Professionelle Meinungsformung

Mit freundlicher Erlaubnis zitiere ich einen Freund:

Mal ganz allgemein: Wenn alle anderen sagen “Es ist so” und man alleine der festen Überzeugung ist “Ist nicht so” dann sollte man als erstes mal seinen eigenen Standpunkt hinterfragen und Fakten checken bevor man wehement versucht alle anderen zu überzeugen

Das ist eine sehr schöne Aussage. Daran lässt sich anknüpfen.

Anfang der 50er Jahre wurden in den USA sozialpsychologische Experimente durchgeführt (Video), bei denen sich herausgestellt hat, dass Menschen offensichtlich falsche Tatsachen behaupten, wenn sie in einer Gruppe sind und die Gruppe geschlossen die falsche Meinung vertritt.

Schauen Sie auf dieses Bild:

Welche der drei Linien rechts ist genauso lang wie die Linie auf der linken Seite? Das Bild ist absichtlich so konstruiert, dass man fast unmöglich einen Fehler machen kann. Unter normalen Bedingungen machen die Menschen auch keinen Fehler bei dieser Frage. Antwort C ist richtig. Wenn jedoch drei Personen nacheinander die gleiche falsche Antwort geben, dann neigt die vierte Person mit überraschend hoher Wahrscheinlichkeit von über 30% auch dazu, die falsche Antwort anzugeben.

Beachten Sie, dass es sich dabei nicht um zweideutige Fragen mit Interpretationsspielraum handelt. Die Menschen nehmen eine falsche Meinung selbst bei objektiv leicht erkennbarer Falschheit ein, wenn es die Gruppe geschlossen tut. Sie fühlen sich schlecht dabei und tun es trotzdem. Je mehr sich die Frage der objektiven Überprüfbarkeit entzieht, desto problemloser nimmt ein Mensch die Gruppenmeinung an und desto größer ist der Prozentsatz derer, die sich der falschen Meinung anschließen.

In der Sowjetunion wurden diese Befunde repliziert. Beide Weltmächte verfügten somit aus erster Hand über dieses Wissen.

Die Experimente belegen, dass Menschen dazu verleitet werden können, sich offensichtlich falsche Meinungen zueigen zu machen. Stellen Sie sich das Interesse der Geheimdienste und der Politik vor. Die Experimente wurden vorangetrieben, die Rahmenbedingungen wurden untersucht, Methoden der praktischen Anwendung wurden erarbeitet und flossen in die Ausbildung politischer und geheimdienstlicher Kader ein. Auf beiden Seiten des Ozeans.

Seit den ersten Experimenten sind viele Jahrzehnte vergangen. Die zielgerichtete Formung der öffentlichen Meinung wurde stetig verbessert. Schauen wir uns ein aktuelles Anwendungsbeispiel an: die Ukraine-Krise.

US-Investor George Soros hat eine PR-Firma angestellt, die in Gestalt des Ukrainian Crisis Media Centers seit den „friedlichen Demonstrationen“ 2013/2014 die Ukraine-Krise medial begleitet. Das UCMC stellt den Medien Interviews, Texte, Bilder und Videomaterial in großen Mengen zur Verfügung. Im Auftrag eines US-Investors, der sich mit der CIA auf regime change spezialisiert hat. Und alle Medien der westlichen Welt, die zufällig im gleichen Hotel ansässig waren, wie das UCMC, haben sich bequem bedient. Als es aufgeflogen war, haben sie es nicht abgestritten. Nein, sie haben sich damit verteidigt, dass es ALLE großen und wichtigen Medien der (westlichen) Welt so machen.

So passierte es, dass die westliche Presse eine absolut einheitliche und erlogene Berichterstattung über die Vorgänge in der Ukraine und drum herum ablieferte. Womit die Bedingung erfüllt ist, dass Sie das glauben, selbst wenn sie spüren, dass es faul ist.

Aber warum sollten Sie überhaupt spüren, dass es faul ist? Das Meinungsbild wird schließlich nicht von irgendwem verbreitet, sondern von den renommierten Medien. Das sind Experten, die sich berufsmäßig besonders gut auskennen müssen. Ihr Vertrauen in die großen Medien macht es den Meinungslenkern noch einfacher, Sie zu lenken. Die großen Medien in Deutschland sind  Bild, ARD, ZDF, Spiegel, FAZ, Süddeutsche, Zeit. Sie bestimmen den Ton und sie waren alle im Soros-Boot. Die anderen haben eine so kleine Reichweite, dass sie gesamtgesellschaftlich kein Gehör finden, wenn sie nicht von mindestens einem der Großen unterstützt werden.

