenken.” Das sagt sie nicht irgendwann, sie sagt es jetzt, in der hochsensiblen Phase, nachdem der König eine schallende Ohrfeige kassiert hat und bisher als Reaktion deeskaliert, während Russland täglich mehrfach provoziert. Ja, das gibt den Vasallen zu denken.

Am gleichen Tag sagt Juncker:

Europa wird vor den USA nicht in die Knie gehen, wir werden die Prinzipien, die Europa zum Erfolg geführt haben, nicht in den Wind schlagen.

Derweil kündigt Russland am 7. Oktober an, ehemalige Militärbasen in Kuba und Vietman wieder in Betrieb zu nehmen.

In Venezuela wird ein Chavez-Denkmal eingeweiht. Gesponsort von Rosneft, dem russischen Öl-Giganten. Rosneft-Chef Swetschin ist auf der Feier dabei. Chavez ist eine Symbolfigur im Kampf Südamerikas gegen den destruktiven US-Einfluss. Eine symbolträchtige Geste, ihm ein Denkmal zu setzen. Damit keine Zweifel bleiben, welche Entwicklung Russland in Südamerika unterstützen wird.

Und der neu geschaffene Hugo-Chavez Friedenspreis geht an… Putin! Das ist natürlich auch ein Symbol. Denn gleichzeitig wird der Friedensnobelpreis verliehen. Der Friedensnobelpreis ist eine Auszeichnung der “internationalen Gemeinschaft”. Die internationale Nichtgemeinschaft hat auch einen Friedenspreis vergeben. Die Ansage: Wir werden bei Bedarf eigene Strukturen schaffen, parallel zu den Strukturen der “internationalen Gemeinschaft”.

Und wir erinnern uns natürlich an die kleine Meldung des russischen Außenministeriums vom 3. Oktober. Nach nur vier Tagen hat sich Russland symbolisch breitgemacht in Venezuela. Den Worten folgen ganz schnell Taten. Im Gefolge von Swetschin ist selbstverständlich eine Delegation von russischen Agenten eingereist, die in Venezuela den Kampf gegen die US-Agenten aufnehmen wird.

Steinmeier hat mit Lawrow telefoniert. Russlands Ansage bleibt klar: Die Terroristen werden eliminiert. De Mistura darf sie aber vorher gern persönlich aus Aleppo rausführen.

Wir wenden uns der Pressekonferenz des US-Außenministeriums vom 7. Oktober zu. Hier wird die offizielle Außenpolitik verkündet. Hier ist der beste Ort, um die Aktionen und Reaktionen des Königs im großen Versammlungssaal der Weltgemeinschaft zu beobachten. Kerry hat Russland beschuldigt, ein Krankenhaus in Aleppo zerbombt zu haben. Die Journalisten wittern Blut – jetzt ist die Zeit der Rache gekommen!

QUESTION: Okay. On to Syria and the Secretary’s comments earlier this morning, one is: Do you know what strike he was talking about in his comments overnight on a hospital in Aleppo?

MR KIRBY: I think the Secretary’s referring actually to a strike that we saw happen yesterday on a field hospital in the Rif Dimashq Governorate. I’m not exactly positive that that’s what he was referring to, but I think he was referring to actually one that was —

QUESTION: Not one in Aleppo?

MR KIRBY: I believe it was – I think it was – I think he – my guess is – I’m guessing here that he was a bit mistaken on location and referring to one —

QUESTION: Which location? Sorry.

MR KIRBY: A field hospital in Rif Dimashq Governorate.

QUESTION: Was it —

MR KIRBY: So I think he was referring to one yesterday.

QUESTION: Definitely yesterday, though? It wasn’t one from Wednesday?

MR KIRBY: I think he was referring to one yesterday, and I know of another one on a hospital Monday, but I think that’s what he was referring to.

QUESTION: Is there a way you guys can check?

MR KIRBY: We did. I mean, believe me, I knew I was going to get asked this question.

QUESTION: Yeah, yeah, yeah.

MR KIRBY: We looked at it and —

QUESTION: But you don’t have certainty, though?

MR KIRBY: I don’t. Best I got, best information I got, is that he was most likely referring to one yesterday in this governorate, but it could just be an honest mistake.

Kirby windet sich wie ein Aal. Ja nee, nicht Aleppo, und auch kein Krankenhaus, sondern ein Feldlazarett. Aber genau wissen wir es auch nicht. Wir wissen nichts genaues, aber das mit dem Krankenhaus in Aleppo, das ist ein Missverständnis.

An diesem Punkt ist klar, dass es an diesem Tag keine Rache geben wird.

QUESTION: The precise death totals were 20 and 100 —

MR KIRBY: I recognize that. I can’t corroborate that. But look, let’s take 10 steps back here. I mean, over the last two weeks, we think almost 400 people now have been killed in Aleppo alone. So whether or not there was a strike last night in a hospital or Aleppo is kind of beside the point. The point he was – the broader point that he was trying to make is that the Russians and the Syrian regime continue this onslaught on Aleppo. And just over the last two weeks alone, as I said, almost 400 people, best we can tell, have been killed. And that doesn’t even count the wounded.

“Let’s take 10 steps back here.” – Lasst uns hier zehn Schritte zurück gehen. Dem König geht die ganze Sache schon zehn Schritte zu weit. Wo genau wie viele Zivilisten getötet wurden, will der König nicht sagen. Aber Russland hat insgesamt 400 Zivilisten getötet in den letzten Tagen, das ist sicher.

Dann folgt ein langes Herumgeeiere über Kerrys Forderung nach einem Kriegsverbrecherprozess gegen Russland. Gleicher Stil, Kirby windet sich ausweichend, wir ersparen uns das, obwohl es prächtiges, erniedrigendes Schauspiel ist. Wir schauen uns das Ende an:

QUESTION: Simply stated, does the U.S. Government believe, based on all the information that it has gathered, that Russia has committed war crimes in Syria?

MR KIRBY: I would again point you back to what he said at the UN and what he said today, that – he said that these strikes are clear violations of international law.

QUESTION: That’s not what he said today.

MR KIRBY: No, but he said that at the UN.
(…)
QUESTION: Okay. So you’re not ready to say that you believe that Russia has committed war crimes in Syria.

MR KIRBY: No, and the Secretary didn’t allude to that today either.

Übersetzung:

FRAGE: Einfach gesagt, glaubt die US-Regierung, basierend auf all den Informationen, die sie gesammelt hat, dass Russland Kriegsverbrechen in Syrien begangen hat?

KIRBY: Ich möchte Sie erneut auf das verweisen, was er [Kerry] in der UN gesagt hat und was er heute gesagt hat, dass – er sagte, dass diese Luftschläge eine klare Verletzung des internationalen Rechts sind.

FRAGE: Das ist nicht das, was er heute gesagt hat.

KIRBY: Nein, aber er sagte das in der UN.

FRAGE: Okay. Also sind Sie nicht bereit zu sagen, dass Sie glauben, dass Russland Kriegsverbrechen in Syrien begangen hat.

KIRBY: Nein, und der Minister hat heute nicht darauf angespielt.

Das ist eine echte Komödie. Die Pressekonferenz vom 7. Oktober müssen Sie sich unbedingt in Gänze durchlesen. Sie fragen sich vielleicht, was das alles soll – Kerry sagt der Presse, dass Russland Kriegsverbrechen begeht und dafür vor ein Tribunal gestellt werden sollte, und sein Ministerium widerspricht ihm am gleichen Tag – nein nein, man habe ihn falsch verstanden. Keine Kriegsverbrechen.

Es gibt zwei Realitäten. Die eine Realität im Versammlungssaal des Königs. Da tobt der Machtkampf der Eliten. Und dann gibt es die Zombie-Realität, die sorgfältig abgeschirmt ist von der Versammlungssaal-Realität. Sehen Sie, der offizielle Sprecher des US-Außenministeriums hat auf Nachfrage ganz klar gesagt, dass die USA keine Beweise für russische Kriegsverbrechen in Syrien haben. Die Presse war da und hat es aufgezeichnet. Hat die Presse nach dem 7. Oktober irgendwo getitelt, dass die USA keine Beweise haben und nicht behaupten, dass Russland Kriegsverbrechen begeht? Nein. Es ist ja die “freie Presse”, sie ist dafür da, ein Zerrbild für die Zombies zu erstellen. Das macht sie auch. Im Zerrbild fuchtelt der König mit den Armen und fordert ein Kriegsverbrechertribunal für Herzog Russland. Das ist Zombie-Scheiße. Schauen Sie rein in den Versammlungssaal des Königs und Sie sehen ein ganz anderes Bild. Der König steht geduckt und stammelt seit Tagen davon, dass Reden ganz toll sei. Die Zombies sollen dieses traurige Schauspiel nicht sehen. Die virtuelle Zombierealität wird später angepasst werden – in der Richtung, die den Eliten nützlich ist. Aber zuerst müssen die Eliten unter sich klären, wie die neue Welt aussehen wird.

Übrigens, was Kriegsverbrechen angeht, schauen wir doch mal kurz in die Wikipedia rein, was das überhaupt ist:

Die umfassendste Rechtsquelle hinsichtlich der heute völkerrechtlich als Kriegsverbrechen zu ahndenden Straftatbestände ist das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs. Nach Art. 8 Abs. 2 b) des Römischen Statuts sind u. a. Kriegsverbrechen

„(…) schwere Verstöße gegen die (…) im internationalen bewaffneten Konflikt anwendbaren Gesetze und Gebräuche, nämlich jede der folgenden Handlungen: i) vorsätzliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung als solche (…); ii) vorsätzliche Angriffe auf zivile Objekte (…); iv) vorsätzliches Führen eines Angriffs in der Kenntnis, dass dieser auch Verluste an Menschenleben, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte (…) verursachen wird, die eindeutig in keinem Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen; v) der Angriff auf unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude, die nichtmilitärische Ziele sind (….); vi) die Tötung oder Verwundung eines die Waffen streckenden oder wehrlosen Kombattanten (…); xvi) die Plünderung einer Stadt oder Ansiedlung (…); xvii) die Verwendung von Gift oder vergifteten Waffen; xviii) die Verwendung erstickender, giftiger oder gleichartiger Gase (…); xx) die Verwendung von Waffen, Geschossen, Stoffen und Methoden der Kriegführung, die geeignet sind, überflüssige Verletzungen oder unnötige Leiden zu verursachen (…); xxii) Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Nötigung zur Prostitution (…); xxiii) die Benutzung der Anwesenheit einer Zivilperson oder einer anderen geschützten Person, um Kampfhandlungen von gewissen Punkten, Gebieten oder Streitkräften fernzuhalten; xxv) das vorsätzliche Aushungern von Zivilpersonen (…).“[8]

Vorsätzliche Angriffe auf Zivilpersonen oder Zivilobjekte sind Kriegsverbrechen. Nun behaupten die USA die ganze Zeit, dass Russland vorsätzlich Zivilisten und Krankenhäuser bombt – also Kriegsverbrechen begeht. Aber Beweise für Kriegsverbrechen haben die USA nicht, wie Kirby hier auf Nachfrage mitgeteilt hat. Die Zombierealität, die von der Westpresse verbreitet wird, ist reine Lüge. Die Information darüber ist öffentlich – in den Primärquellen. Die Zombies konsumieren aber keine Primärquellen, sie konsumieren “Qualitätsmedien”. Wagen Sie ab und zu einen Blick in die Primärquellen.

Zurück in den Versammlungssaal, wo die Elitenrealität stattfindet:

QUESTION: John, just to clarify: Would he like to see whom do the investigation?

MR KIRBY: He didn’t – again, the Secretary is not getting ahead of a process here, but he does think that this is a conversation worth having inside the international community.

Übersetzung:

FRAGE: John, nur zur Klärung: Wen möchte er [Kerry] in der Leitungs der Untersuchung [des Tribunals] sehen?

KIRBY: Er will nicht – noch mal, der Minister will nicht vorgreifen, aber er denkt, dass es ein lohnenswertes Thema für die internationale Gemeinschaft ist.

