Ein Keil für Europa

Als die EU 2014 erste spürbare Sanktionen gegen Russland verhängte, kündigte Russland an, darauf angemessen zu antworten. In der Folge verhängte Russland Einfuhrverbote für… Südfrüchte aus der EU.

HÄ?!

Neueste Technologien zur Förderung von Öl vs. Früchte. Klingt das angemessen? Für mich nicht. Meine Interpretation war, dass Russlands Gegensanktionen eher symbolischen Charakter trugen, weil Russlands Strategie gegenüber der EU im Ukraine-Konflikt stark konfrontationsvermeidend war. Das Ziel Russlands war unverkennbar, die US-Pläne vom Eisernen Vorhang 2.0 zu durchkreuzen, wofür ein zwischenzeitlicher Rückzug in der Ukraine in Kauf genommen wurde. Schmerzhafte Gegensanktionen passen einfach nicht zu dieser Strategie. Also Früchte. Das reicht, um das Gesicht zu wahren und torpediert nicht die eigene Strategie.

Inzwischen ist klar, dass Russlands Gegensanktionen keinesfalls symbolisch sind. Sie sind weit weniger harmlos für die EU, als sie auf den ersten Blick erscheinen.

Spannungen innerhalb der EU existieren nicht erst seit dem Ukraine-Konflikt. Die große Finanzkrise, die 2008 begann und in der EU bis heute andauert, hat einen Riss in der EU erkennen lassen: zwischen Nord und Süd. Nord, das sind Deutschland, Skandinavien, Benelux, Großbritanien. Süd, das sind Spanien, Portugal, Italien, Griechenland.

Die Grenze ist plakativ. Nicht alle EU-Staaten lassen sich klar einer der Seiten zuordnen. Es gibt aber eine klare Tendenz. Dem Süden wurden bösartige Sparprogramme aufgezwungen. Dem Norden noch nicht. Und Deutschland als führender Teil des Nordens und der EU überhaupt hat eine führende Rolle bei der Verhängung dieser äußerst unbeliebten Sparmaßnahmen eingenommen.

Ob berechtigt oder nicht, in der EU gibt es eine Front. Der Norden ärgert sich über den Süden, der “über die Verhältnisse” gelebt hat. Der Süden ärgert sich über den Norden wegen des aufgezwungenen sozialen Kahlschlags.

Russlands Gegensanktionen treiben einen Keil zwischen die EU-Fronten. Früchte und Käse betreffen den Norden nicht. Den Süden aber. Und der ohnehin besonders stark gebeutelte Süden muss also die Kosten dafür tragen, dass der Norden die Sanktionen durchgesetzt hat. Der letzte Halbsatz ist wichtig. Die EU wollte als Ganzes keine Sanktionen gegen Russland einführen. Die USA zwangen sie dazu und die USA benutzten den Norden der EU als Hebel. Auf den Süden musste keiner besonders Acht geben, denn der hat in seiner Situation ohnehin nichts zu sagen und durfte einfach zähneknirschend zustimmen.

Der Süden, der die geringste Verantwortung für die Verhängung der Russland-Sanktionen hat, muss die unmittelbaren Folgen erdulden. Der Ärger des Südens ist sehr groß und die Verstimmung zwischen Nord und Süd ist dadurch stark gewachsen. DAS sind die wahren Kosten der russischen Gegensanktionen.

Und jetzt denken wir noch an South Stream. EU-Energieminister Oettinger, ausgerechnet ein Deutscher, hat die für den Süden der EU so wichtige Pipeline nicht unter Dach und Fach gebracht. Deutschland hat sich mit Nord Stream eine eigene Pipeline aus Russland gelegt. Der Süden ist weiterhin auf die Ukraine als Transitland angewiesen. Die Ukraine, die mit tatkräftiger Unterstützung von Deutschland destabilisiert wurde. Die Ukraine, die kein Transitland der Zukunft ist. Der Süden der EU wird spätestens in wenigen Jahren erneut viel bezahlen müssen für die Entscheidungen, die die EU nicht im Namen des Südens getroffen hat. Die Ukraine als Transitland zu ersetzen ist kein Kinderspiel und wird teuer werden.

Die Beendigung von South Stream war ein starker Hammerschlag auf den Keil, der mit den Obst-Sanktionen bereits zwischen Nord- und Süd-EU gestellt wurde. Russland wählt seine Antworten sehr bewusst so aus, dass sie dem Süden weh tun. Diplomaten der Südländer wenden sich daraufhin an Russland. Was bekommen sie zu hören? Ihr Seid doch EU, nicht wahr? Die EU hat uns schwere Sanktionen auferlegt, nicht wahr? Es ist nur gerecht, dass wir darauf antworten, nicht wahr? Und im Fall von South Stream habt ihr doch selbst darum gebettelt, dass wir dieses Projekt fallen lassen. Klärt doch mit eurem Energieminister, warum er uns Steine in den Weg legte, warum er nichts unternahm, um das Projekt zu retten, als die USA es töteten. Klärt das unter euch. Im Süden sammelt sich die Wut auf den Norden.

Damit lässt es Russland aber nicht bewenden. Es streckt den Südländern demonstrativ die Hand entgegen, bietet lukrative bilaterale Zusammenarbeit an. Die Botschaft: Wir wollen mit euch zusammenarbeiten, aber die zentralen EU-Entscheidungen gegen uns werden wir nicht akzeptieren. In der Folge werden die EU-Entscheidungen innerhalb der EU selbst immer unbeliebter. Russland beginnt, die Früchte seiner Diplomatie zu ernten.

