Obama bittet Abe, nicht nach Russland zu reisen

Obama hat den japanischen Premierminister Abe bei einem Telefonat gebeten, seine für Mai geplante Reise nach Russland abzusagen. Das Timing sei schlecht.

Brechstangen-Diplomatie.

Wie die USA Japans geopolitische Rolle und das hierarchische Verhältnis von USA und Japan einschätzen, habe ich hier und hier schon mal beschrieben.

Ein Pressesprecher der japanischen Regierung hat inzwischen vermeldet, dass die Reise stattfinden werde.

Was ist überhaupt so gefährlich für die USA an einem Treffen von Putin und Abe? Bei dem Treffen soll es unter anderem um den Inselstreit gehen. Es gibt eine Inselgruppe, die sowohl Russland als auch Japan für sich beanspruchen. Das sorgt seit Jahrzehnten für große Spannungen zwischen beiden Ländern. 2014 hat Putin bei einem öffentlichen Auftritt gesagt, dass es keine einfache Lösung dieses Problems gibt, dass man sich trotzdem zusammensetzen und hart daran arbeiten muss, einen Kompromiss zu finden. Japan nimmt die Einladung offenbar an.

Wehe für die USA, wenn sich beide Länder wirklich einigen. Dann steht deren enger Zusammenarbeit kein Klotz mehr im Wege. Japan ist voll unter US-Kontrolle, weil die USA sowohl Japans Rohstoffimporte als auch Japans Industriegüterexporte kontrollieren. Eine enge russisch-japanische Zusammenarbeit kann beide Probleme enorm mildern. Und damit den US-Einfluss auf Japan stark senken. Das wäre eine geopolitische Katastrophe für die USA, in deren Geostrategie Japan als eine entscheidende Front gegen das Herzland fungiert.

 

Nachtrag, 25.02.2016: Im Titel stand fälschlicherweise “Moskau”. Es geht um eine Reise nach Russland, aber nicht nach Moskau.

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Der blutige Pastor

In der Ukraine geistert gerade das Protokoll der Sicherheitsratsitzung vom 28. Februar 2014 durch die Medien. Kopien davon wurden Rada-Abgeordneten im Zuge einer Diskussion der Ereignisse ausgeteilt. Das Dokument wurde abfotografiert und ins Netz geladen.

28. Februar 2014 war eine Woche nach dem Putsch. Zwischen Putsch und dieser Sitzung tauchten die ersten “höflichen Menschen” (wie man sie inzwischen in Russland nennt) auf der Krim auf. Thema der Sicherheitsratsitzung war die Frage, wie man reagieren sollte.

Gegen eine militärische Lösung sprachen sich Jazenjuk und Timoschenko aus – wegen finanzieller und militärischer Aussichtslosigkeit. Der SBU-Vertreter (ukrainischer Geheimdienst) wies in der Sitzung darauf hin, dass die Krim sehr stark pro-russisch ist und Kiew dort keine Unterstützung erwarten kann. Turtschinow, übrigens ein Pastor (kein Witz), plädierte für das Ausrufen des Kriegszustandes und stellte das zur Abstimmung. Er hat als einziger dafür gestimmt.

Dass Turtschinow ein besonders wertvoller US-Agent in der Ukraine ist, wurde hier im Blog schon mal erwähnt. Jetzt sieht man anhand von offiziellen Dokumenten, warum er das ist. Er hat von Anfang an einen direkten Krieg gegen Russland vom Zaun zu brechen versucht. So verrückt war sonst niemand.

Der Donbass war in der Sitzung vom 28. Februar kein Thema. Die Gefahr eines Aufstandes dort hatte noch niemand auf dem Schirm.

Später, als es im Donbass unruhig wurde, hat Turtschinow dort den Krieg begonnen, unter dem Label “Anti-Terror-Operation”. Sein Auftrag war unverändert: einen Krieg zwischen Ukraine und Russland anzetteln. Der Krieg gegen ethnische Russen im Donbass sollte der Auslöser sein. Russland ließ sich nicht in diese Falle locken, wie wir heute wissen.

Der Krieg im Donbass wurde noch vor Poroschenkos Wahl zum Präsidenten begonnen, während Turtschinow “Übergangspräsident” war. Es hätte legitimer ausgesehen, wenn der gewählte Poroschenko den Schießbefehl gegeben hätte anstatt des selbsternannten Übergangspräsidenten. Aber das Vertrauen in Poroschenko war offenbar nicht vorhanden – völlig zurecht, wie sich später herausstellte.

Turtschinow war es auch, der am 27. Februar 2014 Jazenjuk zum Premierminister machte, genau so wie Nuland und US-Botschafter Pyatt es abgesprochen hatten.

Turtschinow, der Goldjunge. Er wurde aus der Schusslinie der Öffentlichkeit gebracht. Für den Krieg und seine Folgen müssen andere die schlechte Publicity einstecken. Turtschinow wartet derweil in einer politischen Schlüsselposition darauf, wieder eingesetzt zu werden. Zu wertvoll ist er, um wie Jazenjuk oder Poroschenko im politischen Alltag verbrannt zu werden.

 

Nachtrag, 01.03.2016: Das Protokoll ist inzwischen auch auf einer offiziellen Regierungsseite veröffentlicht worden. Inhaltlich ergibt sich dadurch kein neuer Erkenntnisgewinn, aber der Fakt, dass die ukrainische Regierung das Protokoll einer Sicherheitsratsitzung (die alle grundsätzlich geheim sind!) nicht nur offensichtlich leakt, sondern dann noch selbst ins Netz stellt, zeugt von schmutzigen Intrigen auf höchstem Niveau. Im Runet wurde vermutet, dass Julia Timoschenko, die sich gerade für die Neuwahlen positioniert, mit der Veröffentlichung angegriffen werden soll. Sie hat sich in der Sitzung gegen eine militärische Lösung ausgesprochen, damit fehlenden Patriotismus bewiesen und damit eine Todsünde auf sich geladen.

