Erst hat Trump Merkel eine Ohrfeige verpasst, indem er das Treffen kurzfristig verlegt hat. Merkel hat das geschluckt und den ihr zugeteilten neuen Termin artig angenommen. Bei Merkels Besuch in Washington hat Trump genauso weiter gemacht. Er verweigerte Merkel vor laufenden Kameras den Handschlag. In der gemeinsamen Pressekonferenz hatte er auch keine guten Botschaften für Deutschland. Gleich nach der Begrüßung hieß es:
We just concluded a productive meeting with the German and American companies to discuss workforce development and vocational training — very important words. Germany has done an incredible job training the employees and future employees (…). It’s crucial that we provide our American workers with a really great employment outlook (…)
Übersetzung aus dem englischen und politischen direkt in Alltagssprache: Ihr teilt bitte schön eure Personalfachkompetenz aus der Industrie mit uns. Wir wollen auch so gut ausgebildete Facharbeiter wie ihr. Was nichts anderes heißt, als dass ein Teil der Produktion, die derzeit aus Deutschland eingekauft wird, zukünftig in den USA selbst produziert werden soll. Und Deutschland soll dabei helfen.
Zur NATO:
I reiterated to Chancellor Merkel my strong support for NATO, as well as the need for our NATO allies to pay their fair share for the cost of defense. Many nations owe vast sums of money from past years, and it is very unfair to the United States. These nations must pay what they owe.
NATO ist toll, aber unfair. Die USA tragen zu viel der Kosten. Die anderen haben Schulden aufgebaut. Die Schulden wollen beglichen werden. Der Herr fordert eine Abgabe vom Vasall. 2% des BIP sollen es mindestens sein.
Schauen wir mal nach. Deutschland hatte 2015 ein BIP von 3032,82 Milliarden Euro. Der Verteidigungshaushalt betrug im gleichen Jahr 32,97 Milliarden Euro. Das sind weniger als 1,1 % des BIP. Trump verlangt also speziell von Deutschland ein Wachstum der Verteidigungsausgaben um etwa 85 %. Merkel tröstete ihn im späteren Verlauf der Pressekonferenz mit einem Wachstum der Ausgaben von 8 % und einer Annäherung an Trumps Vorgaben bis 2024.
Bezüglich der Aufnahme von Flüchtlingen sagte Trump:
We also recognize that immigration security is national security. We must protect our citizens from those who seek to spread terrorism, extremism and violence inside our borders. Immigration is a privilege, not a right, and the safety of our citizens must always come first, without question.
Asyl sei ein Privileg, kein Recht. Die Sicherheit müsse an erster Stelle stehen, man müsse verhindern, dass Terroristen und Extremisten Asyl ausnutzen. Merkel vertrat die entgegengesetzte Position. Trump betont also den diametralen Unterschied in der gemeinsamen Pressekonferenz.
Over lunch, the Chancellor and I will talk about our economic partnership. We must work together towards fair and reciprocal trade policies that benefit both of our peoples.
Trump will reziproken Handel und Vorteile für beide. Wir schauen wieder in der Statistik nach. 2016 hat Deutschland waren im Wert von knapp 107 Milliarden Euro exportiert und aus den USA Waren im Wert von knapp 58 Milliarden Euro importiert. Diese Schieflage will Trump beseitigen. Indem die Produktion in die USA verlagert wird, was wir weiter oben schon hatten.
Das waren die Ansagen von Trump an Deutschland bei der Pressekonferenz. Und Merkel? Sie betonte die enge Freundschaft, die lange Partnerschaft, die große Bedeutung der USA für Deutschland und so weiter und so fort. Wir zusammen, Seite an Seite.
Merkel hielt Trump 8 % Mehrausgaben im Verteidigungsbereich vor, was nicht mal einem Zehntel dessen entspricht, was Trump einforderte. Merkel wies darauf hin, dass Deutschland sich militärisch in Afrika engagiert. Das sollte ein Gegenargument zu Trumps “Ihr macht nicht genug” sein. Und Merkel meldete Ansprüche für Libyen an:
We’re going to work on political solutions in Syria, but also in Libya — what we talked about.