Die neue griechische Regierung hat offen mit Russland kokettiert, um sich eine gute Verhandlungsposition gegen die EU aufzubauen. Die Botschaft war klar: Gebt uns mehr Luft zum Atmen oder wir lehnen uns an Russland an. Das Spiel ist aufgegangen. Die finale Übereinkunft der Eurogruppe deckt sich weitgehend mit dem, was die Griechen gefordert haben.

Spanien, Italien und Portugal schauen genau hin und werden nach dem Prinzip “was denen gewährt wurde, wollen wir auch” ihre devote Rolle in der EU auf den Prüfstand stellen. Die Zugeständnisse an Griechenland beruhigen nur für den Augenblick. Mittelfristig drohen sie die Disziplin in der EU zu zersetzen.

Innere Uneinigkeit macht schwach nach außen. So einfach ist das. Teile und Herrsche, diesmal von Russland angewandt.

Veröffentlicht in Analysen Getagged mit: , , ,

Demokratisierung der Ukraine schreitet voran

Die Ukraine hat russischen Journalisten die Akkreditierung entzogen.

Außerdem hat die Ukraine beschlossen, Fernseh- und Radiosender außerplanmäßig kontrollieren zu dürfen.

Der ukrainische Geheimdienst wurde auch schon beauftragt, ein paar Kanäle zu prüfen.

Unlängst wurde der Euromaidan-Journalist Kozaba festgenommen und zu 60 Tagen Haft verurteilt, weil er die Menschen aufgerufen hat, der Mobilisierung auszuweichen, solange kein Kriegszustand ausgerufen wurde. Ja ja, es kommen selbst die Euromaidaner schon unter die Räder.

Die Pressefreiheit erblüht in der Ukraine. Edward Lucas ist sicher stolz.

Veröffentlicht in Analysen Getagged mit: ,

Neue US-Pläne für die Ukraine

Die USA leiten einen taktischen Rückzug in der Ukraine ein. Zum Überblick: Das ist Plan C (nachdem A und B gescheitert sind) in seiner optimistischen Variante.

Anfang-Mitte 2014 reisten CIA-Offiziere in die Ukraine, um den Blitzkrieg zu leiten (Plan A). Die CIA wurde von der Armee abgelöst und nunmehr sind es Armee-Generäle, die sich um die Ukraine kümmern. General Ben Hodges, derzeit regelmäßiger Gast in Kiew, ist dafür verantwortlich, die ukrainische Armee nach westlichen Standards umzubauen. Danach soll die wiederbelebte ukrainische Armee wieder in den Angriff gegen Russland übergehen.

Der Umbau einer Armee braucht Zeit. Viel Zeit. Deswegen soll der Konflikt eingefroren werden. Deswegen will Poroschenko plötzlich Friedenstruppen im Donbass haben. Friedenstruppen würden verhindern, dass eine der beiden Seiten in der Ukraine weiteres Gebiet erobert. Das heißt vor allem, dass verhindert wird, dass LDVR (Lugansker und Donezker Volksrepubliken) über die derzeitige Frontlinie hinaus vorrücken können.

UN-Friedenstruppen kann es nur mit Zustimmung Russlands geben. EU-Friedenstruppen, die inzwischen auch ins Gespräch gebracht worden sind, sind noch unwahrscheinlicher, weil die EU keine eigenen autonomen Truppen hat, die dafür in Frage kommen. Alles, was aus der EU kommt, ist der NATO unterstellt und das wird Russland noch weniger dulden als UN-Truppen.

Der Plan eines kompletten Umbaus der ukrainischen Armee wird also dadurch bedroht, dass die Frontlinie zusammenbricht und die LDVR-Truppen einen Vormarsch in den Westen starten können.

Hogges wurde daher ein zweiter Mann zur Seite gestellt: General a.D. Wesley Clark. Clark hat für die Balkanisierung Yogoslawiens gesorgt. Er hat ein zusammenhängendes Staatsgebiet mustergültig in viele sich anfeindende Kleinstaaten zerschnitten. “Teile und herrsche” in Perfektion. Genau das soll er auch in der Ukraine machen, falls der optimistische Plan C scheitert und der prorussische Osten der Ukraine mit seiner Stimmung auf den Westen des Landes überzugreifen droht.

Es soll auf jeden Fall verhindert werden, dass Russland Einfluss auf die gesamte Ukraine bekommen kann. Die gesamte Ukraine zu verlieren ist für die USA viel tragischer als nur einen Teil davon zu verlieren. Als letzter Ausweg wird die Ukraine also geteilt werden und die USA werden jede neu gezogene Grenze aufs neue verteidigen.

Aber noch sind wir nicht so weit. Denn Russland spielt in diesem Konflikt von Beginn an auf Zeit. Durchaus denkbar also, dass Russland den USA die Verschnaufpause gewährt, weil es der russischen Strategie in diesem Konflikt nicht widerspricht. Wir werden sehen.

Veröffentlicht in Analysen Getagged mit: ,

China-Russland-Allianz am Beispiel Nordkorea

Ich erinnere noch einmal an die grundsätzliche Feststellung, dass Russland und China eine tiefe strategische Allianz eingegangen sind. Als Partner sind sie sowohl militärisch als auch wirtschaftlich weltweit auf höchstem Level. Beides ist zwingend notwendig, wenn man heute den USA trotzen will.

Am Beispiel Nicaragua kann die wirtschaftlich-militärische Allianz von Russland und China in Aktion sehen.

Schauen wir uns ein weiteres Beispiel an: Nordkorea.