Es gibt aber ein Problem für die Meinungslenker. Schon die frühen Experimente haben gezeigt, dass die Menschen sich nur dann eine falsche Meinung aufschwatzen lassen, wenn die Gruppe die falsche Meinung geschlossen vertritt. Ein einziger Ausreißer in einer großen Gruppe, der es wagt, die richtige Meinung zu äußern, zerstört die Wirkung des Experiments weitgehend. Will man die Menschen an eine Lüge glauben lassen, muss die Medienfront wirklich geschlossen sein.

Finden wir Lücken in der Medienfront? Ja. Zum einen sind das kleine Medien, die den Lügen der Großen entgegentreten. Es gibt sie auch in Deutschland. Die Reichweite der kleinen Medien ist aber so gering, dass sie gesamtgesellschaftlich keine Relevanz besitzen. Noch nicht besitzen. Man darf sie nicht wachsen lassen.

Zum anderen sind es größere Medien aus dem nicht-westlichen Ausland, Paradebeispiel: RT. Deren Reichweite ist bei uns im Land zwar auch vergleichsweise gering, aber sie ist dennoch bedrohlich groß, um genügend Deutschen die Rückversicherung zu geben, dass sie nicht allein sind mit ihren Zweifeln an der offiziellen Berichterstattung.

Als Meinungslenker haben Sie zwei Möglichkeiten, gegen dieses Problem anzugehen.

1. Sie schränken die Reichweite der Medien ein, die ihre Interpretation bedrohen. Bei den Kleinen können Sie das ungeniert machen und es wird in der Praxis tatsächlich so gehandhabt. Zahlreiche kritische Blogs, deren Reichweite über totale Bedeutungslosigkeit hinaus gestiegen war, wurden Opfer verschiedenster Angriffe. Je nach Land und Situation werden die Blogs gehackt, die Autoren juristisch unter Druck gesetzt, die Server von Geheimdiensten beschlagnahmt, die Blogs von den technischen Betreibern gesperrt usw. Der Saker-Blog beispielsweise wurde derart heftig mit einer Vielzahl von Methoden attackiert, dass der Autor des Blogs dem Burnout und dem finanziellen Ruin nahe war und monatelang verzweifelt kämpfen musste, um den Blogbetrieb zu retten.

Große Sender kann man mit der Methode der brutalen Beseitigung nur beschränkt angehen, aber selbst diese Möglichkeit ist offen im Gespräch.

2. Sie denunzieren die alternativen Medien als nicht vertrauenswürdig. Einzelne Personen werden dabei als Verschwörungstheoretiker, Verrückte und/oder bezahlte Putin-Agenten gebrandtmakt. Medienkanäle als Ganzes werden zu Propaganda-Kanälen des Bösen. Wichtig ist, dass Sie dabei niemals auf die Argumente und Materialien eingehen, sondern den Überträger der Informationen als unglaubwürdig darstellen und damit klarstellen, dass seine Argumente und Materialen gar nicht betrachtet werden sollen. Diese Methode wird gegen die Kleinen und die Großen gleichermaßen angewandt. Unsere großen Medien haben auf diese Weise sogar Millionen deutsche Bürger zu Putin-Agenten abgestempelt, nur um die alternativen Sichtweisen, die in Briefen und Kommentarspalten zum Ausdruck kamen, zu denunzieren. Selbst größte Respektpersonen wie Helmut Schmidt wurden von unseren Medien zu Putin-Verstehern degradiert, um deren gemäßigte Meinung zu unterdrücken.

Warum ist eine derart aggressive Vorgehensweise der Medien notwendig aus der Sicht der Medienlenker? Warum kann man RT nicht einfach senden lassen? Unsere großen Qualitätsmedien bringen doch laut eigener Auskunft eine wahrheitsgetreue Berichterstattung, fundierte Analysen und Hintergrundberichte? Unter diesen Voraussetzungen muss man einen englischsprachigen Sender russischer Herkunft doch nicht fürchten?