Sehen Sie? Offiziell will der König nichts unternehmen. Aber so als Diskussion in der “internationalen Gemeinschaft”… Sie verstehen schon, Kerry hat den Einwurf gemacht, damit die Qualitätspresse die virtuelle Zombierealität aufrecht erhalten kann. Und hier müht sich der König ab, seinen Pressebaronen klar zu machen, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem, was der König tut und dem, was die Barone den Zombies sagen müssen, was der König tut. Die Pressebarone waren so lange mit der Zombifizierung beschäftigt, dass sie sich selbst angesteckt haben und an die Zombierealität glauben. Jetzt muss der König sie wieder auf den Unterschied zwischen Realität und Zombierealität hinweisen. Und diese Komödie findet öffentlich statt! Aber jenseits der Eliten schaut sich das kaum jemand an! Eine Tragödie ist das. Nun, wir sind hier, um das für einen Moment zu ändern. In diesem Beitrag vergessen wir kurz die Zombierealität und schauen in den Versammlungssaal des Königs, wo die echte politische Realität stattfindet.

Hier, ein Leckerbissen von einem verwirrten Pressebaron:

QUESTION: I think some of the confusion today is that Kerry’s remarks were seen as a change in stance, that it was seen as a stronger statement that he had issued before explicitly calling for a war crimes investigation.

Übersetzung:

FRAGE: Ich denke, die Konfusion ist entstanden, weil Kerrys Äußerungen als Signal verstanden wurden, dass die Einsätze erhöht wurden, dass es ein Signal war, dass die USA bald ein Kriegsverbrechertribunal ausrufen werden.

Sie erinnern sich, dass die Konfrontationspolitik ein Spiel ist, bei dem abwechselnd die Einsätze erhöht wurden, bis eine Seite nicht mehr erhöhen kann. Russland hat erhöht, Russland hat täglich kräftig nachgelegt, wie oben schon dargelegt ist. Die Pressebarone warten darauf, dass die USA ihrerseits erhöhen. Einen Tag nach dem anderen sitzen sie auf der Audienz des Königs und hören überdeutliche Deeskalationssignale, aber sie kapieren es nicht und glauben schon selbst an die Zombierealität, die sie berufsmäßig verbreiten und so warten sie sehnlich darauf, dass der König die Einsätze erhöht. Er muss sie doch erhöhen, nicht wahr?

Das geht die ganze Zeit so weiter. Hier:

QUESTION: But this one where he said 20 dead, 100 wounded – you guys don’t know —

MR KIRBY: I don’t have specific information on that particular event. I told you before, I tried to research that before coming out here. I don’t have any specifics. But that doesn’t eliminate the fact that in this week alone, since Monday, we know of at least two attacks on hospitals and that over the last two weeks almost 400 people have been killed.

Aber die 20 Toten und die 100 Verletzten? – Nein, wir haben dazu keine Angaben. Nichts Konkretes. Aber zwei Krankenhäuser haben die Russen zerbombt und 400 Zivilisten getötet.

Verrückt. Kirby behauptet abwechselnd mehrmals, dass Russland Kriegsverbrechen begeht und dass Russland keine Kriegsverbrechen begeht. Das heißt, er sagt ständig, dass Russland Kriegsverbrechen begeht, aber immer wenn er eine winzig-kleine konkrete Bestätigung davon geben soll, sagt er, dass Russland keine Kriegsverbrechen begeht. Und die Pressemeute kapiert es einfach nicht… Es gibt offiziell keine Kriegsverbrechen, aber die Pressebarone sollen die Zombierealität vorerst nicht verändern, in der soll weiter von russischen Kriegsverbrechen gefasselt werden.

Wir bleiben bei dieser Pressekonferenz, sie ist einfach zu köstlich:

QUESTION: — the de Mistura proposal? He suggested that the al-Nusrah and the militants pull out of Aleppo. Would you support something like this, or would you have a mechanism or would you suggest a mechanism to do that?

MR KIRBY: Well, we’ve seen the special envoy’s proposal. We understand the frustration behind it. And what I would say is we’re going to continue to have a healthy conversation with Staffan de Mistura about the way ahead, about trying to get to a ceasefire, to a cessation of hostilities. And what needs to happen, Said, more critically, is that the siege of Aleppo needs to stop.

Übersetzung:

FRAGE: Der Vorschlag von de Mistura? Er hat vorgeschlagen, die Al Nusra Rebellen aus Aleppo raus zu ziehen. Würden Sie etwas in dieser Art unterstützen oder haben Sie einen Mechanismus oder würden Sie einen Mechanismus vorschlagen, um das umzusetzen?

KIRBY: Nun, wir haben den Vorschlag des Sonderbeauftragten vernommen. Wir verstehen die dahinterstehende Frustration. Was ich sagen möchte ist, dass wir weiter einen regen Kontakt zu Staffan de Mistura bezüglich dieser Sache pflegen werden, über den Versuch, eine Waffenruhe zu bewirken. Was jetzt passieren muss, Said, was besonders wichtig ist, ist dass die Belagerung von Aleppo endet.

Spüren Sie die Frustration darüber, dass Terroristen Aleppo verlassen? Unglaublich, es geht darum, Terroristen aus Aleppo rauszukriegen und Kirby redet von Frustration. Den Vorschlag von de Mistura findet der König schlecht. Kirby hat den Vorschlag nicht unterstützt. Er hat gesagt, dass dieser Vorschlag genutzt werden soll, um eine Waffenruhe zu erwirken und die Belagerung von Aleppo zu beenden. Darum geht es. Wie schon oben gesagt wurde, in Aleppo entscheidet sich der Syrien-Krieg. Die USA krallen sich in diese Stadt fest, so fest, dass es ihnen egal ist, dass sie sich dabei offen als Terroristen-Unterstützer entblößen. Sie hoffen einfach darauf, dass ihre Pressebarone das Volk weiter zombifizieren werden und die Menschen die Offenbarungen des Königs im Versammlungssaal nicht mitbekommen.

Wenn man dieses entlarvende Herumgeeiere über Nusra liest, erkennt man erst, wofür Russlands diplomatische Bemühungen zur Anerkennung von Nusra als Terrororganisation nützlich waren. Man überlege sich das mal, Russland musste die USA hartnäckig dazu zwingen, die syrische Al Quadia, die sich Al Nusra nennt, als Terrororganisation anzuerkennen… Die USA haben Nusra als Terrororganisation anerkannt, und jetzt kann jeder, der will, beobachten, wie die USA Terroristen beschützen. Das sind die Schraubzwingen der Lawrow-Diplomatie.

Und jetzt ein letztes Zitat aus dieser Pressekonferenz, der krönende Abschluss:

QUESTION: Taking the temperature again of U.S.-Russian relations, something harkening back to the Cold War era, now the Russians are saying that they’re considering plans to restore military bases in Vietnam and Cuba in light of the improved relations between Vietnam and Cuba with the United States. How do you perceive these potential developments?

MR KIRBY: I would say a couple of things on that. I mean, these – obviously, overseas basing is – those are sovereign decisions that two states need to work out. We have overseas bases. Other – and there are obviously other nations around the world that also possess and hold overseas bases. That’s not uncommon.

I can’t speak for the motivation that might be driving. If, in fact, they are – I’ve seen the press reporting, but if in fact they are pursuing that, that’s – those are decisions, motivations that they need to speak to, not me. There’s – we have obviously good relations with Vietnam, and we’re trying to now get into a position where we can have better relations with Cuba. I mean, the normalization process is only just getting started. There’s a long way to go.

But these are obviously decisions that states need to work out amongst themselves, and there’s no – I mean, depending on the purpose behind it, there’s no great sense of angst here by one nation looking to explore the notion of overseas basing. It really goes to – it really goes to intent, and only they can speak to intent.

Übersetzung:

FRAGE: Kommen wir zurück auf das Fieberthermometer der US-Russischen Beziehungen, was uns an die Ära des Kalten Krieges denken lässt, die Russen sagen, dass sie Pläne haben, Militärbasen in Vietnam und Kuba wieder herzustellen, während sich die Beziehungen der USA zu Vietnam und Kuba verbessert haben. Wie beurteilen Sie diese Entwicklungen?

KIRBY: Ich möchte ein paar Anmerkungen dazu machen. Ich meine, diese – offensichtlich, Stationierung von Militärbasen in Übersee – das sind souveräne Entscheidungen, die zwei Staaten treffen müssen. Wir haben Basen in Übersee. Andere – und es gibt offensichtlich andere Staaten in der Welt, die auch Basen in Übersee haben. Das ist nicht ungewöhnlich.

Ich kann nichts über die Motivation hinter diesen Entscheidungen sagen. Wenn sie – ich habe die Presseberichte gesehen, aber wenn sie das wirklich verfolgen, das  – das sind Entscheidungen, Motivationen, über die sie sprechen müssen, nicht ich. Wir haben offensichtlich gute Beziehungen zu Vietnam und wir versuchen gerade in eine Position zu kommen, in der wir bessere Beziehungen zu Kuba haben können. Ich meine, der Normalisierungsprozes hat gerade erst begonnen. Es ist noch ein langer Weg zu gehen.

Aber das sind offensichtlich Entscheidungen, die die Staaten unter sich aushandeln müssen, und es gibt keine – ich meine, in Abhängigkeit von den dahinterstehenden Absichten, es gibt hier kein Gefühl der Angst bei einer Nation, nur weil sie sieht, wie Überseebasen errichtet werden. Es geht wirklich um Absichten, und nur sie können über die Absichten sprechen.

Die Pressebarone warten immer noch auf eine Reaktion des Königs. “König, stimmt es, dass du den Russen vor ein Tribunal zerren willst?” – “Nein.” – “Was?! Aber du hast gestern gesagt, dass..” – “Nein, ihr habt es falsch verstanden.” – “Äh, wie jetzt?” – “Es gibt kein Tribunal, aber sagt dem Volk, dass es eins geben könnte.” – “König?” – “Ihr habt richtig gehört.” – “König, der Russe will Militärbasen in unserer Nähe errichten, in Staaten, die uns wohl gesonnen sind. Was sagst du dazu, König?” – “Alle Staaten sind frei. Sie können Militärbasen errichten, wo sie wollen. Wir haben nichts dagegen, nein.”

Russland hat auf Kerrys Zombie-Ansprache schnell reagiert und von “ernsten juristischen Konsequenzen” gesprochen. Wenn es um Kriegsverbrechen gehe, sollten die USA mit Irak, Libyen und dem Jemen beginnen. Im Klartext: “Wir werden noch sehen, wer vor einem Kriegsverbrechertribunal stehen wird.”

Was die Militärbasen angeht, hat der Kreml es sich nicht nehmen lassen, den König öffentlich zu trollen:

“Die internationale Lage – sie ist nicht statisch, sie ist recht beweglich. Sie sehen, was die letzten beiden Jahre alles an erheblichen Korrekturen in die internationalen Angelegenheiten und in das System der internationalen Sicherheit eingebracht haben. Deswegen, natürlich, werten alle Länder diese Änderungen aus, in Übereinstimmung mit ihren nationalen Interessen, und unternehmen dann entsprechende Schritte in der Richtung, die sie für nötig halten”, sagte [Kremlsprecher] Peskow den Journalisten.

Übersetzung von mir. Herzog Russland demütigt den König. Der Kreml spricht offen darüber, wie die Welt sich umorientiert angesichts der königlichen Schwäche, wie sich die Vasallen des Königs und andere, die es hätten werden können, nach neuen Herren und Freunden umschauen.

Hören wir uns an, was am gleichen Tag der Pressesprecher des Weißen Hauses über Russlands neue Militärbasen zu sagen hat:

Q A senior military official in Russia said that the country is considering reestablishing its presence in Cuba and Vietnam, and going back to some of the bases from the Cold War era. Do you have any reaction to that?

MR. SCHULTZ: Toluse, I haven’t seen those comments. Obviously, our relationship with Russia right now is one that remains complicated. Obviously, there are areas where we disagree, and there’s areas where we’ve still been able to put those disagreements aside and work together. Generally speaking, we believe that we can work together when we have joint goals. And unfortunately, in recent times, Russia has not been able to live up to the commitments that they’ve made — whether that’s in Syria, whether that’s in Ukraine, or elsewhere around the world.

So we’ve been disappointed and concerned by Russia not living up to their word, but that something they’re going to have to answer for.