Dass Merkel Syrien anspricht, ist klar. Deutschland hilft in Syrien offiziell aus. Aber aus der Zerstörung Libyens hat sich Deutschland herausgehalten. Warum will Deutschland da rein? Wir erinnern uns. Merkel bietet sich an. Wir sollen mehr tun? Gerne, wie wäre es mit Libyen?
Zum Ukrainekonflikt:
There has to be a safe and secure solution for Ukraine, but the relationship with Russia has to be improved, as well, once the situation there on the ground is clarified.
Die Ukraine ist jetzt ein Problem, das gelöst werden muss, um die Beziehungen zu Russland wieder zu verbessern. Die Beziehungen zu Russland sind das Ziel, die Ukraine ist das Problem. Vor nicht allzu langer Zeit war das noch umgekehrt. Die ukrainische Demokratie war das größte Ziel der “Weltgemeinschaft” und Russland das große Problem. So ändern sich die Zeiten.
In der Fragerunde merkte Merkel zur EU folgendes an:
(…) that the success of Germans have always been one where the German success is one side of the coin, and the other side of the coin has been European unity and European integration. That’s something of which I’m deeply convinced. And I’m not only saying this back home, I’m saying this here. I’m saying it in the United States and also here in Washington in my talks with the President.
Die Erfolge Deutschlands hängen eng mit der EU zusammen, deshalb sei Merkel sehr von der Einigkeit der EU überzeugt, und das sage sie auch in Washington, das sage sie auch dem US-Präsidenten. Hatte etwa jemand Zweifel daran? Wir merken uns kurz dieses Bekenntnis zur einigen EU, das Merkel fast penetrant an Trump übermittelt.
Merkel zur Immigration:
Migration, immigration, integration has to be worked on, obviously. Traffickers have to be stopped. But this has to be done while looking at the refugees as well, giving them opportunities to shape their own lives where they are; help countries who right now are not in an ability to do so — sometimes because they have civil war. I think that’s the right way of going about it. And this is obviously what we have an exchange of views about, but my position is the one that I have just set out for you.
In der Asylfrage geht Merkel auf Distanz zu Trump und sie sagt sogar offen, dass die Meinungen diesbezüglich differieren, was die Distanzierung nur bestärkt.
Auch in Fragen des Handels gingen die Meinungen auseinander. Zwar betonten beide, dass Fairness im handel ganz toll und wichtig sei, aber beide verstanden etwas anderes unter Fairness. Merkel führte ein Freihandelsabkommen mit Korea an, welches zu mehr Arbeitsplätzen in Deutschland geführt habe und verknüpfte das irgendwie mit Fairness. Trump findet genau das unfair und verteufelte NAFTA, weil dieses Freihandelsabkommen Arbeitsplätze in den USA zerstört hat. Merkel findet es also fair, wenn die knapper werdenden Arbeitsplätze nach Deutschland gehen und Trump findet es fair, wenn sie zurück in die USA gehen. Die beiden bekriegen sich in der Fragerunde inhaltlich, aber man könnte es fast harmonisch finden, weil beide einander loben und von Fairness reden. Aber der Schein trügt. Merkel war am Freitag bei Trump und am Tag darauf konnte der Rest der westlichen Welt die USA beim G-20 Gipfel in Deutschland nicht zu einem Bekenntnis für freien Handel bewegen. Deutschland wollte dieses Bekenntnis, Merkel hat bei Trump darum geworben. Trump hat ihr das nicht gegönnt.
In der Pressekonferenz sagte Merkel noch, dass sie eine Neuaufnahme der TTIP-Verhandlungen wünsche. Das Wort “TTIP” nahm sie zwar nicht in den Mund, aber es war klar, was gemeint ist:
I hope that we can resume the agreement that we started. We have just now concluded our agreement with Canada, and I hope that we will come back to the table and talk about the agreement between EU and the U.S. again.
Für wen ist dieser Einwurf gedacht? TTIP ist tot. Vielleicht saßen Clintons Agenten unter den Reportern und warfen Merkel böse Blicke zu? Vielleicht ist das nur ein weiterer Anlass, sich offen gegen Trump zu positionieren? Oder bietet Merkel einen Neustart der transatlantischen Beziehungen an? Jedenfalls wettert Trump gegen Freihandelsabkommen, während Merkel hofft, dass EU und USA ein solches abschließen. Die Uneinigkeit in dieser Frage ist offensichtlich.