So wäre es in der Tat, wenn wir echte Qualitätsmedien hätten. Ehrlichkeit verleiht Selbstbewusstsein. Wer eine Situation fundiert erklärt hat, muss das dumme Gelaber echter Verschwörungstheoretiker nicht fürchten und kann deren Geschwätz einfach stehen lassen. Wenn Sie berichtet haben, dass Linie C die korrekte Antwort ist, müssen Sie sich keine Sorgen machen, dass Vollidioten meinen, Linie A oder B sei die richtige Antwort. Der Leser wird sich Ihrer Meinung anschließen, selbst wenn die Zahl der Verschwörungstheoretiker, die für A oder B plädieren, sehr groß ist. Das ist seit den ersten Experimenten bekannt. Um die Wahrheit anzunehmen, braucht der Mensch nicht viel Unterstützung. Nur wenn ihm eine Lüge eingetrichtert werden soll, müssen alle Störgeräusche, die auf die Wahrheit verweisen, eliminiert werden.

Deswegen sind alternative Medien so gefährlich. Es müssen ihrer nicht viele sein, um das große Projekt der Meinungsformung zu vereiteln. Deshalb müssen Sie als Meinungslenker so rigoros gegen die Alternativen vorgehen.

Fragen Sie sich ruhig einmal, warum unsere Medien nicht den Mut haben, abweichende Meinungen einfach stehen zu lassen. Warum unsere Medien nicht auf die Argumente eingehen, sondern die Verschwörungstheorie-Keule schwingen. Warum ein Sender so gefürchtet wird, dessen Budget ein Witz ist im Vergleich zu dem, was allein unseren Öffentlich-Rechtlichen zur Verfügung steht.

Um die Menschen von einer Lüge zu überzeugen, müssen Sie sich extrem anstrengen. Sehr viel weniger Mühe bereitet es, diesen Prozess zu vereiteln. Wenn von zehn Leuten (Medien), denen Sie zuhören, auch nur einer der offensichtlichen Lüge widerspricht, sind die Mühen der neun Lügner praktisch wirkungslos. Vorausgesetzt, das Wort aller dieser zehn Personen hat in Ihren Augen das gleiche Gewicht.

Ich ende, so wie ich begonnen habe, mit einem Zitat, diesmal von Abraham Lincoln:

Man kann einen Teil des Volkes die ganze Zeit täuschen und das ganze Volk einen Teil der Zeit. Aber man kann nicht das gesamte Volk die ganze Zeit täuschen.

PS: Mein Freund hat natürlich Recht. Wenn alle das Gegenteil von dem behaupten, was ich behaupte, muss ich meine Meinung überprüfen. Das tue ich. Die Konsequenz ist aber nicht, die Meinung der Mehrheit anzunehmen. Für mich ist die Konsequenz, die korrekte Meinung einzunehmen, egal ob das die Mehrheitsmeinung ist oder das Gegenteil davon. Je mehr ich prüfe, je genauer ich mit dem Maßband die Linien ausmesse, desto weniger kann ich dem zustimmen, was unsere Massenmedien verbreiten. C ist die richtige Antwort. Dabei bleibe ich. Auch wenn sich manche Freunde abwenden.

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Game of Thrones in der Ukraine, Serie 3

Serie 1, 2.

König Jazenjuk hat am 1./2. April Merkel besucht. Warum Jazenjuk? Warum jetzt? Das letzte Treffen liegt weniger als drei Wochen zurück und seitdem ist nichts passiert, was rechtfertigen würde, dass einer der wichtigsten politischen Protagonisten dieser Welt Jazenjuk zu sich einlädt. Außerdem wäre Poroschenko der geeignetere Ansprechpartner gewesen. Die Ukrainer wundern sich jedenfalls darüber, auch weil der Besuch nur sehr kurzfristig bekannt gegeben wurde. Eines der beiden Themen war die Umsetzung von Minsk2 – was nun wirklich in Poroschenkos Verantwortung liegt.

So wurde dieses Treffen den Deutschen berichtet: SPON, FAZ. Die Kanzlerin lobt die ukrainische Regierung für “beachtliche Reformfortschritte”. Weitere Hilfen wurden diskutiert. Außerdem soll die Umsetzung von Minsk2 weiter vorangetrieben werden. Klingt insgesamt positiv?

So wurde dieses Treffen von Deutschland dem Ausland berichtet: “Das Vertrauen in die Ukraine ist nicht grenzenlos“. Uff, schon der Titel kündigt an, dass der Ton rauer wird. Wir lesen von „schweren Vorwürfen“, einem „vernichtenden Urteil“. Deutsche Welle ist der deutsche Öffentlich-Rechtliche für das Ausland. Dem Ausland wird eine ganz andere Botschaft gesendet als den Deutschen selbst. Das Ausland hat verstanden.