Von den Militärbasen will er noch nichts gehört haben. Mit Russland habe man seine Differenzen, könne anderswo aber auch zusammenarbeiten. Man ist “enttäuscht” von Russland. Der König ist enttäuscht. Nicht wütend, nicht verärgert, nicht kampfeslustig, nein, der König ist enttäuscht. Der König ist müde.

Am 7. Oktober wird bereits angekündigt, was am 8. Oktober in einer UN-Versammlung passieren wird. Frankreich hat die Initiative übernommen und eine Syrien-Resolution vorbereitet. Inhalt: totale Flugverbotszone über Aleppo, Waffenstillstand, Strafen für diejenigen, die die Resolution verletzen. Frankreichs Außenminister Ayrault ist am 6. Oktober extra nach Moskau gereist, um bei Lawrow vorstellig zu werden, ist dann in die USA gehetzt, um Lawrows Botschaft an die USA zu überbringen. Kerrys markige Worte, die nur für Zombies gedacht waren, wurden übrigens während Ayraults Besuch bei Kerry abgegeben. Direkt neben dem Vasallen stehend wollte der König ein wenig Stärke für die Zombies demonstrieren, aber was von dieser Stärke im Versammlungssaal des Königs übrig geblieben war, haben wir oben schon durchgekaut.

In Moskau hat Lawrow dem Franzosen gesagt, dass seine Bedingungen nicht akzeptabel sind und dass Russland eine eigene Resolution einbringen wird, wenn Frankreich nicht ein paar Korrekturen vornimmt. Die russische Resolution beinhaltet de Misturas Vorschlag, die Nusra-Terroristen aus Aleppo raus zu lassen und den Aufruf, den US-russischen Syrien-Deal vom 9. September einzuhalten. Frankreich hat nicht nachgebessert und erwartungsgemäß wurden beide Resolutionen mit Veto-Stimmen geblockt. Wozu das französische Theater gut war, zeigte sich am 9. Oktober (wir durchbrechen an dieser Stelle die Chronologie und greifen vor), als der französische Außenminister forderte, das Veto-Recht einzuschränken. “Wir waren uns bewusst, was Russland vorhatte, dass es vom Veto-Recht Gebrauch machen wird”, sagte er der Presse. Eine Provokation also. Mit dem Ziel, den US-Wunsch nach einem eingeschränkten Veto-Recht der ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates noch mal vorzutragen. Es ist bemerkenswert, dass ausgerechnet Frankreich so energisch den USA beispringt. Der tiefere Grund für das frnzösische Theater ist vermutlich eine situative Arbeitsteilung der EU 2.0 – Deutschland schmiegt sich an Russland an und Frankreich an die USA. Man muss schließlich beide Seiten besänftigen, damit nicht schlimmeres passiert.

Der tschechische Präsident sagt am 8. Oktober, dass er in Syrien keine gemäßigte Opposition erkennen kann, sondern nur Islamisten-Gruppen. Außerdem sei nur Russland in Syrien legal im Einsatz, auf Einladung der syrischen Regierung. Die USA habe dort niemand eingeladen. Noch ein Vasall rückt vom König ab.

Am 8. Oktober wird vermeldet, dass ein US-Senator neue Sanktionen gegen Russland durchsetzen will. Naja. Mit dieser Initiative läuft der Senator spätestens seit dem 10. Juli herum. Das ist also nichts Neues, da wittert nur jemand seine Chance, die eigene Idee, die schon seit Monaten nicht gutgeheißen wird, doch noch aufleben zu lassen in der derzeit heißen geopolitischen Phase. Was das offizielle Weiße Haus von Sanktionen hält, hatten wir oben schon. Warum reden wir also noch mal über diese Belanglosigkeit? Weil es noch mal zeigt, dass die reale politische Lage im Versammlungssaal des Königs und das Zerrbild, das auf die Bildschirme der Zombies projiziert wird, nichts miteinander zu tun haben. Während der König aktiv gegen antirussische Sanktionen arbeitet, lässt man die Zombies glauben, dass die USA bald – ganz gewiss! – neue Sanktionen gegen Russland verhängen werden.

Russland bestätigt am 8. Oktober die Verlegung von Iskander-Raketen nach Kaliningrad. Das seien mobile Einheiten, die im Rahmen von Übungen ständig in ganz Russland verlegt werden. Kaliningrad sei da keine Ausnahme. Iskander-Raketen haben eine Reichweite von 500 km und sind auf die Zerstötung der feindlichen Luftverteidigung spezialisiert. In Kaliningrad werden sie natürlich auf die neue US-Raketenabwehr gerichtet sein, die in Polen stationiert ist. In Polen ist man besorgt darüber. Russland reagiert damit auch auf die oben erwähnten Militärübungen der USA. Der US-Raketenschild in Osteuropa wird im Fall eines Krieges eine wichtige Rolle spielen. Russland zeigt sich für alles bereit.

Am 10. Oktober unterschreiben Russland und Türkei den Vertrag zum Bau von Türkisch Stream. Geplant sind zwei Leitungen mit jeweils 15 Milliarden Kubikmeter Leitungskapazität. Eine Leitung ist für die Türkei, die andere für den Weitertransport in die EU, mit Anschluss in Griechenland. Fertigstellung: Ende 2019. Nur zur Erinnerung: Ende 2019 laufen die russischen Gastransitverträge mit der Ukraine aus. Es ist noch kein Jahr her, da schien Türkisch Stream für immer tot. So schnell kann es gehen. So schnell verändert sich gerade die Welt.

Am 10. Oktober fährt das Flaggschiff der 6. US-Flotte ins Schwarze Meer ein. Sowas machen die USA seit 2014 mehrmals jährlich, das ist jetzt also keine besondere Provokation. Aber immerhin ein Lebenszeichen.

Am 10. Oktober wird in Russland die Information geleakt, dass Russland mit Ägypten über die Wiedererrichtung einer sowjetischen Militärbasis verhandelt. Als Grund wird die Stabilisierung der nordafrikanischen Region genannt, speziell Libyen. Russland bereitet sich vor, das von den USA hinterlassene Chaos aufzuräumen.

Am 11. Oktober sagt Putin seine anstehende Visite bei Frankreichs Präsident Hollande ab. Das ist eine lustige Geschichte. Der Besuch wird schon länger vorbereitet, auf dem Programm standen viele Programmpunkte, darunter einiges an Kulturprogramm. Nachdem Frankreich seine Provokation in der UN mit der Syrien-Resolution abgewickelt hat, hat Hollande eine Duftmarke setzen wollen und sämtliches Kulturprogramm von der Tagesordnung gestrichen und nur die Syriengespräche drin gelassen. Russland hat daraufhin das Treffen schulterzuckend abgesagt. Die Duftmarke ist ins Leere gegangen und verpufft jetzt in der Luft. Russland lässt nicht mehr mit sich spielen. Alle Provokationen werden umgehend beantwortet. Hollandes pseudo-Duftmarke war reines Schauspiel, vermutlich sogar mit dem Kreml abgesprochen. Nur als Schauspiel macht dieses Spielchen Sinn. Den Zombies zeigen, dass der König nicht allein ist, das war der Zweck der Übung. Im Verammlungssaal des Königs herrscht eine andere Realität, eine absolut unzweideutige Realität.

Am 11. Oktober gibt es nach der Wochenendpause endlich wieder eine Pressekonferenz des US-Außenministeriums. Gleich am Anfang wird es witzig:

MR KIRBY: Afternoon. I have nothing at the top.

QUESTION: Really?

MR KIRBY: Really. Happy Tuesday.

QUESTION: No big announcements, huh?

MR KIRBY: No big announcements.

Kirby hat nach dem Wochenende keine Ansagen zu machen. “Wirklich?”, fragt ein Journalist ungläubig. Die Pressebarone des Königs haben erwartet, dass der König das Wochenende genutzt hat, um zum großen Schlag auszuholen und Russland endlich die Fresse zu polieren. Aber… “Keine großen Ankündigungen”, wie Kirby sagt.

Mehr möchte ich aus dieser Pressekonferenz nicht zitieren. Die USA krallen sich weiter an Aleppo fest und Kirby bringt die Welt mit der Anwendung von US-Logik zum lachen. Wir hatten das alles schon zur Genüge in diesem Beitrag.

Am 12. Oktober testet Russland im Rahmen von Militärübungen drei Interkontinentalraketen. Eine wird vom Land abgefeuert, zwei von U-Booten aus. Das US-Militär hat die Antwort auf den Abwurf ihrer Raketenattrappen bekommen.

Am 12. Oktober gibt der König wieder eine Audienz für seine Pressebarone (Pressekonferenz des US-Außenministeriums). An diesem Tag ist die Hoffnung aus den Fragen der Pressebarone verschwunden. Sie beißen den König mit den Worten: “Bist du schwach? Du bist schwach, König!” An diesem Tag beobachten wir den Bruch im Lager des Königs. Die Pressebarone erwarten nicht mehr, dass der König noch mal Stärke zeigt. Und der König zeigt auch keine Stärke. Kirby bietet ein jämmerliches Schauspiel. Er ist nicht darum zu beneiden, den gefallenen König als noch stehend mimen zu müssen. Es gelingt nicht. Lesen Sie selbst, wenn Sie mögen. Der König ist gefallen.

Abschließen möchte ich diese sehr umfassend gewordene Rundschau mit dem, was Lawrow am 9. Oktober gesagt hat (offizielle Übersetzung des russischen Außenministeriums):

Frage: Sie erwähnten, die Amerikaner fühlen sich gekränkt. Aber wie ist die Natur dieser Gekränktheit? Denn Amerika ist nach Auffassung vieler Menschen zwar ein scheidender Hegemon, aber immerhin Hegemon. Sie sind wirtschaftlich und militärisch unheimlich stark. Warum fühlen sie sich denn gekränkt?

Sergej Lawrow: Da könnte es etwas Persönliches geben. Irgendein Politiker kann ein inneres Gefühl haben, dass Amerika etwas falsch macht oder versucht, alles richtig zu machen, schafft das aber nicht. Dann entsteht das Gefühl, dass die eigene Allmächtigkeit allmählich verschwindet. Das kann ich verstehen – das ist ein schmerzhafter Prozess. Der Westen hatte immerhin jahrhundertelang die Welt beherrscht. Zwar gab es die Sowjetunion, aber das war aus historischer Sicht eine relativ kurzfristige Episode. Zwar geografisch ziemlich verbreitet auf dem europäischen Kontinent und in einigen anderen Teilen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas, aber das war eine geschlossene Welt, die vom globalen Prozess isoliert blieb. Dann war diese Anomalie (dass wir eine geschlossene Gesellschaft waren, war immerhin anomal) vorbei, und alle dachten, jetzt wäre Russland kleiner geworden und würde jetzt seine „natürliche“ Größe haben, und alles würde wieder „normal“ sein. Der Westen würde seine Regeln bestimmen, wie das seit dem 16. bzw. 17. Jahrhundert typisch war, und die ganze Welt würde ihm gehorchen. Doch der Westen lag damit falsch. Möglicherweise glaubte man einfach, Russland würde nach dem Jahr 1992 quasi ihm gehören, doch das war nicht so. Wir wollten, dass unser Land selbstständig wird und ein würdiges Leben führt, so dass wir darauf stolz sein können. Wie Präsident Putin vor einigen Tagen in der Staatsduma sagte, ist unser Land berechtigt, stark zu sein ohne aber das Recht anderer Länder abzuerkennen, stark zu sein, und ohne anderen zu sagen, wie sie sich zu benehmen haben.

Eine interessante Darlegung. Und ein klares Signal. Ein sehr klares Signal. Lawrow ist ein Spitzendiplomat, der in der Wahl seiner Worte nichts dem Zufall überlässt. Die unipolare Welt mit dem Westen an der Spitze ist Geschichte. Und zwar so richtig Geschichte. Nicht so wie mit der Sowjetunion, als diese unabhängig vom Westen, aber abgekapselt von der Welt war. Jetzt hat sich Russland unabhängig gemacht und hat sich dabei nicht isolieren lassen. Damit ist ein zweiter Pol entstanden, den der Westen nicht verrücken kann. Und Lawrow kündigt gleich an, dass Russland nicht vor hat, den Platz des gefallenen Königs einzunehmen. Russland bittet die Welt an einen runden Tisch, an dem mehrere starke Partner sitzen, die einander keine Befehle erteilen. Das ist die multipolare Welt. Herzog Russland hat sie offiziell verkündet.