So weit die Pressekonferenz.
Trump tut alles mögliche, um Merkel unmissverständlich klar zu machen, dass er in Konflikt zu ihr tritt. Er erniedrigt sie zwei mal öffentlich. Er fordert immense Geldsummen von Deutschland ein. Und er verweigert die Garantie des freien Handels, was gleichbedeutend ist mit der Drohung von Strafzöllen für deutsche Waren. Die USA sind der wichtigste Exportmarkt für Deutschland. Es gibt allen Grund zur Sorge.
Was spielt Trump für ein Spiel? Und wie weit ist Merkel in das Spiel eingeweiht?
Trump schürt den Konflikt mit der EU. Man könnte meinen, er tut es plump, aber das stimmt nicht. Er tut es ganz bewusst und intensiv genug, dass es niemandem entgehen kann. Er setzt die EU unter Zugzwang, sie muss darauf irgendwie reagieren. Die Absage von Freihandelsabkommen und die Forderung, Arbeitsplätze und Industrieproduktion an die USA abzugeben, können in der EU nicht gut ankommen. Das treibt die EU dazu, sich nach alternativen Märkten umzusehen.
Die Forderung nach stark erhöhten Militärausgaben der EU kommt zu einer Zeit, in der die EU offiziell eine eigene Armee aufbaut. Die EU hat also eine realistische Alternative zu der “Militärsteuer” an die USA. Und Trump setzt die Steuer so hoch an, dass der EU ihre Alternative umso schmackhafter wird. Trumps Forderung provoziert die EU, den Aufbau der EU-Armee zu forcieren.
Das kann ein abgesprochenes Theaterstück sein, dessen Ziel darin besteht, die Symbiose zwischen USA und EU zu lösen und aus der “westlichen Welt” zwei Pole der neuen multipolaren Welt zu machen: USA und EU. Das ist das positive Szenario für die EU. Es gibt aber auch ein negatives Szenario.
Bereits in seinem großen Interview mit BILD und New York Times hat Trump viele unangenehme Signale gesendet. Er hat Merkel kritisiert, er hat sein Vertrauen für den Dollar ausgesprochen und die Stabilität des Euro in Frage gestellt. Er hat den Brexit für gut befunden und weitere EU-Austritte angenommen – für ihn ist ein weiterer Zerfall der EU also eine Option.
jim-garrison meint weiterhin (hier und hier), dass es einen Deal zwischen Obama und Merkel gab (beschlossen zwischen 2011 und 2013), der besagte, dass Merkel die russlandfeindliche Linie der USA unterstützt und im Gegenzug freie Hand bei der Umgestaltung der EU nach eigenen Wünschen bekommt. Trump habe diesen Deal aufgekündigt. Das heißt, dass es keine Belohnungen für Russlandhetze mehr geben wird und dass die USA sich wieder aktiv in die EU-Politik einmischen können.
Trump könnte den Dollar stärken, indem er die EU und den Euro angreift. Ein Zerfall der EU würde dazu führen, dass die europäischen Staaten sich in Dollar-Anleihen flüchten. Das ist das negative Szenario für die EU. Es gibt mächtige US-Eliten, die das gern sehen würden. Brzezinski beispielsweise hat in seiner Skizze der multipolaren Welt drei Pole ausgemacht: USA, Russland, China. Kein Platz für die EU.
Im negativen Szenario zerfällt die EU. Wir holen uns Merkels Bekenntnis zur EU in Erinnerung, welches sie in der Pressekonferenz mit Trump äußerte und auch direkt an Trump richtete. Im dargelegten Kontext kann Merkels Bekenntnis eine Geste der Unterwerfung sein (“bitte, wir wollen nicht zerstört werden; sag uns was wir tun sollen”) oder eine Kampfansage (“wir wissen bescheid, aber wir werden für die EU kämpfen”).
jim-garrison hat Anfang Februar für die EU verschiedene Handlungsoptionen beschrieben:
- Mit der US-internen Opposition von Trump (Clintonisten) Trumps Linie zerstören und ihn zurück zur alten transatlantischen Linie zwingen.
- Gewisse Zugeständnisse an Trump machen und auf ein transatlantisches Bündnis 2.0 hinarbeiten.