Zwei Kritikpunkte gibt es. Die Reformen und die Aufklärung der Maidan-Morde gehen nicht schnell genug voran. Nach über einem Jahr fordert Europa die Aufklärung. Die Ukraine gibt unter anderem bescheid, dass 13 Polizeikräfte getötet wurden, 79 Polizeikräfte durch Schusswaffen verletzt, insgesamt über 200 verletzte Polizisten. Man könne nicht sagen warum und woher, aber Jazenjuk verspricht, dass man sich um die Untersuchung kümmern werde.

Jazenjuk gibt auch bekannt, dass im Donbass baldestmöglich Wahlen abgehalten werden sollen, selbst wenn die bösen Aufständischen nicht bekehrt werden und das Wahlgebiet militärisch kontrollieren. Genau so schreibt es Minks2 auch vor. Dass Jazenjuk das bekannt gibt, ist interessant, denn ein kürzlich auf Poroschenkos Initiative beschlossenens Gesetz sieht vor, dass Wahlen im Donbass erst nach der vollständigen Entwaffnung der Aufständischen durchgeführt werden können. Das Gesetz ist natürlich ein Bruch des Minsk2-Vertrags. Jazenjuk als Retter von Minsk2, dem europäisch-russischen Projekt?

In der zweiten März-Hälfte hat Deutschland erstmals Druck auf Kiew ausgeübt. Kiew solle an Minsk2 arbeiten. Frankreich hat ebenfalls Kritik an Kiew laut werden lassen wegen der Nichterfüllung von Minsk2. Das ist eine neue Situation für Kiew.

Poroschenkos Medien (sie erinnern sich, dass er nebst einem der großen TV-Kanäle des Landes auch weitere kleine Sender besitzt) schweigen sich zu Jazenjuks Deutschland-Besuch aus. Geschieht es hinter dem Rücken des Präsidenten? Einer Pressemitteilung von Poroschenko ist zu entnehmen, dass er mit Merkel telefonierte, nur Stunden bevor Jazenjuk in Deutschland eintraf. Jazenjuk und seine Visite wird nicht erwähnt in der Mitteilung.

Kaum ist Jazenjuk zurück in der Ukraine, genauer gesagt am 03. April, fordert eine Gruppe von Abgeordneten seinen Rücktritt. Lautstark. Mit Nachdruck. Er soll schon nächste Woche aus seinem Amt verschwinden.

Merkel mag sich vielleicht erlauben, gegen Jazenjuk zu stänkern, aber gewiss nicht irgendwelche Rada-Abgeordnete aus der zweiten Reihe. Man kann ihnen vieles vorwerfen, aber gewiss nicht, dass sie ihre politischen Karrieren und den damit verbundenen finanziellen Wohlstand einfach so zum Fenster hinauswerfen. Genau das bedeutet es aber, König Jazenjuk von US-Gnaden frontal anzugreifen. Außer… außer die USA selbst haben den Befehl “Fass!” gegeben.

US-Vizepräsident Jo Biden, der früher Jazenjuk unterstützt hat, hat im Poroschenko-Kolomojski-Krieg (siehe Serie 2) die Seiten gewechselt und unterstützt jetzt Poroschenko. Bei diesem fünftätigen Krieg verlor Jazenjuk nicht nur seinen Fürsprecher aus Übersee, sondern auch seinen starken Partner Kolomojski, der aus der großen Politik entfernt wurde.

Aber ein König gibt sich nicht kampflos geschlagen und wohl deshalb sucht Jazenjuk Merkels Nähe und Schutz. Er biedert sich ihr als Minsk2-Vorantreiber an und verspricht ihr alles mögliche, was er nicht halten kann. Für eine Wahl im Donbass bekommt Jazenjuk keine Mehrheit in der Rada zusammen. Sein Versprechen wurde nicht mal in den ukrainischen Massenmedien verbreitet. In solch chaotischen Zeiten, wie sie gerade in der Ukraine herrschen, geht es zuallererst darum, den nächsten Tag zu überleben. Dafür kann auch ein Gott aus Übersee angelogen werden. Die Lüge kommt erst in Wochen heraus und die Konsequenzen ebenso, der ansonsten sichere Tod ist viel näher.

Am 3. April fordern Abgeordnete von Poroschenkos Partei auch eine teilweise Neubesetzung von Jazenjuks Ministerkabinett. Es geht nicht nur um einen Kopf, es sollen viele Köpfe rollen. In die Schusslinie gerät unter anderem Innenminister Awakow, dem nun Korruption vorgeworfen wird. Der Geheimdienst durchsucht die Wohnung von Awakows Stellverteter und findet laut Auskunft von Abgeordneten Goldbarren und belastende Dokumente. Ob das wirklich stimmt, ist gar nicht so wichtig. Awakow untersteht direkt den USA. Fass!