Wir haben uns die Geburtsstunde der multipolaren Welt angeschaut, indem wir uns der Zombiepropaganda entzogen und direkt in den Versammlungssaal des Königs geschaut haben. Wir haben den Sturz des Königs und die Geburt der multipolaren Welt gesehen. Die Geburtsstunde ist nicht der Anfang. Wenn ein Kind geboren wird, hat es bereits eine Entwicklung im Leib der Mutter durchlaufen. Es ist dort gewachsen, es hat sich schon bewegt und diese Bewegungen waren von außen mit bloßem Auge sichtbar. So auch in der Weltpolitik. Russlands Rückkehr auf die politische Bühne und der Übergang von der US-Hegemonie zur moltipolaren Welt kündigten sich seit Jahren an. Mit der Geburt ist auch nichts beendet. Ganz im Gegenteil, jetzt beginnt eine lange Entwicklung, in der das Neugeborene wächst und seine Persönlichkeit entfaltet. Diese Entwicklung steht uns bevor und sie kann unterschiedlich verlaufen. Wir werden Schreie, blaue Flecken, abgeschürfte Knie und ab und zu auch gebrochene Knochen erleben. Und wir können nicht wissen, wie die Welt in 50 Jahren aussehen wird, welche Persönlichkeit sie haben wird. Es hängt stark davon ab, wie wir das Kind erziehen. Auf uns wartet tägliche, mühsame Arbeit, von der abhängen wird, was aus unserer neugeborenen multipolaren Welt wird.

Herzlich willkommen in der multipolaren Welt.

___________

Nachtrag, 13.10.2016:

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Der König hat sich nicht in Luft aufgelöst. Er ist noch immer da und er hat noch immer sein Schwert. Er ist nicht mehr stark genug, um König zu sein, aber er ist stark genug, um ein großes Blutbad anzurichten. Die Weltgemeinschaft muss zusehen, dass sie den König ganz schnell an den runden Tisch setzt. Auf keinen Fall darf man den König jetzt allein lassen mit seiner Depression. Deswegen schätze ich Hollandes Manöver als sehr wichtig ein. So muss das auch weitergehen, bis der König mit allen am Tisch sitzt und in die neue Weltordnung einwilligt, die auch erst ausverhandelt werden will. Russland hat die heißen Themen bereits auf den Verhandlungstisch gelegt.

Wir sind nicht in einer Phase der Stabilität angelangt, noch gar nicht. Im Gegensatz, die Welt ist jetzt besonders instabil, nachdem die alte Ordnung eingestürzt ist und die neue noch nicht da ist. Das ist die gefährlichste Zeit.

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Syrien: Die Masken sind gefallen

Die USA haben in Syrien das Kriegsbeil wieder ausgegraben. Nachdem Russland gedroht hat, die geheimen Verträge zu veröffentlichen, sind die USA vorgeprescht und haben Teile des Vertrags öffentlich gemacht, um damit Russlands teuflische Natur zu beweisen. Eine Einladung für Russland, seinerseits den kompletten Text offen zu legen. Was war von dieser Veröffentlichung erwartet worden:

Wenn alle sehen, wozu sich die USA gegenüber Russland im Detail verpflichtet haben, sehen alle, wie weit die USA bereits vom Olymp herabgekullert sind. Die USA haben von Russland das Bild des Teufels gezeichnet, dessen Wirtschaft in Fetzen gerissen ist. Wenn die USA sich nun verpflichtet haben, ihre geheimdienstlichen Quellen für Russland sprechen zu lassen, ihre Flüge an Russland zu melden und sich für dies und jenes erst eine Zustimmung von Russland einholen zu lassen… (…) Nun, das alles wird nicht gerade als Zeichen von Stärke gedeutet werden.

Genau das hat das Dokument aufgedeckt. Die USA haben sich verpflichtet, IS und Nusra in Zusammenarbeit mit Russland auszulöschen und sie haben sich diesbezüglich auf eine Reihe von sehr konkreten Schritten verpflichten lassen. Darunter der Austausch aller verfügbaren Geheimdienstinformationen über die Positionen der Terroristen, ihrer Waffenlager, Stäbe, Versorgungsrouten usw. Darunter das Erstellen einer gemeinsamen Karte, auf der Russland und USA die Regionen eintragen, in denen Nusra konzentriert ist. Diese Arbeit sollte im Rahmen eines gemeinsamen Ausführungszentrums bis zum siebten Tag der Waffenruhe vollzogen werden, damit ab dem achten Tag der Waffenruhe Russland und USA gemeinsam und koordiniert mit der Zerbombung der eingetragenen terroristischen Ziele beginnen sollten. Genau dazu haben sich die USA vertraglich verpflichtet, Kerry hat im Namen der USA seine Unterschrift unter das Dokument gesetzt.

Die gemeinsamen Luftschläge sollten koordiniert erfolgen. Beide Seiten müssen sich die gegenseitig erarbeiteten Ziele bestätigen. Es dürfen keine anderen Flugzeuge oder Hubschrauber über den betroffenen Regionen in der Luft sein (auch nicht syrische) außer denjenigen, die im Rahmen des Vertrages Angriffe auf Nusra und IS fliegen. Das wäre praktisch eine beschränkte Flugverbotszone, allerdings nicht unter alleiniger US-Kontrolle. Das hat sich die Kriegstreiberfraktion anders vorgestellt.

Das große Problem für die USA bei all diesem Vorgehen ist neben vielen anderen Aspekten die Offenheit des Prozesses. Erfassung der Ziele und ihre Zerstörung müssen laut Dokument ausschließlich mit gegenseitiger Zustimmung erfolgen. Nicht miteinander abgestimmte Ziele dürfen laut Vertrag nicht angegriffen werden. Die USA wären nicht mehr in der Lage, einfach mal eine Stellung der syrischen Armee dem Erdboden gleich zu machen und dann alles auf einen unglücklichen Zufall zu schieben. Die gegenseitige Kontrolle hätte solche Zufälle ausgeschlossen. Der böse Wille hätte sich offenbart und wäre nicht mehr schön zu reden, nicht mal gegenüber den Zombies. Dieser Vertrag ist böse, denn er nimmt das Böse in die Klemme!

Die Arbeit zur Erfassung und Zerstörung von terroristischen Zielen sollte ununterbrochen sein. Außerdem sollte ein Monitoring über die Effektivität der Angriffsoperationen durchgeführt werden. Schlecht für die USA, in jeglicher Hinsicht. Sie hätten enthüllen müssen, wie effektiv oder ineffektiv sie sind, sie hätten eingestehen müssen, wie effektiv oder ineffektiv Russland ist. Dem Gerede von dummen russischen Bomben wäre ein schnelles Ende bereitet worden. Düstere Aussichten im Propaganda-Krieg auf allen Fronten.

Der Vertrag regelt außerdem die Modalitäten der Waffenruhe. Was müssen syrische Armee und Rebellen wie weit von welchen Orten und Straßen abziehen. Wie ist die Durchfahrt der Hilfskonvois geregelt. Unter welchen Bedingungen dürfen Rebellen Aleppo ungestört verlassen.

Der Vertrag vom 9. September regelte die Zerstörung von Nusra und IS. Es ist ein sehr korrekter Vertrag, der den größtmöglichen Schutz von Unbeteiligten und eine effektive Liquidierung von Terroristen garantiert. Genau das macht den Vertrag so schmerzhaft für die USA. Er widerspricht ihren Zielen.

Laut Vertrag mussten die Vorbereitungen für die Bildung des gemeinsamen Ausführungszentrums vom ersten Tag der Waffenruhe an beginnen. Nach Ablauf von einer Woche sollte das Ausführungszentrum schon arbeitsbereit sein, so dass unmittelbar mit gemeinsamen Luftschlägen gegen Nusra begonnen werden konnte. Wir erinnern uns dagegen, wie Pentagon-Vertreter am fünften Tag der Waffenruhe die Nase rümpften und der Welt verkündeten, dass sie sich nicht sicher seien, ob sie Lust hätten, die Vereinbarungen zu erfüllen. Das war Befehlsverweigerung und Vertragsbruch in einem.

Die geduldige Arbeit der russischen Diplomaten hat die USA nicht gezwungen, gegen den Terrorismus zu kämpfen. Aber diese Arbeit hat den USA die Maske vom Gesicht gezerrt. Der “Krieg gegen den Terror” entpuppt sich nunmehr ganz offiziell als Unterstützung des Terrors. Natürlich hat es schon jeder vorher wissen können. Jetzt werden es auch viele erkennen, die es gar nicht wissen wollten und die an das Gute in den USA glaubten. Es sterben nicht nur Menschen in Syrien, es stirbt auch der Heiligenschein der USA, der in mühsamer jahrzehntelanger Propaganda in die Gehirne der Menschheit eingebrannt wurde. Ein schwerwiegender strategischer Verlust.

Der schwere Luftangriff der USA auf die syrische Armee kurz vor Ablauf der Wochenfrist hat die Gemüter hochkochen lassen, war aber nicht genug, um den Vertrag zu kippen. Welch glücklicher Zufall, dass in der Nacht zum 20. September ein UN-Hilfskonvoi zerstört wurde. Am 12. September begann die einwöchige Waffenruhe, am 19. September war eine Woche verstrichen, am 20. September hätte die gemeinsame Arbeit zur Vernichtung der Nusra beginnen müssen.

Stattdessen wurde ein Hilfskonvoi zerstört und die Westpresse füllte den gesamten Planeten mit wilden Anschuldigungen gegenüber Russland. In diesem Lärm ließ man den Vertrag vom 9. September und seine Nichterfüllung durch die USA untergehen.

Was die Zerstörung des Hilfskonvois angeht, hat die westliche Presse Russland beschuldigt, es mit seiner Luftwaffe zerbombt zu haben. Russland hat das dementiert. Die USA lieferten wie üblich keine Beweise. Von russischer Seite hat sich das Verteidigungsministerium zu Wort gemeldet und mehrere Beweisstücke vorgelegt.

Zuerst ein Video, welches zeigt, dass neben dem Konvoi ein Minenwerfer der Rebellen vorbeifuhr:

Und kurze Zeit später präsentierte das russische Verteidigungsministerium Beweise dafür, dass eine US-Kampfdrohne vom Typ Predator zum Zeitpunkt der Zerstörung des Konvois über dem Tatort kreiste:

Russland weiss sicherlich viel mehr, als es verrät. Und Russland verrät nur so viel, wie zu Verteidigungszwecken im Informationskrieg notwendig ist. Was übrigens ein Beispiel dafür ist, wie Russland den USA hilfsbereit unter die Arme greift, um für einen möglichst sanften Fall des Hegemons zu sorgen. Ungeachtet all der Gülle, die über Russland ausgeschüttet wird und ungeachtet all der vorhandenen Beweise, die Russland auf die USA loslassen könnte, beschränkt sich Russland auf gerade so viele kleine Andeutungen, um klar zu machen, dass Russland nicht schuld ist. Die Frage, wer dann Schuld hat, lässt Russland freundlicherweise offen.

Nehmen wir das erste Video, das den Minenwerfer am Konvoi zeigt. Erstens sind die USA dafür verantwortlich zu machen, dass ihre Rebellen Kriegsgerät im Schutz des Konvois transportieren. Zweitens darf man sich fragen, warum zum Teufel der Hilfskonvoi nachts unterwegs ist, in einem Kriegsgebiet mit brüchiger Waffenruhe. Nachts sieht man nicht, ob das ein UN-Laster ist oder ein weiterer Laster aus der Türkei, der Nachschub für Nusra nach Aleppo bringt. Und wenn Minenwerfer der Rebellen als Eskorte dabei sind, erscheint ein Hilfskonvoi nicht gerade wahrscheinlich. Der Angriff könnte demnach gut und gerne von der syrischen Artillerie vollzogen worden sein, in der plausiblen Annahme, dass die Rebellen wie gewohnt auf die Waffenruhe scheißen und Kriegsgerät und Munition nach Aleppo einführen. Wem wäre die Schuld in diesem Fall anzulasten? Der syrischen Armee, die geschossen hat? Oder den USA, die ihre Rebellen provozierend unmittelbar am Hilfskonvoi platzierten? Oder der UN, die ihren Konvoi nachts losgeschickt hat?