- Den Kampf gegen USA und Großbritanien annehmen, den Handelskrieg führen, die Aufstände in der EU hart bekämpfen.
- Sich für den Zerfall der EU und die sich daran anschließende wirtschaftliche Katastrophe vorbereiten.
Die neu entfachten Kämpfe in der Ukraine würden dafür sprechen, dass Teile der EU die erste oder zweite Strategie verfolgen wollen. Russland soll wieder als Feindbild bekräftigt werden, USA und EU angesichts der russischen Bedrohung zusammenkommen. Auf Seiten der USA arbeiten die Fake News über russische Hacker in diese Richtung. Spätestens nach Merkels Besuch bei Trump sieht es für mich so aus, dass diese Strategie abgeschrieben werden kann. Trump nimmt Fahrt auf und er bleibt sich treu. Nichts deutet darauf hin, dass man ihn auf die Globalisten-Linie bringen kann (Optionen eins und zwei).
Prodis Aufforderung zum “Konterangriff” (bezüglich Trumps Hinweis auf einen weiteren Zerfall der EU) und Fillon in Frankreich sind Ausdruck der Eliten, die die dritte Strategie beschreiten wollen. Abbau der Sanktionen gegen Russland und gute Beziehungen zu Russland sind in diesem Lager essentiell, denn mit Russlands Unterstützung kann der Kampf gegen USA und Großbritanien gelingen.
Die vierte Handlungsoption von jim-garrison, die einer Kapitulation entspricht, halte ich im Moment nicht für aktuell. Dafür regt sich zu viel in der EU. Mein optimistisches Szenario von einer koordinierten und friedlichen Auflösung der transatlantischen Symbiose kommt bei jim-garrison nicht vor.
Interessant ist, dass die verbliebenen optimistischen Szenarien “Handelskrieg” und “friedliche Scheidung” beide eine Distanzierung von USA und EU beinhalten. Sie unterscheiden sich nur darin, wie gut- oder bösartig die USA das handhaben werden und wie stark zerfleddert die EU aus diesem Abenteuer rausgeht. Das wird spannend. Und für die EUropäer vielleicht auch sehr schmerzvoll.
Der größte Hoffnungsträger der EU ist Putin, so verrückt das vielen Deutschen heute klingen mag. Entgegen aller Verteufelung ist Putin ein sehr friedliebender Politiker, der an freundschaftlichen Beziehungen zur EU interessiert ist. Dieses Interesse Russlands an einer funktionierenden, kooperativen EU ist die größte Hoffnung der EU. Nur Putins allmächtige Hacker können Trump davon überzeugen, die EU nicht abzuschlachten, sondern ihr einen Platz am runden Tisch der multipolaren Weltordnung einzuräumen.
Putin hat beim Treffen mit Seehofer bekannt gegeben, dass Merkel am 2. Mai zu einem Besuch in Moskau erwartet wird. Das Datum hat Symbolcharakter. Am 2. Mai 1945 wurde die Kapitulation Berlins vor der Roten Armee unterzeichnet.
Was haben wir in der Summe? Trump positioniert sich überdeutlich gegen die EU. Auch Merkels persönliches Treffen konnte daran nichts ändern. Im besten Fall entzieht Trump Deutschland den Rückhalt in geopolitischen Fragen. Im schlimmsten Fall beginnt Trump einen schweren Handels- und Währungskrieg gegen die EU. Auf der anderen Seite wartet Putin mit den Kapitulationsbedingungen. Merkel wird wohl unterzeichnen müssen. Deutschland kann sich einen Zweifrontenkrieg gegen USA und Russland nicht leisten. Der bedrohte US-Markt muss ersetzt werden. Von den USA gibt es keine Belohnungen mehr für russlandfeindliche Politik. Stattdessen gibt es von den USA jetzt eine Front gegen die EU, das hat Trump zur Genüge klargemacht. Auf der anderen Seite hat Putin selbst in Zeiten der übelsten Russlandhetze die Hand für partnerschaftliche und freundschaftliche Beziehungen ausgestreckt. Eine Orientierung nach Osten, zu Russland, China, Indien, Iran und anderen, scheint unausweichlich. Die Alternative dazu wäre der Untergang.
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