Vielleicht fragen Sie sich, warum die USA ihre eigenen Leute absägen? Es ist Game of Thrones und die USA sind der wichtigste Autor dieses Spektakels! George Martins Vorbild folgend müssen alle früher oder später sterben. Eher früher als später. Und davon sind die Hauptfiguren und die Lieblinge des Autors und der Leserschaft am wenigsten ausgenommen.

Die Unruhen in der Rada und die Forderungen nach Jazenjuks Rücktritt werden nach dem Startschuss am 3. April weiter zunehmen.

Derweil wird der Oppositionsblock aktiv. Das ist die Partei, in die ein Teil der Kader aus der Partei der Regionen gewechselt ist. Der Oppositionsblock veranstaltet ein großes Treffen, bei dem offen die Vorbereitungen für eine Neuwahl der Rada getroffen werden. Eine Neuwahl der Rada steht offiziell aber gar nicht an. Macht nichts, alle wissen bescheid, was die Götter beschlossen haben. Und der Oppositionsblock weiss sogar, dass die Götter ihm eine viel größere Rolle für die neugewählte Rada zugedacht haben.

Hier und überall sonst in der ukrainischen Politik bricht eine neue Geschäftigkeit aus. Die einen wissen, die anderen spüren, dass der Kuchen der Macht bald neu verteilt wird. Das ist die Zeit, um aktiv zu werden und sich für einen hübschen Posten zu empfehlen.

Fürst Korban von Kolomojskis Gnaden verkündet, dass er nirgendwohin wegreisen wird und seine Karriere auch weiterhin in der Ukraine vorantreibt.

Fürst Ljaschko (der so radikal ist, dass er Tjagnibok und der Swoboda-Partei alle Nazi-Stimmen geklaut hat) ist gegen alle und alles und übt damit offenbar für seine neue Rolle als Oppositioneller. Derzeit ist er in der Regierungskoalition.

Königin Timoschenko erwacht aus ihrem Winterschlaf und lässt verlauten, was zu tun ist, um die Korruption zu bekämpfen. Timoschenko schießt sich auch schnell auf Jazenjuk ein, auf den sie einen tiefen Hass pflegt. Fass! Er ist schuld an den Tarifen für Gas, Wasser, Elektrizität, die teilweise um das drei- bis vierfache gestiegen sind zum 1. April. Jazenjuk befolgt damit natürlich nur die IWF-Befehle. Aber den IWF kann man dem Fußvolk nicht als Schuldigen verkaufen. Jazenjuk schon. Timoschenko verspricht sogar, dass die Tarife halbiert werden könnten, wenn nur sie selbst und ihre Mannschaft die Situation managen würden. Eine simple Strategie, die immer wirkt. Die Rächerin der Enterbten verspricht, die Preise für elementare Güter des Lebens zu halbieren. Das Volk wird schwer widerstehen können.

Erinnern Sie sich noch an den Rechten Sektor, der nach Kolomojskis Rückzug aus der Politik „ohne Dach“ geblieben ist, wie man im russischen sagt? Das hat man schnell geregelt. Jarosch hat am 5. April eine Stelle als Berater von Generalstabschef Mughenko bekommen. Im Gegenzug schreiben sich Jaroschs Söldner in die ukrainische Armee ein.

Asow-Soldaten haben Poroschenkos Sohn am 7. April von hinten angefahren (Video und Fotos). Es war ein zufälliger und unspektakulärer Verkehrsunfall. Aber die Ukrainer sagen, dass es sehr symbolisch ist, dass die Nazis Poroschenko von hinten rammen.

In dieser Woche wurde die 49. ukranische Bank zahlungsunfähig. Die 49. seit 2014. Wie die Zentralbank mitteilt, stehen etwa 15 weitere solche Kandidaten bereit.

Derweil wird bekannt, dass die Schließfächer in Banken nicht mehr sicher sind und der Inhalt daraus immer öfter verschwindet. Die Staatsanwaltschaft meldet, dass drei Fälle auf das Jahr 2014 datieren und bereits 8 Fälle auf das Jahr 2015. Verschwunden sind mehrere Kilogramm Gold sowie mehrere Millionen Dollar und Euro in bar. Da sich die Schließfächer in den bestgeschützten Bereichen der Banken befinden und Überfälle nicht stattfanden, kommen in erster Linie die Bankmitarbeiter selbst als Täter in Frage.