Nordkorea ist das Land, von dem Sie so gut wie nichts wissen, außer dem Fakt, dass seine Herrscher sehr sehr böse sind und die Bevölkerung sehr sehr arm.

Im Fernen Osten ist Nordkorea ein Klotz am Bein. Die Feindschaft mit Südkorea sorgt für permanente Spannung in der Region, die auch auf die Nachbarstaaten übergreifen kann. Nordkorea ist nicht in das Wirtschaftssystem Asiens integriert und hat somit wirtschaftlich keinen Nutzen für die Region, weder als Produzent noch als Markt. Nordkorea strebt nach Atomwaffen. Das Streben ist ziemlich erfolglos, aber es gibt den USA einen Grund, ihre Flotte in der Nähe von Nordkorea kreisen zu lassen und die Nähe von Nordkorea ist auch die Nähe von Russland und China.

Wie auch immer es in Nordkorea aussehen mag, für alle direkten Nachbarn ist der Staat eine Belastung. Nur die USA können sich am Status quo erfreuen, denn Nordkorea belastet die Feinde der USA und gibt den USA einen Grund, das eigene Militär in der Nähe des Feindes zu halten. Lassen Sie sich von der offiziellen Rhetorik nicht blenden. Die militärische Schwäche Nordkoreas ist kein Geheimnis, überall auf der Welt reißt man Witze darum. Nordkorea ist eine ideale Feind-Attrappe: kaum Gefahrpotential, aber man kann die Attrappe nutzen, als ob das volle Potential da wäre und entsprechend darauf „reagieren“.

China und Russland haben sich einen hübschen Deal ausgedacht, der alle Probleme des Fernen Ostens mit Nordkorea auf einen Schlag löst. Hier sind die beiden wichtisten Komponenten:

  1. Russland garantiert militärischen Schutz einschließlich des Einsatzes von Atomwaffen. Im Gegenzug lässt Kim das Atomwaffenprogramm fallen.
  2. China übernimmt den wirtschaftlichen Aufbau des Landes. Dazu gehören große Infrastrukturprojekte und der politische Umbau Nordkoreas zu einem staatskapitalistischen System nach Chinas Vorbild.

Schauen wir uns an, wer wie davon profitiert oder auch nicht.

Nordkorea

Das eigene Atomwaffenprogramm wird nie ein Level erreichen, auf dem es Nordkorea möglich wäre, sich gegen die mächtigen Feinde zu verteidigen. Die Garantie, dass Russland das Land auch unter Einsatz von Atomwaffen vor den USA schützt, ist ungleich wertvoller.

Über die Vorteile eines gigantischen wirtschaftlichen Aufbaus des Landes (ähnlich wie in Deutschland im Zuge des Marshall Plans) muss nicht weiter diskutiert werden. Damit verbunden ist eine eche Integration in die Wirtschaft des Fernen Ostens.

Kims Bestreben, sein Land zu reformieren, was auch im Westen nicht unbemerkt bleibt, findet im Modell des staatlich gelenkten Kapitalismus sicher die beste Alternative aus Nordkoreas Sicht. Ein neoliberaler Kapitalismus westlicher Art ginge den Machthabern viel zu weit.

Einziger Nachteil ist, dass Nordkoreas Elite sich klar als Junior Partner einordnen muss. Auf mehr hoffen Sie auch nicht, aber das Gesicht müssen sie wahren können.

China, Russland, Südkorea

Alle asiatischen Nachbarstaaten profitieren auch. Der bockige Nachbarjunge, der mit Atom spielt und Onkel Sams Kriegsschiffe wie ein Magnet anzieht, ist endlich weg. China und Russland können die US-Militärpräsenz von der asiatischen Küste wegdrücken. Süd- und Nordkorea können endlich ihre Beziehungen verbessern. Für die gesamte Region entsteht ein neuer Markt, mit dem neue Wirtschaftsbeziehungen geknüpft werden können.

USA

Die USA sind die einzigen, die nicht profitieren. Ihre nützliche Attrappe ist weg und die Feinde erfreuen sich auch noch am gemeinsamen Wirtschaften. Nur die USA selbst blieben bei den neuen Wirtschaftsbeziehungen außen vor.

Soweit die Pläne und die Aussichten. Russland und China wollen Nordkorea befrieden und integrieren, weil es zum Vorteil des gesamten Fernen Ostens ist, die USA sind damit nicht einverstanden, weil sie nur Nachteile davon haben.

Wie werden die Pläne realisiert?

2014 haben sich Russland und China auf die oben beschriebene Aufgabenteilung geeinigt. Nordkorea wurde der Vorschlag unterbreitet. Nordkoreanische Diplomaten pendelten im Jahr 2014 mehrmals nach Moskau. Im Mai diesen Jahres reist Kim persönlich nach Moskau, auf Putins Einladung. Russland versucht, Nordkorea den Deal zusätzlich schmackhaft zu machen, indem es Nordkoreas Partnerschaft im Atomwaffenprogramm durchbricht: Pakistan. Pakistan ist das Land, das Nordkorea bei der Entwicklung der Atomwaffen unterstützt. 2014 wurden russische Waffenlieferungen an Pakistan vereinbart, außerdem eine engere Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus und engere Wirtschaftsbeziehungen. Eine eingeschränkte oder komplett eingestellte Atompartnerschaft Pakistans mit Nordkorea ist höchstwahrscheinlich Teil dieser Deals.