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Die Explosion des Finanzsystems nähert sich

Ein Großteil der EU hat bereits Bargeld-Höchstgrenzen eingeführt. Bereits gesetzlich-formal oder “nur” in der Praxis. In Deutschland wird das Thema seit einiger Zeit aufgewärmt. Norbert Häring arbeitet sich daran ab.

Aber kurze Einwürfe hier und da waren nur die erste Stufe der Vorbereitung. Das Aufwärmen sozusagen. Jetzt geht es in den echten Kampf. Bei Anne Will wurde am Sonntag eine Talkrunde veranstaltet, die deutsche Gemüter beschwichtigen sollte. Und darauf einstellen, dass bald nicht mehr als 5000 € Bares von der Bank geholt werden können. Der Bürger soll sich mit dem Gedanken anfreunden, damit er nicht rebelliert, wenn der Plan umgesetzt wird.

Warum muss man Bargeldauszahlungen überhaupt begrenzen? Gehört das Geld, das auf Ihrem Konto liegt, nicht Ihnen? Und was ist plötzlich das Problem, wenn es Jahrzehnte vorher kein Problem gab?

Das Problem ist, dass in einer Finanzkrise die Menschen in ihre Banken laufen und die Kohle haben wollen, die auf ihren Konten gutgeschrieben ist. Das Problem ist, dass die Banken nur 2-10% dieser Kohle wirklich haben. Das Problem ist, dass dann viele Menschen vor der Bank stehen und ihr Geld nicht bekommen, weil die Bank ihnen sagen muss, dass sie kein Geld mehr auf Lager hat. Wie jetzt, fragt sich der Kunde, der ohnehin schon mit Panik zur Bank gerannt ist und dessen Panik jetzt potenziert wird. Und dann machen Menschen unberechenbare Dinge. Das ist das eigentliche Problem. Sobald Menschen unberechenbare Dinge machen, hört der Spaß für alle Beteiligten auf, sogar für die Eliten.

So weit soll es nicht kommen. So weit kommt es auch nicht, wenn es keine Finanzkrise gibt. Es wird aber eine sehr große Finanzkrise geben. Also wird es so weit kommen. Damit es trotzdem nicht so weit kommt, verbietet man den Menschen einfach, ihr angeblich vorhandenes Geld abzuheben. Das soll den Finanzkollaps verhindern oder lindern. Und weil dieser Zeitpunkt immer näher rückt, bereitet man Sie mental immer intensiver auf die Stunde X vor. Freuen Sie sich auf viele neue qualitativ höchstwertige Beiträge in Ihren Massenmedien zum Thema “Warum Bargeld so schlecht ist und wir eine Höchstgrenze brauchen”.

Lassen wir uns überraschen, wie gut das gelingt. Selig ist, wer keine Erparnisse hat. Alle anderen haben ein Problem, wenn die Ersparnisse nur aus einer Ziffer auf irgendeiner Festplatte bei irgendeiner Bank bestehen. Das größte Problem haben die vielen Rentner, die viele Ersparnisse auf ihren Konten haben und ihre Informationen fast ausschließlich aus dem Fernsehen beziehen. Diese Zielgruppe wird man besonders bluten lassen.

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Apfel-PR

Apple vs. FBI. Was für ein Drama. Man haut sich öffentliche Briefe um die Ohren. Die sozialen Netzwerke kochen über.

Unsere Massenmedien bleiben ihrer Linie als Pressesprecher des Apple-Konzerns treu. Apple, der ritterliche Beschützer der Privatsphäre seiner Kunden.

In Russland reagiert man auf das Theater mit Humor:

Ich glaube, gerade jetzt weint Edward Snowden bitterlich. Er schluckt seine Tränen mit einem guten, kräftigen Wodka hinunter und seine Lebensgefährtin trocknet seine Tränen und sagt: “Eddy, es gibt nun mal Idioten auf dieser Welt, denen nicht zu helfen ist.”

Apple hat neuerdings mit gesunkenen Verkaufszahlen zu kämpfen. Das darf nicht sein! Da aber der Zwang zum Kauf noch keine Option ist, ist man weiterhin auf PR angewiesen. Und da die alte PR nicht vor sinkenden Zahlen schützen konnte, muss etwas neues auf den Tisch.

Wer genau hinschaut, findet selbst in unseren Apple-Pressestellen entlarvendes: Gleich VIER Möglichkeiten bietet Apple an, wie das FBI Ihre Apple-Daten ohne Kenntnis Ihres Passworts ausspionieren kann.

Aber ach! – der FBI hat am Handy herumgefummelt, um das es da geht und sich alle vier Möglichkeiten verbaut. Was soll man davon halten? Man muss wohl annehmen, dass das FBI auf den Fall, bei dem ein IS-Kämpfer in den USA 14 Menschen erschoss, einen Praktikanten angesetzt hat.

Man könnte auch beim FBI nachfragen, ob dort eine der vier Möglichkeiten genutzt wurde, bevor man das Handy sperrte. Ich wette, es ist noch kein Journalist auf diese Idee gekommen.

Naja, und weil das Schauspiel so lustig ist und sich die Leute bei der NSA vor Lachen einnässen, können sie sich ein wenig Trolling nicht verkneifen. Ex-NSA-Chef unterstützt Apple im Kampf gegen Hintertüren.

rofl.