Die Sache mit dem Predator ist noch direkter. Eine Kampfdrohne der USA direkt über dem Tatort. Der Beweis wird nicht von einer unverbindlichen Presse mit ihren nicht genannten Quellen präsentiert, sondern verbindlich vom russischen Verteidigungsministerium vorgetragen. Haben die USA dementiert, dass ihre Predator-Drohne dort war? Mir ist kein Dementi untergekommen, aber vielleicht hat es eins gegeben. Wenn nicht, gibt das wirklich zu deken.

In jedem Fall wählt Russland seine Beweise so, dass die Schuld von Russland oder Assad sehr in Zeifel gezogen wird, aber gleichzeitig die USA nicht direkt beschuldigt werden. Selbst im Fall der Drohne behauptet der Sprecher nicht, dass sie auf den Konvoi geschossen hat und sagt explizit, dass er das nicht behauptet. Die USA mögen sich bitte selbst dazu äußern.

Naja, man weiss nie, wofür harte Beweise noch gut sein werden. Man kann sie gegen etwas eintauschen oder sie für einen Notfall aufbewahren. Im Moment ist kein Notfall. Die USA tun selbst mehr als genug, um ihr wahres Gesicht zu zeigen.

So etwa am 27. September, auf der täglichen Pressekonferenz des US-Außenministeriums:

QUESTION: A Reuters article – co-authored by Arshad, by the way – cites U.S. officials who believe the Gulf states may soon begin to arm Syrian rebels with MANPADs to shoot down aircraft. One U.S. official was quoted as saying, “The Saudis have always thought that the way to get the Russians to back off is what worked in Afghanistan 30 years ago: negating their air power by giving MANPADS to the Mujahideen,” end quote. About two weeks ago, U.S.-backed rebels drove U.S. Special Forces out of the town of Al-Rai, shouting, “Infidels, crusaders, dogs, pigs” at them – their words. In light of the fact that some rebels are quite openly anti-American, are you worried that these MANPADS could one day be used to shoot down U.S. planes?

MR TONER: So first of all, I’m not going to confirm what anonymous U.S. officials may or may not have said. I think I’ll just answer your question more broadly by saying that we cannot dictate what other countries – and I’m not naming names – but may or may not decide to do in terms of supporting certain groups within Syria.

Reuters hat also vermeldet, dass Golfstaaten die Lage in Syrien eskalieren wollen, indem sie die Rebellen mit leistungsfähigen tragbaren Luftabwehrsystemen ausstatten. Diese haben sich im Afghanistan-Krieg als sehr effektiv gegen die Sowjetunion erwiesen und das Kalkül ist, diese Taktik zu wiederholen und Russland damit große Verluste zuzufügen. Der Sprecher will das nur so weit kommentieren, dass die USA ihren Partnern nicht vorschreiben, was sie nach Syrien liefern. Aus dem diplomatischen übersetzt: “Hey, ihr Golfstaaten, jetzt dürft ihr an eure Terroristen liefern was ihr wollt, unser Verbot auf die Lieferung von Manpads ist aufgehoben”. Er hätte auch sagen können, dass das US-Außenministerium solche Schritte nicht begrüßen würde, weil sie nur zu einer Eskalation der Lage führen und man sich doch einig sei, den Konflikt politisch zu lösen. Das hat er aber nicht gesagt.

Es wird interessant sein zu beobachten, ob die Golfstaaten sich hinreißen lassen. Sie alle haben im letzten Jahr sicher nicht umsonst etliche male bei Putin auf der Matte gestanden. Ägypten ist schon zu sehr auf Russlands Seite. Die Türkei hat sich auch von den USA abgewandt und sich an Russland angelehnt. Saudi-Arabien hat mit Russland am 28. September einen Deal zur Eindämmung der Ölproduktion vereinbart. Ebenfalls am 28. September hat der US-Senat bewilligt, dass Saudi-Arabien von US-Bürgern wegen des 11. Septembers verklagt werden kann. Damit haben die USA Saudi-Arabien zum Abschuss freigegeben. Die Beziehungen zwischen USA und Saudi-Arabien verschlechtern sich seit geraumer Zeit so sehr, dass es der Öffentlichkeit nicht verborgen bleiben kann. Ob Saudi-Arabien unter diesen Umständen der Aufforderung der USA folgt, sich gegen Russland zu wenden? Insbesondere in einer Situation, wo Saudi-Arabien sich im Krieg gegen den Jemen verzockt hat und dort von Russland und Iran an den Eiern gehalten wird? Blieben noch die kleinen Golfstaaten. Werden sie im Alleingang gegen Russland angehen und Manpads nach Syrien schicken?

Wenn man sich den heutigen Nahen Osten betrachtet, stellt man fest, dass alle großen Spieler auf die ein oder andere Weise von Russland abhängig (geworden) sind und es sich nicht leisten können, Russland zu verärgern. Wozu der Abschuss eines einzigen Flugzeugs führen kann, wurde am Beispiel der Türkei eindrucksvoll demonstriert. Das bedeutet nicht, dass alles schon geregelt ist. Aber die Erlaubnis der USA, Manpads nach Syrien zu liefern, wird ein guter Indikator dafür sein, wie viel Einfluss die USA im Nahen Osten noch haben.

Der Journalist sagte noch etwas erwähnenswertes: “U.S.-backed rebels drove U.S. Special Forces out of the town of Al-Rai, shouting, ‘Infidels, crusaders, dogs, pigs’ at them”. Nicht irgendwelche saudischen oder katarischen Rebellen, sondern die hauseigenen Rebellen der USA haben US-Spezialkräfte beschimpft und vertrieben. Die Zustimmung im Lager der eigenen Rebellen sinkt offenbar. Die oben beschriebene Veröffentlichung des US-Russland-Deals, in dem die USA sich offiziell verpflichtet haben, ihre Rebellen unter Moskaus Kontrolle abzuschlachten, wird ihren Teil dazu beitragen, dass die Rebellen in Syrien das Vertrauen in ihren Paten weiter verlieren.

Am 28. September dann, mit Kirby als Sprecher, wurde das US-Außenministerium noch deutlicher:

QUESTION: (…) But what I don’t think we have heard here is, so what are the consequences for Russia if this agreement falls through beyond some interagency discussions about options that have not yet been chosen? What are the consequences for Russia other than Secretary Kerry won’t talk to them on this particular issue going forward?

MR KIRBY: The consequences are that the civil war will continue in Syria, that extremists and extremists groups will continue to exploit the vacuums that are there in Syria to expand their operations, which will include, no question, attacks against Russian interests, perhaps even Russian cities, and Russia will continue to send troops home in body bags, and they will continue to lose resources – even, perhaps, more aircraft. The stability that they claim they seek in Syria will be ever more elusive, and it’s hard to imagine how a continued war – not just a civil war now, but increasingly more violent extremist activity in Syria – can be in the interest of a nation that says, that claims, and has claimed publicly time and time again that what they want to see is a whole, unified, pluralistic Syria and a stable Syria, a secure Syria, a Syria where they want to continue to have a defense relationship and a presence. So that’s what’s in it for them.

Die Frage war, welche Konsequenzen Russland drohen, wenn der Vertrag vom 9. September scheitert. Dazu sagt Kirby, der Sprecher:

Die Konsequenzen sind, dass der Bürgerkrieg in Syrien weitergehen wird, dass Extremisten und Extremistengruppen das Machtvakuum in Syrien nutzen werden, um ihre Operationen auszuweiten. Das wird fraglos Angriffe gegen russische Interessen einschließen, möglicherweise sogar gegen russische Städte. Russland wird weiter Soldaten in Leichensäcken nach Hause schicken und sie werden weiter Ressourcen verlieren, vielleicht sogar mehr Flugzeuge. Die Stabilität, die sie in Syrien angeblich bewirkt haben, wird sich noch mehr als Illusion erweisen, und es ist schwer vorstellbar, wie die Fortsetzung des Krieges, jetzt nicht mehr nur des Bürgerkrieges, sondern zunehmend von gewalttätiger extremistischer Aktivität in Syrien, wie das im Interesse einer Nation sein kann, die behauptet, und immer wieder öffentlich behauptet hat, dass sie ein vereintes pluralistisches und stabiles Syrien anstreben, ein sicheres Syrien, ein Syrien, in dem sie weiter militärisch präsent sein wollen und mit dem sie eine militärische Zusammenarbeit pflegen wollen. Das ist für sie drin.

Die Übersetzung ist von mir. Das Zitat muss man sich mehrmals auf der Zunge zergehen lassen, da steckt sehr viel drin. Kirby kündigt da im Namen des US-Außenministeriums die Fortsetzung des Krieges in Syrien an. Er weiss, was die Rebellen tun werden, er kündigt es an. Er weiss, was die USA tun werden, er kündigt es an. Sie werden den Krieg nicht zu verhindern suchen. Und die Rebellen werden ihre terroristische Aktivität vermehren. Woher kann er das wissen? Woher kann er wissen, dass die Rebellen den notwendigen Nachschub an Waffen, Munition und Personal bekommen werden, um ihren Krieg zu intensivieren? Er weiss es eben. Er weiss sogar, dass die Rebellen Russland angreifen werden. Russische Flugzeuge (eine Ergänzung zur Pressekonferenz vom Vortag, wo Manpads für die Terroristen angekündigt wurden), aber auch russische Städte! Kirby, der ehemalige Admiral, hat seinen Terroristen den Befehl erteilt, russische Soldaten, Flugzeuge und sogar russische Städte anzugreifen.

Erinnern Sie sich, wie US-Verteidigungsminister Carter zu Beginn der russischen Operation in Syrien russisches Blut angekündigt hat? Kurz darauf wurde ein russisches Passagierflugzeug in der Luft gesprengt. Das US-Außenministerium geht jetzt noch weiter, ist noch konkreter in seinen Drohungen. Selbst das Mindestmaß an diplomatischer Höflichkeit ist über Bord geworfen worden. Wie soll man das in Worte fassen? Der Dämon kreischt hysterisch, verliert die Fassung. So kann man keine Seelen einfangen, aber der Dämon ist so sehr im Überlebenskampf verstrickt, dass er seine Maske der Verführung nicht mehr aufrecht erhalten kann und sein wahres Gesicht zeigt. Ich weiss nicht, wie man das sonst beschreiben soll. Wie soll man eine komplett von Moral und Ethik befreite Aggressivität beschreiben, die nicht mal mehr mit dem Anschein moralischen Handelns verdeckt wird? Wir reden hier nicht von normalen Menschen, die ihren Emotionen freien Lauf lassen, wir reden vom Außenministerium der Weltmacht, von Spitzendiplomaten. Solche Entgleisungen dürfen einfach nicht passieren. Aber sie passieren, wiederholt.

Die Journalisten konnten ihren Ohren auch nicht glauben und haben noch mal nachgehackt, wie Kirby das gemeint hatte. Aber er hatte das genau so gemeint, wie er es gesagt hatte und wiederholte es noch mal:

MR KIRBY: Well, again, those are decisions they have to make as a sovereign country. My point is the question was what’s in it for them to comply with this – what’s in it for them to meet their obligations, to move forward with a JIC, and get the cooperation that they want? What’s in it for them in terms of – or what happens to them if they don’t do that is that they’ll end up being, yeah, more deeply involved in this, and the war won’t stop. Opposition groups are certainly not going to pull back, extremist groups are likely going to expand and take advantage of the chaos, and the war will continue. And more Russian resources will be expended, more Russian lives will be lost, more Russian aircraft will be shot down, and they – and this will go on.

(…)

MR KIRBY: — we have – the policy is we continue to support a diplomatic solution to this rather than a military one. But that doesn’t mean that as a government – and certainly, I can only speak for the State Department and Secretary Kerry – that we – that doesn’t mean that we aren’t still discussing other options and alternatives that might be available to us. It’s just that we continue to believe that none of them are better than trying to get a diplomatic solution to this. Obviously it’s been elusive, and it has been extraordinarily frustrating to see it be so elusive, which is why the Secretary made this phone call to Foreign Minister Lavrov today. But I’m not going to speculate about if, then what, and what might happen going forward.