All das bleibt den USA nicht verborgen. Ende 2014 verschärften sie den Ton gegenüber Nordkorea und verhängten Saktionen. Der Anlass dafür war der Sony-Hack, hinter dem angeblich Nordkorea steckt. Überzeugende Beweise wurden nicht präsentiert. Auch in den USA selbst waren sich die Computer-Sicherheitsexperten einig, dass der Sony-Hack nicht von Nordkorea durchgeführt wurde. Nun gut, mehr konnten die US-Geheimdienste auf die Schnelle nicht konstruieren. Sei’s drum, der Anlass ist beliebig, auf seine Nutzung kommt es an.

Die Anfeindungen und Sanktionen der USA machen es Kim nicht einfacher, sein Atomwaffenprogramm aufzugeben. Es ist ein Symbol der Stärke, gerichtet vor allem nach innen (im Ausland macht man sich keine Illusionen). Dieses Symbol soll Kim ausgerechnet während neuer US-Sanktionen gegen sein Land aufgeben?

Mit der Verurteilung Nordkoreas können die USA eine größere Militärpräsenz in der Nähe von Russland und China legitimieren. Sie werden wohl auch den ein oder anderen treuen Vassal mobilisieren können, etwa Japan, um das Vorhaben von China und Russland zu vereiteln.

Diese Geschichte hat gerade erst begonnen. Wir werden sehen, wie sie endet. Aber schon jetzt sehen wir einen weiteren gemeinsamen Auftritt von Russland und China auf der Weltbühne. Sie haben eine klare Aufgabenteilung. Sie sind dabei, eine neue Weltordnung zu schaffen.

Veröffentlicht in Analysen Getagged mit: , ,

Zum Verständnis von Pressefreiheit

Edward Lucas ist leitender Redakteur beim britischen “The Economist”. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz hat er an einer Podiumsdiskussion teilgenommen. Ein bedeutender Journalist auf großer internationaler Bühne. Hören wir uns an, was er zu sagen hatte:

We see very clearly what happened in the case of Crimea where Russia won the war in Crimea without really having to fire a shot. They had so corroded and confused the decision-making capabilities of Ukraine that even though the Ukrainians had thousands of troops, lots of ammunition, lots of weapons, they had bases in Crimea, but those soldiers were left leaderless and confused and didn’t know what to do. And Crimea fell almost without a shot.

Russland gewann die Krim ohne einen Schuss, obwohl tausende ukrainische Truppen auf der Halbinsel stationiert waren. Lucas ist nicht etwa der Meinung, dass das toll sei, dass der Krim ein blutiger Bürgerkrieg wie dem Donbass erspart geblieben ist. Nein, er ist enttäuscht, dass die ukrainischen Soldaten nichts unternommen haben. Und die Schuld daran hat Lucas’ Meinung nach der russische Fernsehsender RT, dessen grausame Propaganda die Gehirne der armen Ukrainer so gewaschen hat, dass sie gar nicht bemerkten, was ihnen geschah.

Hören wir zu, was Lucas noch spannendes zu berichten weiss:

We see the use of nuclear bluff increasing in Russia energetically modernizing its tactical nuclear weapons just at the time when the West has been withdrawing its tactical arsenal in the pursuit of global Nuclear Zero.

Lucas empört sich, dass Russland sein Atomwaffenarsenal modernisiert, während der Westen sein Atomwaffenarsenal abbaut. Lucas ist entweder ein Lügner oder er ist unqualifiziert für seinen Job als hochrangiger politischer Journalist. Es kann ihm kaum entgangen sein, dass die USA ihr Atomwaffenarsenal für eine Billion Dollar (!) erneuert. Im Jahr 2014 haben sowohl Russland als auch die USA jeweils eine kostspielige Erneuerung ihrer taktischer Atomwaffen bekannt gegeben.

Nach dieser ersten Kostprobe journalistischer Standards geht es munter weiter mit spannenden Aussagen:

Why do people watch RT so avidly? Because they think that the mainstream media isn’t telling them the truth and they are fed up with the political elite in our countries and the economic growth or lack of it, which they are delivering.

Warum gucken die Menschen so begierig RT? Weil sie denken, dass die Mainstream-Medien ihnen nicht die Wahrheit sagen und weil sie deprimiert sind von den politischen Eliten des Westens.

Problem erkannt. Welche Lösung schwebt Lucas vor? Sollten die Mainstream-Medien vielleicht wahrheitsgetreu berichten, um das Vertrauen der Zuschauer zurück zu gewinnen?

If RT puts on people – and it does put on people who are Holocaust deniers, who think that 9/11 was an inside job, who believe that [the] Pope is a lizard – I’m not joking, this is true – we should be able to humiliate those channels and those people and the people who put them on, and the producers who put them on and push them out into the media fringes so they are no longer treated as real journalists and real programs but as cranks and propagandists.

RT zieht die Leute an. So weit waren wir schon. Aber jetzt unterstellt Lucas, dass RT-Zuschauer Verrückte sind, Holocaustleugner, Verschwörungstheoretiker. Ah ja. Implizit versteckt sich hier der erste Lösungsansatz: die Zuschauer pauschal zu diskreditieren. Vielleicht hören sie ja auf, einen Sender zu schauen, der sie überzeugt, wenn man ihnen nur einredet, dass sie sich damit als Verrückte outen?

Aber es wird noch besser. Lucas sagt explizit, dass “wir” RT und diese Menschen (die Zuschauer? die Reporter?) und die Produzenten demütigen sollen, sie alle an den medialen Rand drängen sollen, so dass sie nicht länger als Journalisten behandelt werden, sondern als Spinner und Propagandisten.