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Wie Osama bin Laden wirklich getötet wurde

Erinnern Sie sich noch an den glorreichen Obama-Feldzug nach Pakistan zwecks Liquidierung des schlimmsten Terroristen aller Zeiten? Die offizielle Version geht ungefähr so: Die CIA wertet jahrelang die Bewegungen von Bin Ladens Boten aus, ermittelt daraus Bin Ladens Aufenthaltsort in Pakistan, ganz in der Nähe der Hauptstadt Islamabad. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion dringen US-Spezialkräfte mit zwei Hubschraubern nach Pakistan ein (ohne die Pakistanis zu informieren!), stürmen Bin Ladens schwer gesichertes Haus, liefern sich heftige Schussgefechte mit Bin Ladens Leibwächtern, erreichen schließlich Bin Ladens Zimmer, wo der sich hinter einer seiner Frauen versteckt und sich der Festnahme widersetzt, woraufhin er getötet werden muss. (In manchen offiziellen Versionen wird die Frau auch getötet, in anderen nicht.) Dann sichern die Navy Seals noch tonnenweise Festplatten und Dokumente, aus denen die CIA später tausende brisante Berichte erstellt, die unter anderem beweisen, dass Bin Laden als Al-Quaida Anführer hoch aktiv war und sogar einzelne Operationen im Detail plante.

Dem großen Seymour Hersh verdanken wir die Wahrheit über diesen Einsatz. Der Originalartikel ist eine große Empfehlung. Da er sehr lang und zudem auf englisch ist, interessiert sich vielleicht der ein oder andere für eine Zusammenfassung in deutscher Sprache. Von Interesse ist nicht so sehr der Ablauf von Bin Ladens Liquidierung, sondern das Ausleuchten der Arbeit von Regierung und Geheimdiensten. Woher bekommen Geheimdienste ihre Informationen? Wie werden Operationen geplant und durchgeführt? Wer ist alles involviert? Welche zusätzlichen Operationen werden durchgeführt, um die Hauptoperation zu stützen? Wie schlachtet die Regierung eine Operation aus? Wie reagiert man auf unvorhergesehene Ereignisse? Sehr schön auch zu sehen: Alles folgt einem Plan, aber nicht alles läuft nach Plan.

In den Hauptrollen:

  • Die CIA, zunächst vertreten durch ihren Pakistan-Stationschef Jonathan Bank
  • Der pakistanische Geheimdienst ISI mit General Pasha an der Spitze
  • Das pakistanische Militär mit General Kayani an der Spitze
  • Amir Aziz, ein pakistanischer Militärarzt, der sich um den schwerkranken Bin Laden kümmert
  • Joint Special Operations Command (JSOC), eine Unterabteilung der SOCOM. Die SOCOM hat täglich Einsätze in über 70 Ländern der Welt, alles im geheimen.
  • Barack Obama

Bin Laden ist seit 2006 in Abbottabat, 40 km von Pakistans Hauptstadt Islamabad entfernt. Er ist ein Gefangener des ISI – die Info über seinen Aufenthaltsort am Hindukusch, wo sich Bin Laden vorher versteckte, hat der ISI von dort lebenden Stämmen gekauft. Es ist klar, dass man ihn früher oder später den USA ausliefern wird, aber so einen großen Fisch gibt man nicht einfach her, sondern wartet einen guten Moment ab, an dem man daraus Kapital schlagen kann.

Im August 2010 spaziert ein hochrangiger ISI-Offizier in der US-Botschaft ein und bietet dem CIA-Stellvertreter Bank an, den Aufenthaltsort von Bin Laden für eine üppige Entlohnung zu verkaufen. Bank ist skeptisch, aber der Informant besteht den Lügendetektor-Test. Von ihm erfährt die CIA, dass Bin Laden in Abbottabad ist, dass er ein Pflegefall ist, dass er vom Militärarzt Aziz betreut wird. Problem: Wie verifiziert man, dass es wirklich Bin Laden ist? Die CIA traut sich vorerst nicht, beim ISI nachzufragen, aus Sorge, dass Bin Laden aus Abbottabad verlegt wird. Die CIA nimmt das Haus, in dem Bin Laden sich aufhalten soll, unter Satellitenbeobachtung und schickt ein paar Agenten pakistanischer Herkunft in die Nähe.

Im Oktober 2010 diskutieren Militärs und Geheimdienstler, wie man Bin Laden ausschalten kann. Eine Bombe? Ein Auftragskiller? Problem in beiden Fällen ist, dass man keine Garantie hat, dass man wirklich Bin Laden getötet hat. Man informiert erstmals Obama. Der ist skeptisch und will erst wieder mit dem Fall belästigt werden, wenn ihm garantiert wird, dass es wirklich Bin Laden ist. JSOC und CIA glauben Obamas Zustimmung zu bekommen, wenn sie einen DNA-Beweis präsentieren und eine risikofreie Operation garantieren. Beides geht aber nur mit Mitwirkung der Pakistanis.

Die CIA, die ihren Informanten noch immer verdeckt hält, tastet sich an die Pakistanis heran. Man habe Informationen, dass ein hochrangiges Ziel in der Residenz in Abbottabad ist – was könne der ISI dazu sagen? Pakistan erhält von den USA viel Militär- und Sicherheitsausrüstung. Das ist der Druckpunkt der USA. Pasha und Kayani lassen sich recht schnell weichklopfen. Die CIA droht auch sanft damit, die Information durchsickern zu lassen, dass Pakistan Bin Laden gefangen hält. Das würde den Taliban und Jihadisten nicht gefallen und Pakistan zusätzliche Probleme bereiten. Pakistan befürchtet auch Probleme mit Saudi Arabien. Die haben Bin Ladens Unterkunft bis zur Gefangenname 2006 finanziert und sind sicher wenig begeistert, wenn sie erfahren, dass Pakistan Bin Laden an die USA ausliefert. Saudi Arabien fordert von Pakistan, Bin Ladens Aufenthalt geheim zu halten. Saudi Arabien befürchtet, dass Bin Laden über die Beziehungen von Saudi Arabien und Al Quaida plaudert, wenn er in die Finger der USA gerät. Pakistan bekommt viel Geld dafür, dass es still hält. Pakistan seinerseits fürchtet sich davor, was passiert, wenn die USA von Saudi Arabien erfahren, dass Bin Laden in Pakistan untergekommen ist. Für Pakistan ist es nicht die schlimmste Option, dass ein Pakistani Bin Ladens Aufenthalt preisgibt.