Moscow has a decision to make. They have had many decisions to make over many, many months, of course, but right now they have a decision to make, and the Secretary laid that decision before them.

Noch mal die gleichen Drohungen. Moskau soll sich fügen. Das US-Außenministerium ist nicht auf diplomatische Lösungen versteift und kann auch anders. Wie, hat Kirby ja schon zwei mal erläutert. Mehr Krieg in Syrien und Terror gegen Russland, selbst auf russischem Territorium.

Russlands Top-Diplomaten werfen den USA inzwischen offen die Unterstützung von Terrorismus vor. Das ist eine Zeitenwende. Selbstverständlich haben alle schon immer gewusst, wer wen unterstützt, aber zur Politik gehört ein Schauspiel, in dem viele Dinge nicht offen ausgesprochen werden dürfen. Offiziell hat Russland den USA immer Hilfe im Anti-Terror-Krieg angeboten. Dem bisherigen diplomatischen Wortlaut nach haben die USA also den Terror bekämpft und alle Welt hat sich angeboten, dabei zu helfen. Die Beendigung dieses Theaters ist keine Nebensächlichkeit, das ist ein politisches und diplomatisches Erdbeben. Wir sind an dem Moment angelangt, wo der Ruf “Der König ist nackt!” erschallt. Alle haben es vorher schon gesehen, aber niemand wagte es auszusprechen und weil es niemand auszusprechen wagte, mussten alle so tun, als ob alles anders wäre.

Russlands Verteidigungsministerium hat m 29. September geantwortet:

Das russische Verteidigungsministerium kommentiert den Auftritt des Sprechers des US-Außenministeriums, John Kirby, der im Rahmen einer Pressekonferenz angekündigt hat, dass im Fall einer Fortsetzung des Bürgerkrieges in Syrien die Terroristen Schläge gegen russische Interessen und russische Städte verüben werden und Russland weiterhin Soldaten in Leichensäcken nach Hause schicken wird, Ressourcen, und womöglich Flugzeuge verlieren wird:

Wir sind sicher, dass John Kirby, der vor kurzem die Uniform des Konter-Admirals aus dem Pentagon, gegen den Anzug eines offiziellen Sprechers des US-Außenministeriums getauscht hat, sich der Folgen seiner Worte voll bewusst ist.

Seine Worte sind das offenherzigste Eingeständis der US-Seite, dass die angeblich am “Bürgerkrieg” in Syrien beteiligte “Opposition” in Wirklichkeit eine US-kontrollierte multinationale terroristische “Internationale” ist.

Besonders beeindruckend an Kirbys Eingeständnis ist, dass der direkte Einfluss der USA auf die Tätigkeit der Terroristen global ist. Und unter anderem bis nach Russland reicht.

Die Masken sind Gefallen, geehrte Herren?

Was die Drohungen Kirbys hinsichtlich der Verluste russischer Flugzeuge und des Heimschickens russischer Soldaten in “Leichensäcken” angeht, sagen wir das folgende.

Wir wissen gut, wo genau in Syrien, unter anderem in Aleppo, verdeckte “Spezialisten” tätig sind, die die taktische Planung und Leitung der Rebelleneinsätze organisieren, und wir wissen, wie viele es sind.

Natürlich kann man weiter erzählen, dass sie dort hartnäckig, aber erfolglos damit beschäftigt sind, die Terroristen von An Nusra von der “Opposition” zu trennen.

Allerdings ist nicht gesagt, dass im Falle eines Versuchs, die Drohungen gegen Russland und die russischen Streitkräfte in Syrien zu realisieren, die Kämpfer Leichensäcke und genug Zeit zum Davonlaufen finden werden. Deshalb sollte man nach dem Wechsel der Admiraluniform gegen einen Anzug die Offiziersehre nicht vergessen.

Wir sagen es erneut: Wir sind voll bereit, den Dialog mit der US-Seite fortzusetzen und gemeinsame Aktionen zur Bekämpfung von Terroristen in Syrien zu erarbeiten.

Allerdings darf dieser Dialog nicht mal andeutungsweise Drohungen gegen unsere Soldaten und russische Bürger beinhalten. Was den Schutz russischer Bürger angeht, egal wo sie sich aufhalten, gibt es nichts zu verhandeln. Das ist unsere höchste und bedingungslose Priorität.

Übersetzung von mir. Auf zwei Elemente der Botschaft möchte ich aufmerksam machen. Zum einen der Appell an die Offiziersehre. Das ist keine vergebene Liebesmüh. Die US-Armee besteht nicht nur, und nicht mal hauptsächlich, aus radikalen Vollidioten. In der US-Armee gibt es viele echte US-Patrioten, deren Ziel es ist, die USA zu schützen, und die genug Ehrgefühl haben, es nicht dadurch zu tun, dass man Terroristen gegen russische Zivilisten ins Feld schickt. Diesem Teil der US-Armee streckt Russland die Hand aus. Und gerade dieser Teil der US-Armee sehnt sich nach Anerkennung und Würdigung, denn im letzten Jahrzehnt bekleckerte sich die US-Armee nicht mit Ruhm und Ehre. Es wird den ehrbaren Offizieren der US-Armee gut tun zu sehen, dass Ehre noch irgendwo im Kurs steht. Es wird sie hoffentlich zusätzlich ermutigen, gegen die Kriegstreiber in den eigenen Reihen zu opponieren.

Das zweite ist die Drohung Russlands, Spezialkräfte der USA in Syrien auszulöschen, wenn die USA sich dazu herablassen, Kirbys schändlichen Worten Taten folgen zu lassen. Die Drohung ist mit einer diplomatischen Enthüllung verbunden. Das russische Außenministerium hat die USA offen der Unterstützung des Terrorismus beschuldigt und das russische Verteidigungsministerium hat konkret benannt, wie diese Unterstützung aussieht. Die “syrische Opposition”, bestehend aus Söldnern aus aller Welt, stellt die Fußsoldaten, Planung und Kommando liegen in der Hand verschiedener US Special Forces. Unausgesprochen dürfen sich auch die Briten, Israelis, Franzosen, Deutschen, Saudis, Türken und alle anderen angesprochen fühlen, die mit ihren Spezialkräften die “Opposition” in Syrien unterstützen.

Am 3. Oktober haben die USA ihren Rückzieher vom Vertrag des 9. September verkündet. Russland hat diesen Schritt bedauert. Das Lager der Radikalen hat die Schlacht um diesen Vertrag gewonnen. Den Interessen der USA hat es geschadet. Den Radikalen ist das nicht so wichtig, denn sie sind die Finanzinternationale. Und so wie für die kommunistische Internationale zu Beginn des letzten Jahrhunderts Russland nicht die Heimat, sondern nur ein geeigneter Ort war, um sich zu entfalten, so sind die USA für die Finanzinternationale nicht die Heimat, sondern nur ein bequemer Ort, von dem aus man operieren und seine Macht entfalten kann. So wie die Trotzkisten bereit waren, Russland “im Feuer der internationalen Revolution zu verbrennen”, so ist die Weltfinanz bereit, die USA zu verbrennen. Wenn Russland und die übrige Welt den USA unter die Arme greifen, tun sie das auch mit Blick auf diejenigen US-Eliten, die am Wohl der USA selbst interessiert sind und die bereit wären, von innen heraus gegen das radikale Lager vorzugehen.

Und während die moderaten US-Eliten die USA noch nicht gerettet haben, tut Putin, was er tun muss und was er die ganze Zeit schon tut. Er sucht diplomatische Lösungen. Wann immer eine solche Lösung gekippt wird, zieht er die Daumenschrauben ein bisschen enger und in der nächsten Verhandlungsrunde stehen die Partner schon schlechter da. Sie ärgern sich, können nur einen schlechteren Deal für sich aushandeln, zerstören diesen erneut selbst und bekommen im nächsten Anlauf noch schlechtere Bedingungen. So war es in der Ukraine mit den Minsk-Verträgen, so ist es in Syrien mit den US-Deals, so war es mit der Türkei, so ist es mit der EU, was die Sanktionen angeht. Im Westen pflegt man Zurückhaltung mit Schwäche zu verwechseln. Jahr um Jahr lässt der Westen Gelegenheiten für einen großen Deal verstreichen, Jahr um Jahr ist Putin zu immer weniger Zugeständnissen bereit – aber immer bereit für einen Deal. Der Deal wird kommen, und je länger sich der Westen dagegen sträubt, desto schlechter wird die Position des Westens in diesem Deal sein.

Die Folgen des Vertragsbruchs treten bereits ein. In Damaskus wird die russische Botschaft aus Minenwerfern beschossen. Vertreter von USA, Großbritanien, Deutschland, Frankreich und Italien wollen sich am 5. Oktober treffen, um eine politische Lösung für den Syrienkonflikt zu erarbeiten. Die USA werden diese Gelegenheit nutzen, um die abtrünnigen Vassalen wieder um sich zu scharen, im Kampf gegen den bösen Putin. Die EU hat in Syrien nicht mehr viel zu sagen. Vielleicht wird es beim Treffen gar nicht um Syrien gehen. USA und EU haben gerade andere Probleme miteinander.

Am 3. Oktober, am gleichen Tag, an dem die USA ihren Ausstieg vom Vertrag verkündeten, ordnete Putin den Ausstieg Russlands aus einam anderen Vertrag an, dem “Plutonium Management and Disposition Agreement“. Im Jahr 2000 haben die USA und Russland beschlossen, jeweils 34 Tonnen waffenfähiges Plutonium zu vernichten, indem daraus Brennstäbe für Atomkraftwerke hergestellt und verbrannt werden. Auf diese Weise würde das hoch angereicherte radioaktive Material wirklich aus der Welt verschwinden. Während Russland die notwendige Technologie für dieses Unterfangen erarbeitet hat und zur Umsetzung bereit ist, waren die USA zu blöd dafür (oder wollten zu blöd sein) und haben stattdessen angekündigt, ihr Plutonium zu vergraben. Aber Vergraben ist natürlich keine Vernichtung, man kann es jederzeit wieder ausgraben und einsetzen. Da die USA ihren Teil der Abmachung nicht erfüllen und das auch in Zukunft nicht vorhaben, hat Putin jetzt also angeordnet, dass Russland sich ebenfalls vom Vertrag zurückzieht, ganz offiziell. Das Timing ist selbstverständlich kein Zufall. Dieser Schritt ist die nächste Drehung der Daumenschrauben. Russland bewahrt sich sein volles Potential für einen etwaigen Atomkrieg. In der nächsten Verhandlungsrunde mit Russland wird der Westen erneut mit etwas schlechteren Karten da stehen. Und so wird es weitergehen, bis der Hochmut ausgetrieben ist und die Ernüchterung einkehrt. Der Vertrag vom 9. September wird nach einer Abkühlung der Gemüter wahrscheinlich reaktiviert werden. Vielleicht sogar mehr als einmal. Natürlich jedes mal zusammen mit einem neuen Vertrag, mit zusätzlichen Bedingungen.

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In der Kürze liegt die Würze (10) – Selbstbeherrschung

Poroschenko: “Los, schlag mich! Na komm, wenigstens ein bisschen! Ganz klitzekleinewenig!!!” Lehrsatz: “Selbstbeherrschung ist die wichtigste Überlebensmethode in einer Welt voller Idioten”

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Das Erbe des “Totalitären Regimes”

Die ukrainische Junta und ihre kleine Nazi-Basis heulen sich täglich aus über das “Totalitäre Regime”, die Sowjetunion. Man sei so sehr versklavt gewesen, unfrei, unterdrückt, unfähig sich zu entfalten.

Und im Westen wird den Menschen vom Kindergarten an und durch alle Expertenebenen hindurch eingetrichtert, dass die Sowjetunion ein wirtschaftliches Wrack war.

George Friedman, dem man keine Russland-Liebe vorwerfen kann, hat die bösen Absichten des Regimes bereits auf den Punkt gebracht:

Das Russische Reich und die Sowjetunion waren nie von Vorteil für die Russen selbst. Russland hat mehr Geld für die Kontrolle und den Aufbau der angeschlossenen Territorien ausgegeben, als es in Form von Einnahmen wiederbekommen hat.