In Ukraines größter Talkshow „Schuster live“ wurde ein Soldat von der Front eingeladen. Er durfte ausführlich über die Verbrechen erzählen, die auf ukrainischer Seite passieren. Soldaten, die Geschäfte ausrauben. Soldaten, die Menschen entführen, um Lösegeld zu erpressen. Betroffen sind auch wichtige Lokalpolitiker, die schon mal für eine Woche in den Kerker verschwinden und nach der Auszahlung von Lösegeld wieder auf ihren Posten zurückkehren. Behörden stellen Dokumente nur gegen hohe Schmiergelder aus. Die Fronteinheiten werden nicht von der Armee versorgt. Der Eingeladene beschuldigt die Regierung für die Untätigkeit und einmal rutscht ihm ein konkreter Name raus: Jazenjuk. König Jazenjuk steht dieser Tage da wie ein Tannenbaum, den alle mit möglichst vielen Anschuldigungen schmücken. Ein klassischer Sündenbock. Bald wird der Baum in einer feierlichen Zeremonie verbrannt und alle, die ihre Vergehen auf den Baum hängen konnten, werden sich glücklich schätzen, noch einmal davongekommen zu sein.

Der Asow-Söldner und heutiger Rada-Abgeordnete Mosijchuk bietet erhellende Einblicke in sein Leben. Jemand hat ihm gesteckt, dass gegen ihn wegen schwerer Verbrechen ermittelt wird und so wendet er sich in einem offenen Brief schutzsuchend an Poroschenko. Er schreibt, er hat unschuldig wegen Terrorismus im Knast gesessen. Aber nach dem Maidan hat die Übergangsregierung dankenswerterweise ein Amnestiegesetz erlassen und er ist rausgekommen. Nach nur zwei Tagen ist er in den Osten des Landes gezogen, um die Separatisten zu bekämpfen. Dort hat er im Nazi-Bataillon Asow gedient. Er war zwar nirgends offiziell angestellt, hat aber alles für das Vaterland getan. Als Arbeitsnachweis führt er an, dass er von Russland wegen Schwerstverbrechen zur Fahndung ausgeschrieben wurde. Er hat auch eine Auszeichnung des ukrainischen Geheimdienstes bekommen – für die Erhaltung der ukrainischen Einheit. Und jetzt ermittelt der ukrainische Generalstaatsanwalt und der ukrainische Geheimdienst gegen ihn! Poroschenko soll diese Agenten Putins doch bitte prüfen.

Die Agenten gehorchen aber nicht Putin, sondern Washington. Die Ukraine steht seit Monaten am Scheideweg: entweder entsteht dort eine knallharte Diktatur, die die Bevölkerung mit Gewalt kontrolliert, oder es entsteht eine neutrale und sogar ein bisschen russlandfreundliche „Regierung der Versöhnung“, die dem Bürgerkrieg ein Ende bereitet. Die USA bereiten seit letzten Jahr beide Szenarien vor. Das Diktatur-Szenario hätte Ende Februar zur Jährung des Maidan begonnen werden müssen. Die Herren aus Übersee haben sich aber für den zweiten Weg entscheiden müssen.

Das Problem mit den Ukrainern ist, dass sie ihre Wirtschaft viel schneller zugrunde gerichtet haben, als es sich irgendjemand hätte träumen lassen können. Eine Diktatur kann nur bestehen, wenn sie den Menschen Brot und Schutz bietet. Und das kann die ukrainische Regierung nicht mehr leisten. Formt man eine Diktatur aus ihr, wäre sie nicht lebensfähig.

Gangbar ist für die USA deshalb nur der zweite Weg. Deswegen der Fass!-Befehl. Die radikalen Elemente, die man nicht einmal mit professioneller PR mehr reinwaschen kann, müssen weg von der Bildfläche. Die meisten von ihnen sollen einfach untertauchen, so wie die Söldner des Rechten Sektors, die jetzt in der ukrainischen Armee aufgehen. Einige von den radikalen Elementen werden aber als Sündenböcke für alles herhalten. Darüber hinaus wird die Regierung umgeformt, die Kriegsfraktion muss verschwinden.

Das goße Ziel der „Regierung der Versöhnung“ ist es, eine Versöhnung ohne tiefgreifende Aufarbeitung durchzuführen. Der Krieg soll aufhören, aber die nationalistische und russophobe Stimmung soll erhalten bleiben. Die Ukraine soll wieder auf die Beine kommen, um das Spiel von 2014 zu wiederholen. Das ist der pragmatische Grund dafür, dass die USA ihre Marionetten in der Ukraine zum Abschuss freigegeben haben. Das ist die Umsetzung der Strategie des Rückzugs.