Man wird sich jedenfalls einig. Pasha und Kayani ist wichtig, dass ihr Beitrag zur Ergreifung Bin Ladens im Verborgenen bleibt. Die erste vorbereitende Operation besteht darin, im Dezember 2010 den verdeckten CIA-Agenten Bank im Zusammenhang mit einem Mord zu enttarnen. Der ISI soll die Identität des Agenten an die Presse verraten haben. Es gibt einen kleinen Skandal, Bank muss aus Pakistan abgezogen werden, die Stimmung zwischen USA und Pakistan ist vergiftet – so sieht es jedenfalls in der Öffentlichkeit aus. Das Theater dient dazu, die Zusammenarbeit im Fall Bin Laden zu verdecken. Wenn die Saudis (oder die Öffentlichkeit) Pakistan fragen, ob es bezüglich Bin Laden mit den USA kooperiert hat, verweisen die Pakistanis darauf, dass sie, selbst wenn sie etwas über Bin Laden gewusst hätten, in der aktuell angespannten Situation gewiss nicht zu den USA gelaufen wären.

Erstes Problem gelöst. Nächstes Problem: Bin Ladens Residenz ist eine Meile von einer Kaserne entfernt, zwei Meilen von einer Militärakademie und nur 15 Minuten Hubschrauberflugzeit von einer ISI-Basis für verdeckte Operationen in Tarbela Ghazi. Bin Laden ist mitten drin im pakistanischen geheimdienstlich-militärischen Komplex, um bewacht zu werden. Da können selbst die USA nicht unentdeckt und ungehindert rein und raus mit ihren Special Forces. Und die USA haben schon mal schlechte Erfahrungen gemacht: Die gescheiterte Geiselbefreiung 1980 in Teheran kostete Jimmy Carter die zweite Amtszeit. Wenn die Bin Laden Operation scheitert, ist es mit Obamas zweiter Amtszeit aus, die er noch vor sich hat. Wenn Obama sich auf die Operation einlassen soll, braucht er eine Garantie, dass es sich wirklich um Bin Laden handelt und dass die Operation risikofrei ist.

Kayani und Pasha müssen aushelfen. Von Aziz lassen sie eine DNA-Probe von Bin Laden besorgen. Die CIA gleicht das mit ihrer Datenbank ab und stellt eine Übereinstimmung fest. Aziz bekommt seinen Anteil von den ausgelobten 25 Millionen Dollar Belohnung auf Bin Ladens Kopf.

Kayani ist bereit, dem Einsatzkommando der USA freies Geleit zu verschaffen, besteht aber darauf, dass es nur ein kleines, schlankes Team ist. Und Bin Laden wird nicht lebend gefangen, das ist eine weitere strikte Bedingung Pakistans. Er weiss zu viel, könnte viel ausplaudern.

Januar 2011 hat man sich auf den Deal geeinigt. Kayani hält das pakistanische Militär während der Operation still, die USA machen einen Überfall mit kleinem Team und holen sich Bin Laden. Tot. Es beginnt die Planungsphase. Das JSOC will Details von Pakistan wissen. Wie garantiert Pakistan, dass es keine Überraschungen geben wird? Wie groß ist die Residenz, wie ist die Verteidigung aufgebaut? Wo genau ist Bin Ladens Zimmer und wie groß ist es? Auf welchem Stockwerk und wie viele Treppenstufen führen hinauf? Wo ist die Tür zu seinem Zimmer? Ist sie aus Stahl? Wie dick? Wie gesichert? Auf der ISI-Basis in Tarbela Ghazi wird ein Team aus einem Navy Seal, einem CIA-Spezialisten und zwei Verbindungsleuten installiert, welches die Operation koordinieren wird. In den USA wird auf einem Militärgelände Bin Ladens Residenz nachgebaut, damit ein Eliteteam der Seals schon mal den Überfall üben kann.

Die USA drehen den Hahn der Militärhilfe vorsorglich zu. Die Lieferung von 18 F-16 Kampfflugzeugen wird verzögert. Inoffizielle Bargeldzahlungen an hochrangige pakistanische Offiziere bleiben aus. Im April 2011 treffen sich CIA-Direktor Panetta und ISI-Chef Pasha und bekräftigen noch mal ihre Absichten. Pakistan garantiert, dass die Operation nicht behindert wird, die USA garantieren, dass alle militärischen und finanziellen Lieferungen wieder fließen werden. Pasha besteht noch mal darauf, dass Pakistans Rolle nicht öffentlich wird. Man habe Bin Laden nämlich als Geisel gehalten, um Druck auf Taliban und Al Quaida ausüben zu können, um ihnen jederzeit drohen zu können, dass man Bin Laden sonst an die USA ausliefert. Es wäre wahrlich ungeschickt, wenn herauskommt, dass Pakistan Bin Laden auslieferte, obwohl Taliban und Al Quaida brav waren. Die USA versprechen, die Rolle Pakistans geheim zu halten. Bin Ladens Tod soll erst eine Woche später bekannt gegeben werden. Eine sorgfältig konstruierte Geschichte soll behaupten, dass er in den Hindukusch-Bergen Afghanistans von einem Drohnen-Angriff getötet wurde.