Dazu und über die angebliche wirtschaftliche Nutzlosigkeit der Sowjetunion ein paar Beispiele aus der Ukraine.

So sehen heute viele Bundesstraßen in der Ukraine aus:

Das war mal eine gute asphaltierte Straße. Sie wurde einfach nicht mehr instand gehalten, seitdem die Ukraine unabhängig geworden ist. Inzwischen werden Straßen für den schweren LKW-Verkehr gesperrt, um zu retten, was noch zu retten ist. Mit der Folge, dass die Güter gezwungenermaßen auf den Schienenverkehr verlegt werden müssen.

Aber dort sieht es nicht viel besser aus. Schauen Sie:

Triebwagen aus Breschnews Zeiten.

Triebwagen aus Breschnews Zeiten.

Das ist kein Museumsexponat, das ist eine Lokomotive in Betrieb. Hergestellt vom totalitären Regime für die Ukraine. Von so guter Qualität, dass sie nach einem halben Jahrhundert noch immer ihren Dienst verrichtet. Aber irgendwann erleben auch die guten alten Diktatoren-Züge ihr Ende. So wie dieses Schätzchen:

Triebwagen von 1959. 2013 vom Dienst genommen.

Triebwagen von 1959. 2013 vom Dienst genommen.

In den 25 Jahren ihrer Unabhängigkeit vom totalitären Regime hat die Ukraine 50 Triebwagen mit Elektroantrieb und noch ein paar mit Dieselantrieb hergestellt. In 25 Jahren. Insgesamt wurden in dieser Zeit nur etwa 100 Triebwagen erworben. Und wieviel wurde in dieser Zeit verloren?

1991 besaß die Ukraine noch 1910 Elektrolokomotiven und 4210 Diesellokomotiven. 2012 waren noch 1862 Elektroloks und 2488 Dieselloks übrig. Ein Schwund von fast 30 %. 1770 Lokomotiven verloren.

Anfang 2015 waren noch 1720 Elektroloks und 2152 Dieselloks übrig. Noch mal 478 Loks verloren, in nur 3 Jahren. Und nicht alle Lokomotiven im Besitz der Ukraine sind betriebsfähig. Von den Zügen im Betrieb haben 99 % der Dieselloks und über 70 % der Elektroloks ihr planmäßiges Lebensalter von 20-30 Jahren bereits überschritten. Bei über 500 Lokomotiven wurden anstehende Wartungsarbeiten nicht durchgeführt.

Inzwischen ist der kritische Punkt erreicht, an dem das ukrainische Schienennetz den Bedarf nicht mehr decken kann. Landwirtschaft und Metallurgie sind besonders auf den Schienenverkehr angewiesen, insbesondere da jetzt der Straßenverkehr als Alternative verboten wird. Aber der ukrainische Güterverkehr kann nicht so viel, wie von ihm verlangt wird. Es fehlen die Lokomotiven und es fehlen die Wagons. Das totalitäre Regime war nicht fleißig genug, der Nachlass hat gerade mal zu einem Vierteljahrhundert Raubbau gereicht. Beschämend.

Der Personenverkehr hätte auch schon große Probleme, wenn die Ukraine den Zugverkehr nach Russland nicht eingestellt hätte. Man hat es auf den Krieg geschoben, aber ein weiterer Grund könnte sein, dass die Probleme im Personenverkehr schon vor zwei Jahren offensichtlich geworden wären. Aber auch diese Verschnaufpause ist beendet, inzwischen fallen immer mehr Regionalverbindungen aus, sogar in den Vororten von Kiew, weil es schlicht nicht genug Lokomotiven gibt.

Die ukrainische Politik ist zu Hilfe geeilt und hat Ende 2015 Sanktionen gegen Russland verhängt: Verbot auf den Einkauf russischer Züge und Verbot auf den Verkehr russischer Güterzüge in der Ukraine. Jazenjuk, der effektive Krisenmanager hat sich sicherlich etwas dabei gedacht…

Kasachstan produziert Lokomotiven von General Electric. Damit wollte sich Kiew vom verhassten Nachbarn loseisen. Und die USA nutzen wie üblich die Verblödung der ukrainischen Politik, um die russische Konkurrenz zu verdrängen, wo nur möglich. Im August diesen Jahres ist der erste Zug aus Kasachstan auf die ukrainischen Schienen gerollt. Die in Kasachstan produzierte US-Lok war sehr überzeugend. Nach nur einem Monat hat die Ukraine die Sanktionen gegen Russland aufgehoben: Der Einkauf russischer Lokomotiven ist wieder erlaubt und das Leasing russischer Güterzüge ebenfalls.

Derweil wird die Metallindustrie ihre Produkte nicht los, weil sie keine Möglichkeit hat, diese zu den Kunden zu befördern. Die Agrarindustrie heult auf, weil sie die gute Ernte nicht abtransportieren kann und die Lagerungskapazitäten nicht darauf ausgelegt sind, die Ernte eines Jahres aufzunehmen. Die Energiekonzerne heulen auf, weil sie sich mit Kohle für den Winter eindecken müssen (das hätten sie vor der Erntezeit tun müssen, aber die ukrainische Politik ist sehr witzig in diesen Jahren…). Es sind nicht genug Züge für sie alle da.

Von den Menschen, die ohne Zugverbindungen da gelassen werden, redet ohnehin keiner. Das sind die patriotischen Leiden, die das Volk im “Kampf um die Unabhängigkeit” ertragen muss. In den ukrainischen Foren tauschen sich die Menschen darüber aus, wie sie unter Umgehung der Bundesstraßen von A nach B kommen.

25 Jahre hat die Ukraine nichts in ihre Infrastruktur investiert. Sie lebte von dem, was die verhasste Sowjetunion (verhasst ist sie nicht bei allen, sondern bei dem Teil, der sich heute frei äußern darf) hinterlassen hat. Wie bösartig und wie unfähig muss die Sowjetunion gewesen sein, um das möglich zu machen?

In den Jahren der Unabhängigkeit ist in der Ukraine das Metallrecycling zu einer großen Branche geworden. So viel wurde in der Ukraine zu Sowjetzeiten gebaut, dass eine ganze Branche ein Vierteljahrhundert damit beschäftigt war, die hinterlassenen Züge, Fabriken und Maschinen stumpf in Teile zu zersägen und einzuschmelzen. Und die Branche ist immer noch nicht fertig damit. Vier Tausend Lokomotiven gibt es noch. Es gibt noch einen Haufen Militärtechnik, alles aus qualitativ hochwertigstem Stahl hergestellt. Und es gibt noch die verbliebenen Fabriken. Große Fabriken, die Flaggschiffe der ukrainischen Industrie. Die Junta hat diese Fabriken zum Stillstand gebracht. Jetzt muss man sie nur verkaufen und sprichwörtlich zu Schrott verarbeiten. Ein paar Oligarchen können sich daran eine goldene Nase verdienen.

Das sowjetische Erbe betrifft alles in der Ukraine. Die Gasleitungen, Wasser- und Abwasserversorgung, die Wohnhäuser – alles ist der Ukraine als Geschenk vom verhassten Regime zugefallen. Leider haben sich die ukrainischen Eliten darauf verständigt, dieses Erbe unter sich aufzuteilen und nichts neues zu erschaffen. 25 Jahre dieser Politik haben eine Reihe von Oligarchen hervorgebracht und das Land von einer führenden Industrienation zu einer Ruine gemacht. Die Ukraine hat Flugzeuge von klein bis riesengroß gebaut, Weltraumraketen nicht nur gebaut, sondern selbst ins All geschossen. Deutschland kann sich bis heute nicht solcher Leistungen rühmen und ist auf die Hilfe von EU-Partnern angewiesen, um derartige Spitzentechnologie zu realisieren. Die Ukraine konnte das alles und noch viel mehr im Alleingang. Dank des “totalitären Regimes”, das heute von der Junta verteufelt wird. Die Junta vernichtet die Reste dieser Kompetenzen, damit sie nicht mehr reaktiviert werden können. Die Junta muss die Vergangenheit verteufeln, damit die Menschen nicht auf die Idee kommen, die Vergangenheit unvoreingenommen zu betrachten. Denn wenn die Menschen erkennen, was sie alles hatten, was sie alles verloren haben, was sie jetzt alles nicht mehr haben und wer als kleine Gruppe Aasgeier von diesem Zerfall profitiert hat…

Und was hat die Ukraine in den 25 Jahren der Unabhängigkeit erworben? Aktivisten, die ihre Titten bemalen und vor den Kameras wackeln lassen als Protest gegen alles mögliche. Das gab es nicht zu Sowjetzeiten.

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Wen Russland im Krieg im August 2008 zerstört hat

Übersetzung des Artikels “Krieg vom 08.08.08: Wen Russland in Wirklichkeit zerstört hat” (“Война 08.08.08: кого на самом деле разгромила Россия“); die Links zu den Organisationen sind von mir hinzugefügt.

Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine war von langer Hand geplant. Zu Beginn des Jahres 1992, als die ukrainischen Soldaten neu vereidigt wurden, hat man sie gefragt, ob sie bereit sind, bei Bedarf gegen Russland zu kämpfen. Viele haben das damals wie einen schlechten Witz empfunden. Aber irgendwo haben zuständige Mitarbeiter Häckchen gemacht, die für manche wie grünes Licht für die Karriere wirkten und für andere wie ein Todesurteil. Damals haben nur wenige glauben können, dass ein offener Konflikt zwischen Ukraine und Russland möglich ist. Dabei hätte es schon 2008 passieren können…

Die Geburt einer Alternative

Sie wurde 1997 gegründet. Anfangs wirkte sie wie ein schönes Spielzeug, das man Kindern gegeben hat. Dann bekam dieses Spielzeug Ähnlichkeit mit etwas Ernstem. Nach einigen Jahren verwandelte sich die Spielzeugpistole plötzlich in eine schwere Waffe. Und wenn man eine Waffe in geladenem Zustand hält, wird sie wenigstens einmal feuern. Sie – das ist die GUAM [Organisation für Demokratie und Wirtschaftsentwicklung, bestehend aus Georgien, Ukraine, Aserbajdschan und Moldawien].

GUAM ist nicht nur eine Insel im Pazifischen Ozean, auf der sich einer der wichtigsten Militärstützpunkte der USA in der Region befindet. GUAM ist auch ein Integrationsprojekt, das als Alternative zur GUS [Gemeinschaft Unabhängiger Staaten] gedacht war. Die einzige Aufgabe von GUAM seit der Gründung war es, zu jedem denkbaren eurasischen Integrationsprojekt mit Zentrum in Moskau, eine Alternative entgegen zu stellen.

1918 sah der Westen in Kiew ein Zentrum für eine alternative Gemeinschaft ehemaliger russisch-imperialer Ländereien. Das Hetmanat von Skoropadskyj war ein Vorläufer der heutigen Ukraine. Wenn man genau hinschaut, sieht man im heutigen politischen Kiew konzeptuell nichts neues. Der schnelle Fall des Hetman-Regimes im ersten Bürgerkrieg war eher zufällig, hervorgerufen durch den Fall der Hauptsponsoren. Wenn Deutschland den Ersten Weltkrieg gewonnen hätte, wäre die Geschichte der damaligen Ukraine ganz anders verlaufen. Die Eurointegration in das vereinigte europäische Kaiserreich wäre vor 100 Jahren vollzogen worden, aber im gleichen Koloniestatus. Die heutige Ukraine erwartet übrigens das gleiche Schicksal wie das Hetmanat von Skoropadskyj. Sie wird fallen, direkt nachdem ihre Sponsoren wieder einmal einen Weltkrieg verlieren werden.

Wir sind abgeschweift, kehren wir zurück in die Moderne. Was hat die Länder vereinigt, die GUAM gegründet haben? Bei genauem Hinschauen entdeckt man, dass jedes Land eigene territoriale Ansprüche an Russland hatte. Bei Moldawien – Pridnestrowje. Bei Georgien – Südossetien und Abchasien. Bei der Ukraine der Status von Sewastopol und der Krim. Bei Aserbajdschan die klaffende Wunde des verlorenen Karabach, den zurück zu holen unmöglich war, solange Moskau zu Jerewan gehalten hat.