Weise Gelehrte haben diese Entwicklung schon im Dezember prognostiziert.

Nicht zufällig forciert Poroschenko dieser Tage die Arbeit an der neuen Verfassung. Der Zeitpunkt ist gut für die USA. Jetzt ist die Mannschaft am Ruder, die aus der neuen Verfassung ein Dokument macht, das den US-Interessen maximal entgegenkommt. Die Dezentralisierung etwa, die neu in der Verfassung geregelt wird, soll nach polnischem Vorbild erfolgen. Manche Aussagen, die Poroschenko dazu macht, lassen schon jetzt erkennen, dass der Donbass damit nicht ins Boot zu holen ist. Wir werden schon bald einen Krieg um die neue Verfassung erleben.

PS: Ach ja, König Kolomojski. Einige Dinge deuten darauf hin, dass er nicht gestürzt wurde, sondern mit einer gebührenden Show von der Bühne gegangen ist, kurz bevor auf der Bühne ein echter Kampf ausgebrochen ist. Das Gesetz über die Änderung der Beschlussmehrheit bei Aktiengesellschaften tritt erst Ende Mai in Kraft. Viel Zeit für Kolomojski, um sich Lösungen für das Problem zu erarbeiten. Außerdem ist der übergangsweise eingesetzte Vorstand von Ukrtransnafta Sergej Sukalo still und fast heimlich von seinem Posten zurückgetreten. Er war Kolomojski ein Dorn im Auge. Außerdem bekommt Kolomojskis Bank „Privatbank“ (die größte Bank in der Ukraine) auch weiterhin große staatliche Unterstützung. Alles in allem deutet derzeit nichts auf einen gestürzten und vertrieben König hin.

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Der vorletzte Diktator

SPON gibt heute wieder sein bestes:

Der weißrussische Präsident Lukaschenko geht auf Distanz zu Wladimir Putin. “Es gibt Diktatoren, die schlimmer sind als ich.”

Lukaschenko habe damit versucht, “seinen Ruf zu verbessern”.
Lukaschenko habe “halb im Ernst, halb im Scherz” gesprochen.

Lesen Sie sich den Artikel durch. So viel Blödsinn in so wenig Text ist eine journalistische Kunst. Das ist besonders hervorzuheben, da SPON vor kurzem eine Qualitätsoffensive seiner Berichterstattung angekündigt hat.

Die Originalquelle ist hier. An sich auch eine Freude, aber die haben das wenigstens nicht abgeschrieben, sondern selbst verzapft, und neben dem größten Müll, den sich SPON rausgefischt hat, stehen doch ein paar mehr Informationen, aus denen man auch nützliches extrahieren kann.

Russischer Humor ist den Deutschen unbegreiflich. Umso mehr, als in der russischen Kultur (zu der auch Weissrussland gehört) auch Präsidenten Humor pflegen. Das hat auch Lukaschenko getan, der von der westlichen Presse konsequent als “Europas letzter Diktator” bezeichnet wird. Nach der Propaganda-Kampagne gegen Putin, der nicht einfach nur Diktator, sondern der Teufel höchstpersönlich sein soll, macht sich Lukaschenko über die westlichen Medien lustig, als er sagt, er sei endlich nicht mehr der letzte Diktator. Die westlichen Medien aber in all ihrer Inkompetenz (denn es zeugt von völliger Unkenntnis der russischen und weissrussischen Kultur und ihrer Beziehung zueinander) und in der Propaganda-Konsequenz machen daraus ernsthaft die Schlagzeile, dass Lukaschenko sich von Putin distanziert.

Die Weissrussen sind sicher wahnsinnig scharf darauf, zum Westen überzulaufen, wo sie gerade jetzt live mitverfolgen, wie die Ukraine bei einem solchen Versuch in einen blutigen Bürgerkrieg und den totalen wirtschaftlichen Ruin getrieben wird. Weissrussland sieht auch, was aus den baltischen Staaten geworden ist, die sich in EU und NATO integriert haben und glauben Sie mir, das ist kein erfreulicher Anblick. Und auch wenn Sie davon nichts mitbekommen, die Weissrussen sehen es.