Kayani ordert die Luftabwehr an, in der Nacht des US-Einsatzes still zu halten und nichts zu unternehmen. Der ISI schaltet die Stromversorgung in Abbottabad ab – in der Stadt ist es völlig dunkel. Die ISI-Agenten, die in der Bin Laden Residenz permanent Wache schieben, haben den Befehl zu verschwinden, sobald sie Hubschrauber hören. Die Navy Seals bekommen einen ISI-Offizier zur Seite gestellt, der mitfliegt und sie in der Residenz navigiert. Die Pakistanis rollen den USA einen roten Teppich bis zu Bin Ladens Zimmer aus.

Das Einsatzkommando fliegt mit zwei Black Hawk Hubschraubern an. Einer davon vermasselt die Landung in der Residenz und stürzt. Einige Seals werden dabei verletzt. Jetzt hat man einen gestürzten US-Hubschrauber in Abbottabad herumliegen. Eigentlich muss sein Cockpit gesprengt werden, um die Steuerelemente nicht in feindliche Hände gelangen zu lassen, aber die Sprengung würde Lärm und Feuer verursachen, was mitten in der Stadt viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde. Ein Reservehubschrauber der USA muss zügig nach Abbottabad gebracht werden, um das Team abzuholen. Das bedeutet eine Verzögerung. Der Einsatz wird währenddessen fortgesetzt. Es gibt keinen Widerstand. Die Bewacher der Residenz sind weg und der Guide geleitet die Seals nach oben. Zwei Stahltüren auf dem Weg müssen gesprengt werden. Der einzige Zwischenfall ist eine kreischende Frau. Als Bin Ladens Zimmer gestürmt wird, feuern die Seals ihre Magazine auf Bin Laden leer. Es gibt keinen Versuch, ihn lebend festzunehmen. Es gibt keine Gegenwehr. Von Bin Laden bleibt nicht viel übrig. Den Kopf und ein paar verbliebene Körperteile stecken die Seals in einen Leichensack. Sie sammeln noch ein paar Bücher und Papiere ein. Mehr ist da nicht und gezielt suchen können diese Jungs auch nicht. Es ist ein reines Killerkommando, es ist kein Durchsuchungsexperte dabei. Haufenweise Computer, Festplatten und Videokasetten, wie später in der Presse behauptet wird, gibt es in Wirklichkeit nicht.

Unten brennt der abgestürzte Black Hawk. Der Ersatzhubschrauber ist noch nicht da. Die Seals warten quälend lange 20 Minuten. Es gibt keine Polizei, keine Feuerwehr, keine Lichter in der Stadt. Es gibt keine Gefangene. Normalerweise würde so ein Team nicht warten, sondern sich in den verbliebenen Hubschrauber reinquetschen und abdüsen. Aber die pakistanische Hilfe ist derart vollumfänglich, dass das JSOC-Team vor der Residenz herumlümmelt und “auf den Bus wartet”.

Im Weißen Haus nimmt man an, dass Bin Ladens Leiche auf dem Weg nach Afghanistan ist. Im Hubschrauber nehmen die Seals an, dass ihr Einsatz nie öffentlich wird (offiziell soll es ein Drohnenangriff sein) und werfen adrenalintrunken einiges von Bin Ladens Überresten während des Flugs aus dem Hubschrauber raus. Im Weißen Haus fragt man sich, ob man planmäßig eine Woche still hält und dann den Drohnenangriff behauptet oder ob man doch lieber gleich an die Öffentlichkeit geht. Das Problem ist der abgestürzte Hubschrauber, der sich nicht verheimlichen lassen wird. Und in die Operation sind so viele Militärs und Geheimdienstler sowohl in den USA als auch in Pakistan involviert, dass man Leaks an die recherchierenden Journalisten befürchten muss. Obama und seine Berater entscheiden sich, in die Offensive zu gehen.

Noch in der Nacht des Einsatzes wird Obamas Bekanntgabe verfasst. Zu wenig Zeit, um die ausgedachte Story auf alle Lücken und Ungereimtheiten zu überprüfen. Unter anderem erzählt Obama am nächsten Tag der Presse, dass das Einsatzkommando Bin Laden in einem Gefecht erschoss und seine Leiche mitgenommen hat. Das Gefecht dient der juristischen Deckung und soll kaschieren, dass es sich in Wirklichkeit um einen Mord gehandelt hat. Allein dieser eine Satz von Obama macht zwei neue Storys nötig, um die Lügengeschichte zu decken. Erstens: Wie sah denn der Kampf aus? Zweitens: Wo ist die Leiche? Außerdem gibt Obama in seiner Erklärung bekannt, dass die gute Zusammenarbeit mit pakistanischen Sicherheitsdiensten zur Entdeckung von Bin Laden beigetragen hat. Diese Aussage wird später von allen Offiziellen ignoriert und man behauptet stur, dass Pakistan nicht mitgewirkt hat.

Das passiert, wenn man keinen Plan B in der Tasche hat und PR-Berater Plan B mitten in der Nacht ausdenken, ohne dabei die Möglichkeit zu haben, sich mit allen an der Operation Beteiligten zu koordinieren.

Übrigens sind die Teilnehmer der Operation überrascht, als sie vernehmen, wie es angeblich ablief. Viele sind stinksauer. Die Seals befürchten, dass man sie zu Sündenböcken machen könnte, da ihr Einsatz nun öffentlich zur Diskussion steht. JSOC und die Seals bekommen einen Maulkorb vom Weißen Haus. Das JSOC-Oberkommando muss sich wohl oder übel am Zurechtzimmern der neuen Geschichten beteiligen.