Lucas ist in Fahrt gekommen und legt nach:

I think we could do a bit more of ostracism. I’m quite happy to say that if anyone puts a CV on my desk, and on that CV I see they worked at RT or Sputnik or one of these things, that CV is going into the bin and not into the intro. (…) Far too many people see a job at RT as the first stage on a career ladder. It’s not. It’s the last stage on a career ladder.

Er meint, “wir” können mehr Ausgrenzung betreiben. Er ist froh zu sagen, dass wenn ein Lebenslauf bei ihm auf den Tisch kommt, und da steht drin, dass der Bewerber bei RT oder Sputnik gearbeitet hat, dass diese Bewerbung direkt in den Papierkorb wandert. Viel zu viele Menschen denken, RT ist der erste Schritt der Karriereleiter. Nein, es ist der letzte Schritt der Karriereleiter. Zumindest wenn man sich bei Herrn Lucas bewirbt.

Und der krönende Schluss:

And only then would I start looking at regulatory things — and there are things we can do on a regulatory side. We have a regulated media space. In my own country, Ofcom is complaining to RT about its lack of balance. So, there are things we can do but I think those things are the last resort, not the first resort.

Als letzten Ausweg sieht Lucas regulatorische Eingriffe. Es gäbe durchaus Mittel, sagt er. Wir haben einen regulierten Medienraum. Die britische Medienaufsichtbehörde reklamiert bereits die Unausgewogenheit von RT. Es gäbe Möglichkeiten als letzten Ausweg.

Herrlich. Ein leitender Redakteur der freien westlichen Presse verlangt nach Zensur, wenn die Menschen weiter RT gut finden.

Sehr viele ehrliche Worte. Danke dafür, Mr Lucas.

Das Transcript, aus dem ich zitiert habe, findet sich hier.

Veröffentlicht in Analysen Getagged mit:

Ukraine Teil von Russland?

Wenn es nach CNN geht, ist die Ukraine bereits komplett Teil von Russland geworden:

In der Redaktion waren offenbar Horrorfans am Werk.

Veröffentlicht in Analysen Getagged mit:

Hehre Ideale und schlüssige Argumente

Spiegel Online schreibt heute:

Die griechische Regierung mag hehre Ideale und schlüssige Argumente auf ihrer Seite haben. Dennoch ist ihre Verhandlungstaktik in Sachen Hilfsprogramm falsch.

Die beiden Sätze enthalten zwei Informationen:

  • Griechenland hat hehre Ideale und schlüssige Argumente.
  • Der Autor sagt uns, dass hehre Ideale und schlüssige Argumente nicht die Basis einer Verhandlungstaktik sein sollten.
Veröffentlicht in Analysen Getagged mit:

China-Russland-Allianz am Beispiel Nicaragua

Sie haben vielleicht mitbekommen, dass in Nicaragua vor kurzem mit dem Bau eines neues Kanals begonnen wurde, der den Atlantischen mit dem Pazifischen Ozean verbinden soll. Deutsche Medien haben berichtet (ard, zdf, faz).

Die beiden Ozeane werden bereits vom Panama-Kanal verbunden. Der Panama-Kanal wird derzeit erweitert und kann danach größere Kontainer durchlassen. Die größten Tanker passen aber auch nach der Erweiterung nicht durch. Außerdem ist der Panama-Kanal hoffnungslos überlastet.

Es gibt also gute wirtschaftliche Gründe für den Bau eines zweiten Kanals. Er wird auch die größten Tanker durchlassen können und bei zwei Kanälen können mehr Schiffe durchgeschleust werden. Es müssen weniger Schiffe warten oder auf den teuren und gefährlichen Umweg um Kap Hoorn herum ausweichen.

Im faz-Artikel findet sich eine winzige Andeutung auf die politische Dimension des Nicaragua-Kanals:

Westliche Diplomaten in Managua stellen mit Erstaunen fest, dass die Vereinigten Staaten die geostrategische Provokation Chinas, sich als Kanalbauer und Schleusenwärter für die nächsten hundert Jahre in deren „Hinterhof“ einzunisten, bisher wort- und tatenlos hingenommen haben.

Schauen wir genauer hin.

Nicaragua will den Kanal, China baut ihn und… Russland bietet militärischen Schutz während des Baus und womöglich auch später im Betrieb. Anfang Januar unterzeichnete Nicaragua ein Abkommen, welches der Russischen Flotte den Aufenthalt in Nicaraguas Gewässern erlaubt. Russland ist auch verantwortlich dafür, die notwendige militärische Infrastruktur aufzubauen. Russland kooperiert weiterhin mit Nicaraguas behörden bezüglich der Verhinderung farbiger Revolutionen.

Die USA üben durch ihre Botschafter bereits Druck aus und lassen erkennen, wohin die Reise gehen wird. Nicaragua solle sich bitte zur Finanzierung des Projekts und zu den ökologischen Folgen äußern.

Ach ja, eine ökologische Dimension hat dieses Projekt auch noch. Fraglos wird der Bau des Kanals massiv in die Ökosysteme eingreifen und sie verändern. Ein Alptraum für Umweltschützer.

Erlauben Sie mir eine Prognose: Die ehrliche Umweltschutzbewegung in Nicaragua wird von der CIA und anderen Geheimdiensten massiv unterwandert werden. Eine ganze Armee von CIA-Ökologen wird die Umweltschützer infiltrieren, sich an ihre Spitze setzen, die Bewegung radikalisieren und die Unruhen um diese Bewegung herum aufschaukeln bis zum Sturz der Regierung. Wenn das alles nicht reicht, gibt es auch noch die Special Forces, die Krieg ohne Kriegserklärung führen und den Bau des Kanals militärisch torpedieren können.