Eigentlich hat niemand besonders verheimlicht, dass GUAM als Alternative zur GUS gegründet wurde, mit dem Ziel der Zerstörung der letzteren. Außerdem gab es noch die OKVS [Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit]. Die neue Militärallianz ehemaliger Sowjetrepubliken wurde 1994 gegründet, 1999 sollte das Bestehen der Allianz verlängert werden. Das haben alle Länder getan, außer Georgien, Aserbajdschan und Usbekistan. Usbekistan ist im gleichen Jahr zur GUAM dazugestoßen. In der GU(U)AM-Charta, die am 7. Juni 2001 in Jalta unterschrieben wurde, stand geschrieben, dass die Teilnehmerländer fortan auch Fragen der regionalen Sicherheit auf allen Ebenen behandeln würden. Am 14. Mai 2002 wurde die Gründung einer vollwertigen Militärallianz auf der Basis der OKVS beschlossen.

Auf diese Weise ist es den USA zu Beginn des neuen Jahrtausends gelungen, aus den ehemaligen Sowjetrepubliken zwei einander feindlich gesonnene militär-politische Allianzen zu formen. Die erste mit Zentrum in Moskau: Russland, Weissrussland, Kasachstan, Armenien, Kirgisien, Tadschikistan. Die zweite Allianz mit Zentrum in Kiew: Ukraine, Usbekistan, Georgien, Aserbajdschan, Moldawien. Auf den ersten Blick unterscheiden sich die Allianzen deutlich in ihrer Stärke, aber man sollte nicht vergessen, dass hinter der GU(U)AM der Westen mit all seiner Stärke stand.

Zur Verstärkung ist 2006 Rumänien beinahe Mitglied geworden, und die Türkei und Lettland wurden Beobachterstaaten. Eine interessante Mitgliederauswahl. Und sie ist nicht zufällig. Im Jahr 2005 hat der ukrainische Präsident Wiktor Juschtschenko angekündigt, dass eine der wichtigsten Aufgaben der GU(U)AM die Lösung der Konflikte in Pridnestrowje und auf dem Kaukasus sein wird…

Was war gemeint? Damals pflegte man nicht darüber zu sprechen, aber genau darauf liefen die verstärkten Vorbereitungen hinaus. Nach 2004 verzeichnete die GU(U)AM einen sprunghaften Anstieg ihrer Aktivitäten. Die militärischen Vorbereitungen waren dabei so offensichtlich, dass Usbekistan, von allen Seiten von den Mitgliedern der OKVS eingekreist und ohne direkte Grenze zu den “Verbündeten”, es vorzog, im Jahr 2006 in Moskaus Lager überzulaufen.

GUAM: in Orange die Vollmitglieder, in grün die Beobachter. Quelle: Wikipedia.

GUAM: in Orange die Vollmitglieder, in grün die Beobachterstaaten. Quelle: Wikipedia.

GUAM: Vorbereitung zum Krieg

Es ist allseits bekannt, dass Kiew die georgische Armee im Vorfeld des Krieges in Südossetien belieferte. Das militärische Potential von Tiflis basierte Mitte 2008 größtenteils auf Technik, die von Kiew repariert, modernisiert und verkauft wurde.

Währenddessen hat Kiew auf die gleiche Art auch Aserbajdschan mit Waffen vollgepumpt. Die [Raketenwerfer] “Smertsch”, über die Aserbajdschan heute verfügt, sind aus Kiew, ebenso viele Panzer, Waffen, Hubschrauber, Flugzeuge, Flugabwehr. Kiew gab seinen Verbündeten sogar Waffen aus dem Bereitschaftsdienst ab.

Die Buk-Division aus der Ukraine hat der russischen Luftwaffe über Georgien schmerzhafte Verluste zugefügt.

Im Jahr 2005 bekam Aserbajdschan 25 Panzer, Georgien – 16. Im Jahr 2006 Aserbajdschan – 17. Im Jahr 2007 Georgien – 74 Panzer. Damit hat die Ukraine in den drei Jahren vor dem Krieg 132 Panzer an ihre Alliierten im Kaukasus geliefert. Zusätzlich 134 leichte Panzerfahrzeuge, mehr als hundert Geschützartillerie-Einheiten, dutzende Raketenwerfer. Außerdem wurde Militärtechnik ohne Bewaffnung verkauft, so dass es unmöglich nachzuverfolgen ist, wie viel Technik wirklich verkauft wurde.

Kiew vergaß auch sich selbst nicht. Zwischen 2004 und 2008 begann die Wiederherstellung des Kampfpotentials der ukrainischen Armee. Vorher jahrelang versäumte Militärübungen fanden nun eine nach der anderen statt. Die Flugstunden der Kampfpiloten steigerten sich um ein Vielfaches: im Jahr 2002 waren es gerade einmal 3,5 Stunden pro Jahr pro Besatzung. Im Jahr 2004 waren es schon 56,5 Stunden, im Jahr 2005 86 Stunden für die Bereitschaftseinheiten und 18,5 bis 23 Stunden für die übrigen Einheiten der Luftwaffe. Im Jahr 2007 erreichten die mittleren Flugstunden ein Rekordhoch von 44…

Dabei hatten die russischen Piloten im Jahr 2005 durchschnittlich 33 Flugstunden. Die russischen Kampfpiloten hatten noch weniger Stunden, weil die Transportflieger im Jahr 2005 durchschnittlich 60 Flugstunden verzeichneten.

Im Jahr 2004 wurde das Programm zur Modernisierung des ukrainischen Heeres eingeleitet. Zum Ende von 2006 wurde die Brigade-Reform beendet. Seit Ende 2005 wurden dem Heer Panzer BM “Bulat” geliefert, von denen nach anfänglichen Planungen ganze 400 Stück gefertigt werden sollten. Die Militärindustrie hat es nicht geschafft. Sie schaffte es einfach nicht, jährlich gleichzeitig Dutzende Panzer für Georgien, Aserbajdschan und die Ukraine selbst herzustellen.

Alles wurde für einen Krieg vorbereitet. Bezeichnend ist, dass der Strom von Waffenlieferungen nach Georgien aus der Ukraine im Winter-Frühling 2008 “versiegte”.

Der Zusammenstoß

Im März 2008 ereignete sich der blutigste Zusammenstoß in Bergkarabach, der zeitlich “zufällig” zusammenfiel mit Unruhen in Jerewan.

Im Juni 2008 begann die Ukraine, die Situation rund um die russische Schwarzmeerflotte anzuheizen. Die heißesten Köpfe schlugen vor, im Falle von Russlands Weigerung, die Flotte bis 2017 auszuführen, die NATO zu bitten, der Ukraine dabei zu helfen. Die Gemüter waren sehr stark erhitzt und es roch nach einem Konflikt…

GUAM schlug am 8. August 2008 zu. An diesem Tag fiel die georgische Armee mit all ihrer Macht über Südossetien und die dort stationierten russischen Friedenstruppen her.

Was wäre im Fall des georgischen Sieges passiert? Russland wäre erniedrigt, Südossetien und Abchasien wären zerstört worden. Als nächstes musste mit einer blutigen Lösung in Bergkarabach gerechnet werden, vielleicht auch in Pridnestrowje. Wir erinnern uns, dass Rumänien 2006 der GUAM beitreten wollte, und dass die Lösung des Pridnestrowje-Konflikts, genauso wie der Konflikte im Kaukasus, von Wiktor Juschtschenko im April 2005 zu den primären Aufgaben der Allianz erklärt wurden.

Mit Sicherheit wäre auch auf der Krim etwas passiert, denn die Situation rund um die russische Schwarzmeerflotte wurde seit dem Frühling 2008 eskaliert. Das hörte schlagartig auf nach der Zerstörung der georgischen Armee im fünftätigen Krieg. Dabei hätte Kiew leicht in den Konflikt hineingezogen werden können, wie sich der ukrainische Botschafter in Russland Konstantin Grischenko erinnerte. Aber Juschtschenko erwies sich klüger oder ängstlicher als sein georgischer Freund und Amtskollege (Juschtschenko ist Taufpate von Saakaschwilis Sohn).

GUAM: Der Niedergang

Die schnelle, vollständige und bedingungslose Zerstörung der in Südossetien eindringenden georgischen Armee war ein Schock für alle. Wenn Georgien den Zugang der russischen Truppen durch den Roki-Tunnel hätte verhindern können, hätte das Finale auch ganz anders aussehen können, genauso wie die geopolitischen Folgen.

Aber statt der Zerstörung von Russlands Verbündeten und eines Schlages gegen das Ansehen Moskaus, war einer der Hauptmitglieder von GUAM zerstört. Das Ansehen Moskaus erklomm ungekannte Höhen und Armenien vermied große Probleme mit Aserbajdschan. Die Ukraine und die NATO haben die Eskalation rund um die Schwarzmeerflotte heruntergefahren, als sie die Stärke der russischen Armee und die Entschlossenheit des Kreml bei der Verteidigung seiner Interessen sahen. Und Moldawien…

Im Jahr 2009 wurde der Präsident Wladimir Woronin auf einer Pressekonferenz von einem ukrainischen Journalisten gefragt, was er von GUAM halte. Woronin antwortete:

Diese Angelegenheit würde ich am liebsten vergessen… In acht Jahren Kontakt mit verschiedenen Präsidenten habe ich gemerkt, dass manche von ihnen unbedingt eine regionale Gemeinschaft anführen wollen. Und so denken sie sich solche Organisationen aus, ziehen andere Staaten hinein… Ich habe diesen GUAM erlebt, als ich gerade Präsident wurde, und ich habe immer noch nicht das Ziel dieser Struktur verstanden. Ich denke nicht, dass Organisationen ohne Arbeitsfeld lebensfähig sind. Es gab so viele Versuche, diesen GUAM wiederzubeleben, aber bis jetzt klappt es nicht. Man muss genau prüfen, was dieser GUAM bringt und wem er nützt. Unsere Beteiligung in diesem GUAM ist äußerst begrenzt, weil seine Arbeit ergebnislos ist. Es gibt keine Projekte, es gibt keine gemeinsame Grundlage. Nach heutigem Stand ist er perspektivlos. Es gibt auch andere Probleme mit diesem GUAM, über die ich nicht sprechen will und nicht sprechen werde. Aber dass dieser GUAM weder gestern noch heute lebensfähig war, ist eindeutig.

Nach der Niederlage in Südossetien kamen die Präsidenten der GUAM-Staaten nie mehr zusammen. Die regelmäßigen Treffen der Außenminister, die zweimal jährlich stattfinden sollten, lösten sich auch im Nichts auf.

In den Jahren 2008-2009 lieferte die Ukraine genau einen Panzer an Georgien und keinen einzigen an Aserbajdschan. Im Jahr 2010 schwenkte Aserbajdschan langsam, aber sicher auf Moskaus Orbit ein.

Nach dem Sommer 2008 veränderte sich die Einstellung des Westens zu Wiktor Juschtschenko dramatisch. Er bekam keine Einladungen mehr von seinen Kollegen, er war nicht mehr interessant. In der Presse tauchten Fakten über seine gesetzeswidrigen Handlungen zur Schwächung der ukrainischen Verteidigungsfähigkeit auf (man hielt ihm alles vor: die Panzer und die “Buk”s). Man begann förmlich, die Füße an ihm abzutreten:

Sein persönliches Rating, das im Frühling 2008 noch knapp 20 % betrug, fiel zum Herbst, nicht zufällig, auf jämmerliche 3,5 %. Juschtschenko zog im unpassendsten Augenblick den Schwanz ein, womit er die langjährigen Pläne der USA zur Bildung eines alternativen, antirussischen Integrationsprojektes auf den Überresten der Sowjetunion zerstörte.

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Von den Menschen

Bundespräsident Gauck:

Die Eliten sind gar nicht das Problem, die Bevölkerungen sind im Moment das Problem

Quelle.

Präsident Putin:

Meine Einstellung zu den Problemen der Menschen: man muss versuchen ihnen zu helfen. Genau dafür existiert der Staat, um den Menschen zu helfen.

Quelle: Direkte Linie mit Wladimir Putin, 16. April 2015. Zitiert aus: “Мысли о России. Президент о самом важном” (“Gedanken über Russland. Der Präsident über das Wichtigste”).

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