Einen Tag nach Obamas Verkündigung behauptet John Brennan, dass die Pakistanis weder über Bin Ladens Aufenthaltsort noch über den Einsatz etwas gewusst hätten. Man habe sie erst informiert, nachdem die Seals wieder aus Pakistan raus waren. Weiterhin behauptet Brennan, dass man vorher keine Gewissheit hatte, dass die hochrangige Zielperson in Abbottabad wirklich Bin Laden war. Obamas Einsatzbefehl sei extrem mutig gewesen. Brennan ist 2011 Obamas Antiterrorismus-Berater. 2013 wird er CIA-Direktor. In Brennans Story steigt die Zahl der Getöteten auf fünf, unter anderem ist eine von Bin Ladens Frauen darunter, die dieser angeblich als Schutzschild gebrauchte.

Tage später stellt das Weiße Haus klar, dass Bin Laden keine Waffe in der Hand hatte, als er erschossen wurde und dass er auch nicht eine seiner Frauen schützend vor sich hielt. Erklärung für die Widersprüche in den offiziell verkündeten Versionen: Da haben einige Leute der Phantasie etwas freien Lauf gelassen, um dem großen Hunger der Presse nach Details gerecht zu werden.

Der ISI spielt bei allen Lügengeschichten gezwungenermaßen mit und steuert einiges an Material bei. Darunter Fotos toter Pakistanis, die die erschossenen Leibwächter Bin Ladens sein sollen. Darunter auch Material von Bin Laden – die Seals selbst haben keine Hausdurchsuchung durchgeführt beim Einsatz. Der ISI gönnt den USA aber keine Verhöre von Bin Ladens Frauen und Kindern.

Eine der Lügengeschichten zur Deckung des Einsatzes ist die, dass Bin Laden bis zuletzt ein hochaktiver und zentraler Terrorist höchsten Ranges war. Den Mythos braucht man, um den Einsatz zu rechtfertigen. Einen Krüppel zu ermorden, der längst isoliert und inaktiv ist, klingt nicht sonderlich heroisch.

Die nächste Cover-Story ist die über Bin Ladens Leiche. Eigentlich sollte eine Woche nach dem Einsatz gewartet werden, um dann zu behaupten, dass Bin Laden durch einen Drohnenangriff in Afghanistan umgebracht wurde und ein DNA-Test seine Identität bestätigt habe. Von einem Drohnenangriff kann man zurecht annehmen, dass er keine Leiche hinterlässt, sondern nur Leichenteile. Die Frage nach der Leiche hätte sich nicht gestellt. Da die zügig zurechtgezimmerte Lügengeschichte aber besagt, dass die Seals Bin Laden erschossen und die Leiche mitnahmen, stellt sich die berechtigte Frage: Wo ist die Leiche? Die sei auf das US-Kriegsschiff Carl Vinson gebracht worden. Dort habe eine Seebeerdigung stattgefunden. Es gibt angeblich Fotos davon, aber sie werden auf Umwegen als geheim klassifiziert, um nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden. Ein Journalist beschreibt, was auf den Fotos angeblich zu sehen ist – selbst gesehen hat er die Bilder nicht. Die Soldaten an Bord bekommen einen Maulkorb und durften mit niemandem über die Seebestattung von bin Laden, die angeblich auf ihrem Schiff stattgefunden hat, reden.

Natürlich hat es keine Seebestattung gegeben. Die Cover-Story braucht man, weil es keine Leiche gibt, die der offiziellen Version entspricht. Es gibt einen Kopf mit mehreren Löchern und ein paar Körperteile.

Im Juni 2011 wird der Öffentlichkeit bekannt, dass Aziz in Pakistan vernommen wird. Die US-Geheimdienste können nicht herausfinden, wer der Presse erzählte, dass Aziz für die CIA Bin Ladens Residenz überwachte. Aziz hat die DNA-Probe von bin Laden besorgt und die USA sorgen sich, dass diese Info auch geleakt wird und dann ein neues Loch in die offizielle Story reisst (der zufolge die USA erst während des Einsatzes letzte Gewissheit bekamen, dass sie es mit Bin Laden zu tun hatten). Man entscheidet sich, dem vorzubeugen – mit einer weiteren Cover-Story. Ein im Mai 2011 in Abbottabad festgenommener Arzt wird beschuldigt, mit Geheimdiensten zusammen zu arbeiten. Er wird als Sündenbock ausgewählt. Er hat früher tatsächlich mit der CIA zusammengearbeitet, um unter dem Vorwand kostenloser Impfprogramme DNA-Daten von potentiellen Terroristen in Abbottabad zu sammeln, aber mit Bin Laden hatte er nie zu tun gehabt – zur damaligen Zeit haben die USA sich nocht gar nicht vorstellen können, dass Bin Laden in Abbottabad sein könnte. Der Presse wird erzählt, dass dieser Arzt von der CIA angeheuert wurde, um unter dem Deckmantel einer Impfkampagne an die Bin Laden DNA heran zu kommen, allerdings erfolglos. Der Arzt wird zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt. Und viele aus dem Ausland finanzierte Impfprogramme in Pakistan verlieren massiv an Ansehen und müssen abgebrochen werden – man verdächt sie, ein Mittel ausländischer Spionage zu sein. Die Impfprogramme, die nicht geschlossen werden, sind später häufiges Ziel von Terrorattacken:

Trotzdem gibt es dem Land immer wieder Angriffe auf Mitarbeiter von Impfkampagnen. Insbesondere radikale Islamisten behaupten, die Maßnahmen dienten der Sterilisierung von Muslimen. Mitarbeiter von Impfkampagnen werden immer wieder verdächtigt, Spione der Regierung zu sein. Hintergrund dieser Vorwürfe ist unter anderem, dass ein Agent, der sich als Mitarbeiter einer Impfkampagne ausgegeben hatte, das Versteck von Osama bin Laden ausgekundschaftet hatte. Der frühere Al-Kaida-Führer war dort im Mai 2011 von US-Soldaten getötet worden.

(Hervorhebung von mir.)

Der ISI-Informant, der alles ins Rollen brachte, wird mitsamt Familie in die USA gebracht, wo er als CIA-Berater tätig wird. Er hat auch den Löwenanteil der Belohung kassiert.