So sieht jedenfalls der Plan aus und alle Beteiligten wissen das. Deswegen ist die Russische Flotte von Anfang an unbedingter Bestandteil des Projekts. Deswegen gibt es darüber hinaus geheimdienstliche Kooperation zwischen Russland und Nicaragua zur Verhinderung eines Regierungssturzes. Das Projekt-Bündnis Nicaragua-China-Russland bereitet sich gründlich vor. Der Kanalbau wird auf höchsten Regierungsebenen koordiniert. Im Gegensatz zu deutschen Reportern gehen die drei Länder offenbar nicht davon aus, dass die USA tatenlos bleiben. Wundern Sie sich nicht, wenn von der Baustelle „bombastische“ Nachrichten eintreffen werden. Zündstoff ist reichlich vorhanden.

Mit dem Nicaragua-Kanal haben wir ein erstes Beispiel für die Aktivität der Russisch-Chinesischen-Allianz. Russland hat das Militär, China hat die Wirtschaftsleistung. Gemeinsam treten sie der USA auf höchster geopolitischer Ebene entgegen.

Veröffentlicht in Analysen Getagged mit: ,

Gas-Schach

Erdöl lässt sich bequem in Fässer füllen und per Schiff transportieren. Damit kann Öl kostengünstig zwischen verschiedenen Kontinenten ausgetauscht werden.

Gas lässt sich nicht so einfach in Fässer füllen. Es ist technisch möglich und wird auch gemacht, aber dadurch wird Gas sehr teuer. Zu teuer im Vergleich zum Gas, der durch Pipelines gepumpt wird. Damit ist ein wirtschaftlicher Handel mit Gas nur auf Landwegen möglich, von kurzen Seepipelines mal abgesehen. Wirtschaftlich unmöglich ist beispielsweise eine Gaspipeline von Nordamerika nach Europa. Das ist ein großes Problem der US-Fracking-Industrie. Ihr Gas können sie nicht außerhalb des Kontinents exportieren.

Die große Weltbühne des Gas-Schachs ist die eurasische Landmasse. Auf ihr konzentrieren sich sowohl die weltgrößten Gasvorkommen (in Russland und im Nahen Osten) als auch die Mehrheit der Gasabnehmer, von denen die EU und China zu den wichtigsten gehören.

Von Russland führen Gaspipelines in die EU auf drei großen Wegen (Grafik im Link): Weissrussland, Ukraine, Nord Stream.

Mehr als 50% des Gastransfers von Russland in die EU verläuft in normalen Zeiten durch die Ukraine. Die Transitleitungen in Weissrussland und Nord Stream sind zwar nicht ausgelastet, könnten die ukrainischen Transitkapazitäten aber nicht kompensieren. Somit ist die Ukraine als Transitland derzeit nicht ersetzbar.

Hinsichtlich des Gases hat die Ukraine noch eine weitere Bedeutung. Das Land verfügt über riesige Gaslagerstätten, die als Puffer notwendig sind. Gas fließt aus einem Bohrloch sowohl im Sommer als auch im Winter mit konstanter Menge. Der Verbrauch dagegen ist im Winter viel höher als im Sommer. Es werden so viele Bohrlöcher wie notwendig gebohrt, um den Jahresbedarf an Gas zu decken. Einer Überschussproduktion im Sommer steht eine entsprechende Unterversorgung im Winter gegenüber. Ausgeglichen wird das über alte, leergepumpte Gasfelder, die als Zwischenspeicher benutzt werden. Die Ukraine verfügt über genau solche Zwischenspeicher, die auf anderen Transitwegen von Russland in die EU fehlen. Das steigert die Bedeutung der Ukraine als Transitland zusätzlich.

Da die Ukraine auch sonst von großem geopolitischem Interesse für die USA ist, will Russland schon seit langem Ukraines Bedeutung als Transitland reduzieren. Deswegen gibt es Nord Stream. Deswegen sollte es South Stream geben, eine Pipeline von Russland nach Bulgarien (und weiter nach Südeuropa) unter Umgehung der Ukraine.

Die USA sehen solche Diversifizierungsprozesse nicht gern, denn es erschwert ihnen die Kontrolle des Gashandels zwischen Russland und EU. Wenn es eine gigantische Transitleitung wie in der Ukraine gibt, muss man nur diese eine besetzen und hat schon den EU-Russland-Handel mit Gas im Griff.

Die USA haben im Zuge des Ukraine-Konflikts den Sohn von US-Vizepräsident Biden in Ukraines größtes Gasunternehmen geschmuggelt, direkt ins Direktorium. Außerdem ist die neue ukrainische Regierung dabei, die Kontrolle über die Transitleitungen an US-Investoren zu verkaufen.

1:0 für die USA also im Kampf gegen Russland (und die EU). Außerdem haben die USA South Stream erfolgreich sabotiert. Höhepunkt dieser Bemühungen: McCain ist in Begleitung weiterer Senatoren persönlich nach Bulgarien gereist und Tage später hat Bulgarien sich bei South Stream quer gestellt. Die EU hat in diesem Spiel mal wieder ihr diplomatisches Unvermögen unter Beweis gestellt und übte auch größtmöglichen Druck auf Gasprom aus, bis Russland sich entschied, South Stream fallen zu lassen.

2:0 für die USA im Kampf gegen Russland (und die EU)?

Es gibt ein großes ABER. Russland hat aus South Stream den Türkei-Stream gemacht (eine Erweiterung des Blue Stream). Exakt die Kapazität von South Stream wird in die Türkei und bis zur griechischen Grenze realisiert. Dort kann sich die EU das Gas abholen und durch eigene (nicht mehr von Gasprom gebaute und betriebene) Pipelines von Griechenland weiter durch die EU verteilen.

Außerdem enden die Verträge der Ukraine als Transitland 2019 und Russland hat angekündigt, diese Verträge nicht zu verlängern. Das ist logisch aus russischer Sicht. Die Bedeutung der Ukraine wird dadurch reduziert, das Vergnügen der USA, ein bedeutendes Transitland zwischen Russland und EU zu kontrollieren, währt nur wenige Jahre.

Noch ein Punkt ist zu bedenken. Russland hat 2014 gewaltige Gas-Verträge mit China abgeschlossen (eins, zwei). Der Transit kann in wenigen Jahren beginnen.

Fällt Ihnen etwas auf?

Ein paar Jahre noch fließen große Mengen russischen Gases durch die Ukraine in die EU. Dann wird dieser Hahn zugedreht. Russland entstehen dadurch keine Nachteile, denn zum gleichen Zeitpunkt kann die große Menge Gas, die durch die Ukraine in die EU geflossen wäre, in die frisch eingeweihten Transitleitungen nach China umgeleitet werden. Kein Handelseinbruch für Russland also. Wenn die EU bis dahin Pipelines nach Griechenland gezogen hat, kann Russland seine Gasexporte sogar enorm steigern. Russlands Position im Gas-Schach ist hervorragend. Die Exporte werden auf jeden Fall nicht weniger, vielleicht mehr. Außerdem hat Russland mit dem Türkei-Stream die Türkei aus der Einflusssphäre des Westens entfernt. Das allein ist sehr bedeutend, denn die Türkei ist die NATO-Speerspitze an Russlands Südflanke.

China gewinnt deutlich. Derzeit muss China viel Flüssiggas importieren. Das ist a) teuer und b) verwundbar, weil es auf Meeren verschifft wird, die von den USA kontrolliert werden. Gastransit aus Russland ist eine Verbesserung beider Punkte.

Für die USA ist es bestenfalls ein Nullsummenspiel. Sie haben einen Keil zwischen EU und Russland getrieben, was gut für sie ist. Sie haben damit aber auch eine weitere strategische Annäherung zwischen Russland und China befördert, was sehr schlecht für die USA ist.

Am schlechtesten geht die EU aus der derzeitigen Partie hervor. Sie glaubte sich als Global Player und übte starken Druck auf Russland aus. Russland hat reagiert, indem es sich einfach einen vollwertigen Ersatz für den EU-Markt geschaffen hat. Jetzt hat die EU keine Druckmittel mehr und muss sich mit dem Bau neuer Pipelinenetze beeilen, um die Reste des künftigen Festmahls zu bekommen. Selbst wenn Türkei-Stream voll in die EU exportiert, wird es nicht reichen, denn die Pufferspeicher der Ukraine sind damit nicht ersetzt und die EU wird im Winter teures Flüssiggas importieren müssen.

So weit die nördliche Seite des eurasischen Gas-Schachbretts. Einen wichtigen Posten gibt es noch im Süden, im Nahen Osten. Auf der arabischen Halbinsel befinden sich weitere massive Gaslagerstätten.

Der Wunsch der USA ist es, eine Gaspipeline von Saudi-Arabien in die EU zu ziehen. Deswegen wurde South Stream so konsequent sabotiert. Saudi-Arabien ist ein US-Vasall, der Gashandel der EU mit Saudi-Arabien wäre also unter der Kontrolle der USA. Die Gas-Trümpfe, die Russland im politischen Spiel mit der EU in der Hand hält, hätte die USA gern selbst in der Hand.

Der Plan der USA, South Stream durch Saudi-Arabien-Stream zu ersetzen, hat ein Problem: Syrien. Syrien liegt genau auf dem Weg der potentiellen Pipeline. Syrien steht aber nicht unter US-Kontrolle und ist politisch eng mit Russland verbunden. Sie ahnen vielleicht, warum Syrien in den letzten Jahren bluten musste.

Inzwischen ist klar, dass Assad nicht zu stürzen ist. Saudi-Arabien-Stream bleibt damit in weiter Ferne. Noch ärgerlicher für die USA ist, dass Russland die Türkei ins Boot holen konnte und die sabotierte South-Stream durch Türkei-Stream ersetzt hat. Eine akute Notwendigkeit für die Ersatzpipeline aus Saudi-Arabien entfällt damit und es wird den USA schwer fallen, die EU für dieses Wunschprojekt der USA zu mobilisieren. Türkei-Stream ist für die EU schlechter als South-Stream, allerdings besser als Saudi-Arabien-Stream. Und Syrien steht auch noch im Weg.

Bleibt noch ein Eckchen zu erwähnen. Die ehemaligen Sowjetrepubliken rund um das kaspische Meer und Iran, die eine Menge Gas aus dem Kaspischen Meer und der Region fördern. Die Nabucco-Pipeline, inzwischen ein geschlossenes Projekt, sollte ebenfalls eine Alternative zu South Stream bieten. Dieses Feld haben Russland und China besetzt, indem sie langfristige Kaufverträge mit den Förderländern rund um das Kaspische Meer abgeschlossen haben und praktisch deren gesamte Förderleistung für die kommenden Jahrzehnte schon aufgekauft haben, so dass für andere Interessenten nicht mehr viel zu holen ist.