Die Zusammenarbeit zwischen US- und pakistanischen Sicherheitsdiensten setzt für vier Jahre aus.

Pasha verliert 2012 seinen Posten als ISI-Direktor. Kayani muss seinen Posten als Militärchef 2013 räumen. Gegen beide ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Korruption im Amt.

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Kommentare ab jetzt mit Freischaltung

Die Regeln sind einfach:

  • Ein Beitrag wird entweder komplett freigeschaltet oder komplett nicht freigeschaltet.
  • Was geblockt wird und was nicht, entscheidet der Diktator nach eigenem Gutdünken. Er hat gewiss ein paar Faustregeln, aber die wird er nicht verraten.
  • Leser werden nicht geblockt, nur Beiträge. Jeder hat so viele Chancen, wie er haben will. Alles Sachliche wird freigeschaltet, egal wie viel vorher gesperrt wurde.

Es wird im Regelfall bis zu einem Tag dauern, bis ein Kommentar gesichtet wurde. Im Nichtregelfall kann das auch länger sein. Freizeitprojekte sind naturgemäß stark von der Menge der Freizeit abhängig.

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Diskussionskultur

Die Diskussionskultur im Blog wird zunehmend hässlicher. Die Tatsache, dass hier keine Beiträge gelöscht werden, verstehen manche offenbar als Einladung zu Hetzkampagnen gegen Personen. Das ist ein Missverständnis. Die völlige Redefreiheit ist euch allen gegeben, damit ihr eure Meinungen kundtun könnt, auch die abstrusesten und beklopptesten. In der Sache. Redefreiheit ist nicht dazu da, persönliche Anfeindungen, zumal gegen Personen, die gar nicht dabei sind, zu verbreiten.

Sollte hier im Blog weiterhin gehetzt werden, wird die Kommentarfunktion komplett deaktiviert.

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FIFA-Intrige läuft munter weiter

Die von Übersee angezellte FIFA-Intriga läuft. Der Stand vom Herbst letzten Jahres zur Erinnerung:

Die USA wollen verhindern, dass die Fußball-WM 2018 in Russland stattfindet. Und wenn sie doch in Russland stattfindet, soll sie in möglichst schlechtem Licht erscheinen. Die olympischen Winterspiele 2014 gaben Russland die Gelegenheit, sich der Welt positiv zu präsentieren (…). Eine Fußball-WM ist eine noch größere Gelegenheit. Eine Gelegenheit für Russland ist eine Katastrophe für den Westen. (…)

Aus Sicht der USA ist es viel besser, die WM Russlands Händen zu entreißen. Mit Blatter an der Spitze der Fifa ist es unmöglich. Blatter muss deshalb weg. Der Nachfolger wird sich als Aufräumer bewähren müssen und darf gleich damit loslegen, echte oder erfundene Ungereimtheiten bei der WM-Vergabe an Russland aufzudecken. Eine mediale Hetzkampagne (ich schreibe bewusst nicht „beispiellos“, weil es schon so viele Beispiele gibt…) wird die ohnehin wackelnde Fifa dazu zwingen, die WM-Vergabe neu zu regeln.

Blatter als Schirm- und Schutzherr der WM-Vergaben ist bereits im Abseits. Interessante Neuigkeiten erfahren wir von Sport Inside. Ausschnittsweise Zitate (Hervorhebungen von mir):

Franz Beckenbauer (…) – ein großer Ahnungsloser im FIFA-Vorstand, wo er die skandalösen WM-Vergaben nach Russland und Qatar mitmachte. Ahnungslos auch im Skandal um das sogenannte Sommermärchen.

Der Skandal um das Sommermärchen. In Frankfurt ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen besonders schwerer Steuerhinterziehung. Wer hat die 6,7 Millionen wirklich kassiert? Der schweizer Ermittler Andre Marty von der Bundesanwaltschaft:

Bereits in nächster Zeit werden Frankfurter Kollegen zusammen mit uns von der Bundesanwaltschaft Einvernahmen hier in der Schweiz durchführen. Das zeigt, wie hochgradig relevant dieses Ermittlungsverfahren der deutschen Kollegen auch für unser Strafverfahren ist. Und Sie dürfen davon ausgehen, dass die Kolleginen und Kollegen aus Frankfurt nicht mit leeren Händen nach Hause reisen werden.

Ja ja, viel Wirbel überall. USA ermitteln, Schweiz auch, Deutschland auch. Die Zeit drängt!

Dass man Deutschlands Sommermärchen nachträglich entzaubert, hat einen Zweck. Die Enthüllungen fokussieren alle darauf, dass die Vergabe der Weltmeisterschaft korrupt war und dass die gesamte FIFA-Spitze daran beteiligt war. Der böse Blatter sowieso, aber selbst solche Lichtgestalten wie Beckenbauer. Falls Sie noch nicht mitbekommen haben, wohin der Wind weht: Die anderen Vergaben werden folgerichtig genauso korrupt gewesen sein.

Der Sport Inside Beitrag geht weiter. Marty darf wieder zu Wort kommen:

Die Aufbereitung dieser gewaltigen Datenmengen hat ja nicht erst mit dem Rechtshilfeersuchen aus Frankfurt begonnen, sondern natürlich wurden bereits im Vorfeld verschiedenste Abklärungen getroffen zu verschiedenen Zahlungen, insbesondere eben zum Ausgang von Zahlungen. Wohin ging gewisses Geld, wohin wurde es transferiert?

Es gibt durchaus immer wieder mal – ich sag’s jetzt ein bisschen salopp – ein gewisses Kopfschütteln oder ein irritiertes Zur-Kenntnis-Nehmen bei der Aufbereitung der verschiedenen Sachverhalte, dass sich eben gewisse Muster, Verhaltensweisen wiederholen, die vielleicht doch gewisse Fragen hinterlassen.