Zusammenfassung und Fazit:

Gashandel ist nur auf der Landmasse wirtschaftlich, auf der es gefördert wird. Auf der eurasischen Landmasse gibt es große Gasvorkommen in Russland, dem Nahen Osten und den ehemaligen Sowjetrepubliken rund um das kaspische Meer. Ziel der USA war es, die EU vom russischen Gas zu trennen und die beiden anderen Förderregionen als Ersatz zu implementieren. Dadurch erklären sich deren Schachzüge der letzten fünfzehn Jahre:

  • Sabotage von South Stream
  • Kontrolle der Ukraine
  • Nabucco-Pipeline
  • Saudi-Arabien-EU-Pipeline

Russland hat die Pläne der USA durchkreuzt und sich zusätzlich eine Alternative für die bockige EU geschaffen.

Die EU hat keine eigenen Interessen erkennen lassen und ist gefügig den US-Interessen nachgegangen (Förderung von Nabucco, Sabotage von South Stream, allerlei Erschwernisse für Gasprom). Dafür stehen wir Europäer jetzt besonders dumm da, denn unsere günstige Energieversorgung ist jetzt mit einem großen Fragezeichen versehen und um das Fragezeichen auszuradieren, können wir nicht auf Augenhöhe verhandeln, sondern müssen auf Knien vorkriechen.

Außerdem wird der innere Druck in der EU weiter steigen. Deutschland hat sich in der insgesamt schlechten Lage eine gute Position gesichert, indem North Stream eine Direktzulieferung von russischem Gas erlaubt. Der ganze Süden Europas dagegen war auf South Stream eingestellt und darf jetzt zusehen, wie seine Gasversorgung bedroht ist. Das wird die ohnehin angespannte Beziehung zwischen Deutschland und Südeuropa nicht gerade verbessern.

Veröffentlicht in Analysen Getagged mit: , , , , , ,

Die Russland-China-Allianz

In den großen geopolitischen Plänen der USA wurde China die Rolle einer billigen Weltfabrik angeboten. China hat diese Rolle angenommen, hat damit ihre Wirtschaft zur Nr. 1 der Welt ausgebaut und bedroht nunmehr die Vormachtstellung der USA.

Russland bekam nach dem Zerfall der Sowjetunion die Rolle des Ressourcenlieferanten zugeteilt. Es sollte nicht mehr selbst produzieren, sondern die Rohstoffe ins Ausland liefern und aus dem Ausland die fertigen Produkte einkaufen. Russland war nach dem Zerfall der Sowjetunion auf dem besten Weg, in diese Rolle hineinzuwachsen. Die Industrieleistung schrumpfte innerhalb weniger Jahre um die Hälfte (!), verglichen mit Russlands Industrieleistung zum Ende der Sowjetunion. Es fand also ein Deindustrialisierungsprozess statt. Gewissen russischen Eliten wurde das zu heikel, Putin wurde Präsident und der Trend wurde umgekehrt. Inzwischen hat Russland wieder gut 90% der Industrieleistung des Jahres 1991 erreicht.

Was Russland nicht verlor in den heißen 90ern, war die militärische Leistungsfähigkeit. Im Westen kursieren noch heute Stimmen, dass Russlands Militär aus rostigem, nicht verwendbarem Sondermüll besteht. Russland hat in letzter Zeit einige außerordentliche Militärübungen und Raketentests veranstlatet, um die Kollegen der NATO über die Leistungsfähigkeit des eigenen Militärs zu informieren. Die Presse hat nicht alle diese Hinweise beleuchtet, aber die Leute, auf die es ankommt, haben es mitbekommen.

Die Situation stellt sich folgendermaßen dar:

Russland hat ein Militär, das dem der USA mindestens ebenbürtig ist. Kriege werden aber nicht mit Militär allein gewonnen, sondern mit der Wirtschaftsleistung, die sich hinter dem Militär versammeln lässt. Und in Sachen Wirtschaftsleistung kann Russland nicht mit den USA mithalten. Überhaupt nicht. Es berappelt sich noch nach dem Schock der 90er.

China hat inzwischen eine Wirtschaft, die stärker ist als die der USA. China fehlt es jedoch an einem ebenbürtigen Militär. Sie holen selbstverständlich auf, aber im Moment ist die Differenz zu den USA noch sehr groß.

Eine enge Allianz von China und Russland bringt einen geopolitischen Akteur auf die Bühne, der sowohl ein gleichwertiges Militär als auch eine gleichwertige Wirtschaftsleistung im Vergleich mit den USA aufweisen kann. Deswegen ist eine enge strategische Allianz von Russland und China der größte Alptraum der US-Geostrategen. Deswegen haben die USA stets das natürliche Misstrauen zwischen Russland und China geschürt, um nach dem Prinzip „divide and conquer“ (teile und herrsche) die beiden Nationen gegeneinander aufzustellen. Solange China und Russland gegeneinander agieren, können die USA beide dominieren.

Das Vorhaben der USA ist missglückt. Russische und chinesische Eliten haben sich für eine strategische Allianz entschieden. 2014 wurde dieser Prozess enorm beschleunigt. Begünstigt wurde diese Beschleunigung durch… ungeschickte US-Außenpolitik. Hoher Druck der USA auf beide Seiten hat Russland und China viel schneller zusammenrücken lassen, als es ohne äußere Einwirkungen geschehen wäre. Die Russisch-Chinesische Allianz ist vollendet und tritt bereits auf der großen Weltbühne auf. Beispiele werde ich in naher Zukunft beschreiben.

Veröffentlicht in Analysen Getagged mit: , ,