Der Reporter hackt nach:

Auch bezüglich Zahlungen um die Vergabe von Fußballweltmeisterschaften?

Marty:

Das ist korrekt.

Sehr gut, wir haben die Kurve wieder gekriegt. Es geht nicht um irgendwelche FIFA-Korruption, das Ziel ist WM-Vergabe-Korruption – alles andere interessiert uns nicht. Dann kommt der Beitrag wieder auf Jack Warner zurück, den FIFA-Schmiergeldweltmeister. Schmiergeldverdacht auch im Zusammenhang mit der Vergabe der WM 2010 in Südafrika. Damit haben wir:

  • Großer Schmiergeldverdacht bei der Vergabe der WM 2006
  • Großer Schmiergeldverdacht bei der Vergabe der WM 2010
  • Die Schweizer Bundesanwaltschaft bestätigt das – die Verdachtsmomente haben also Hand und Fuß

2006, 2010, wie geht die Reihe weiter? 2014 müssen wir überspringen, Brasilien hat als einziges Land eine Bewerbung als Austragungsort 2014 eingereicht. Aus so einem Fall ist nicht viel rauszuholen. Aber nach 2014 geht die Reihe weiter. Sport Inside:

Er [Beckenbauer] und sein Schattenmann Fedor Radmann blieben auch nach dem Sommermärchen im WM-Business. Beckenbauer im FIFA-Vorstand, Radmann zog weiter die Strippen. Ein unzertrennliches Gespann, wie schon 2006. Später in Sachen Russland und Qatar.

Es wird heiss! Und die Stimme des Sprechers im letzten zitierten Satz süffisant. Die Vorfreude ist groß, denn:

Auch für diese WM-Vergaben interessieren sich schweizer Staatsanwälte.

Marty:

Das Strafverfahren, das die Vergabe der Fußballweltmeisterschaften 2018 Russland, 2022 Qatar betrifft, ist nach wie vor aktiv und mit Hochdruck unterwegs. Auch hier geht es darum abzuklären, ob wir konkrete Transaktionen, Verhaltensweisen finden, die eben strafrechtlich relevant sind. Natürlich ist insbesondere Russland hier nach wie vor auf dem Radar der schweizer Bundesanwaltschaft.

Ertappt, Herr Staatsanwalt. Der Auftrag ist klar. Irgendwelche Geldflüsse finden, die Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit der WM-Vergabe nach Russland belegen.

Der Rest der Sendung widmet sich denn auch der WM-Vergabe nach Russland (Qatar ist kein Thema). Beckenbauer hat über die Vergabe mitentschieden. Verantwortliche von russischer Seite bestätigen offen, dass Beckenbauer Russland gut gesonnen war. Sport Inside informiert darüber, dass Beckenbauer ehrenwerter Botschafter der russischen Gas-Gesellschaft ist.

“Ehrenwerter Botschafter der russischen Gas-Gesellschaft” klingt fast so wie “gut bezahlter Vorstandsmitglied der russischen Gas-Gesellschaft”. Das akribisch recherchierende Sport Inside belässt es aber bei der nichtssagenden Andeutung und überlässt es der Phantasie der Zuschauer, sich Beckenbauers Millioneneinkünfte aus dieser Tätigkeit auszumalen. Der richtige Pfad wurde der Phantasie ja vorbereitet. Eine Standardtechnik, die man anwendet, wenn man nichts in der Hand hat, aber eine Beschuldigung geltend machen will. Kontext passend präsentieren und dann Andeutung geben, die der Zuschauer/Leser im gerade präsentierten Kontext nur in eine Richtung deuten kann, wenn er nicht höllisch aufpasst.

Heute wurde offiziell bestätigt, dass ein Bestechungsvertrag “eine Art Beruhigungsvertrag” mit Korruptionsweltmeister Jack Warner vereinbart war. Mit Beckenbauers Unterschrift darauf. Gut, Beckenbauer unterschreibt so viel Zeugs, der guckt bekanntlich gar nicht drauf und fragt nicht nach, was es ist. So wie er in den 70ern nie nachgefragt hat, was in den Pillen und Spritzen steckte, die ihm von den Ärzten verabreicht wurden. Höchstwahrscheinlich Vitamine. Ein Skandal, der von der Presse gekonnt unter den Teppich gekehrt wurde. Die Presse kann das, wenn sie will. Bezüglich der FIFA lautet der Auftrag aber, einen Skandal zu erzeugen. Also wird er erzeugt. Bleiben Sie dran an dem Thema, das wird noch richtig lustig.

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Hintergründe zu Syrien

Neulich war an verschiedenen Stellen in den Medien und aus Politikermund wieder die Mär vom Giftgaseinsatz durch Assad zu vernehmen.

Das ist längst widerlegt worden, vor allem auch dank der großartigen Arbeit von Seymour Hersh. Nun hat sich einer die Mühe gemacht und eine Zusammenfassung dieser Giftgas-Intrige in deutscher Sprache verfasst.

Eine Leseempfehlung. Die westlichen Massenmedien ignorieren diese Enthüllungen konsequent.

Da wo ich die Leseempfehlung gefunden habe, finden Sie viele weitere Hintergründe über Syrien, über die rechtswidrige deutsche Beteiligung und über die beschämende Arbeit unserer Medien. Wenn Sie sich durch die umfangreichen Kommentare durcharbeiten, bekommen Sie an vielen Stellen dargeboten, wie subtil die Medien ihnen in den Kopf scheißen.

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Syrien-Friedensgespräche aufgeschoben – wer profitiert?

Die von der UNO geleiteten Friedensgespräche für Syrien werden bis Ende Februar aufgeschoben.

Frage: Wer profitiert davon?

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