Wie mit der Ukraine auch, versucht der Westen aus Weissrussland ein Anti-Russland zu machen. Dazu wird das übliche Methodenarsenal der farbigen Revolutionen angewandt. Das Land ist eine Diktatur, der Herrscher ein Tyrann, die Opposition der Freiheitsbringer. Es gilt, das Land zu isolieren und einen inneren Kampf zu organisieren, der bis zum Sturz der Regierung führt. Im Fall Weissrusslands klappt diese Strategie ausgesprochen schlecht, aber das hindert den Westen nicht daran, massenhaft ihre Gülle über diesen kleinen Staat zu gießen und überall die Zeichen des sehnsüchtig erwarteten Zusammenbruchs der Regierung zu erkennen.

Was wissen Sie über Weissrussland, außer dass es die letzte vorletzte Diktatur Europas ist? Wissen Sie, dass Weissrussland den Zusammenbruch der Sowjetunion am besten überstanden hat und bei diesem Prozess den geringsten Schaden im Vergleich zu allen anderen Sowjetstaaten erlitten hat? Wissen Sie, dass Weissrussland kein Arbeitslosigkeitproblem hat? Wissen Sie, dass Weissrussland kein Armutsproblem hat? Wissen Sie, dass Weissrussland kein Wohnungsproblem hat? Wissen Sie, dass Weissrussland die Industrie der Sowjetzeiten nicht verlor und sie in den vergangenen Jahrzehnten enorm modernisiert hat? Wissen Sie, dass Weissrusslands Industrie europäische Standards erfüllt? Russland und andere ehemalige Sowjetstaaten sind freudige Abnehmer hochqualitativer weissrussischer Industriegüter. Wissen Sie, dass Weissrussland einen höheren Lebensstandard als Russland hat?

Warum ist das alles so? Weil Weissrussland sich nicht auf die neoliberale Pille des Westens eingelassen hat, die versprach, mit der totalen Liberalisierung alles besser und toller zu machen. Weil Weissrussland sein Land nicht an westliche Investoren zu Ramschpreisen verkauft hat. Weil Weissrussland seine Sozialprogramme nicht gestrichen hat. Weil es strategische Aufgaben, wie die Bereitstellung von Wohnungen und die Kontrolle von Schlüsselindustrien nicht aus der staatlichen Kontrolle gegeben hat. Deswegen geht es Weissrussland gut, es ist ein kerngesundes Land, mit sauberen, modernen Städten, einer ausgezeichneten Infrastruktur. Sie wissen von all dem höchstwahrscheinlich nichts und werden es auch nicht erfahren. Sicher nicht aus den “Qualitätsmedien” Ihres Landes.

Weissrussland lebt mit allen Nachbarn in Frieden und führt keine Kriege. Das Land nervt niemanden und will nicht genervt werden. Es verteidigt seine eigenen Interessen. Auch gegenüber Russland. Die westliche Presse versucht daraus regelmäßig ein Zerwürfnis der beiden Brüdernationen (wie Lukaschenko im oben zitierten Interview selbst betont) herbeizuschreien. Das ist eine Wunschphantasie des Westens. Russland und Weissrussland pflegen äußerst konstruktive Beziehungen. Wenn Lukaschenko Probleme erkennt, spricht er sie offen an, die Politiker beider Länder reden darüber und finden eine Lösung, die beide Seiten zufrieden stellt. Das geht schon über zwei Jahrzehnte so, aber der Westen kann sich solche Beziehungen wohl gar nicht mehr vorstellen. Es kann nicht sein, was nicht sein darf.

Warum wird Weissrussland als Diktatur bezeichnet? Wegen all den oben aufgezählten Dingen. Weil es sich nicht an den Westen verkauft hat und es auch weiterhin nicht vor hat. Weil der Westen nichts an Weissrussland verdient hat. Weil Weissrussland nur auf Augenhöhe zu verhandeln und zu handeln bereit ist. Welch Majestätsbeleidigung!

PS: Dieser Tage hat Lukaschenko auch gesagt, dass der einzige verbliebene Diktator dieser Welt Obama ist. Und DAS hat er nicht als Witz gemeint.

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Vom Sinn und Unsinn von Krediten

Warum gibt es Kredite? Stellen Sie sich vor, Sie haben eine geniale Idee für ein kompliziertes Produkt, sagen wir eine besonders effizient arbeitende Verbrennungsanlage für Erdgas. Damit lässt sich viel Geld machen, denn die Nachfrage ist vorhanden. Also los!

Sie müssen erst einmal ein paar Prototypen bauen und diese testen. Um Ihre Anlagen zu bauen, brauchen Sie teure Produktionsmaschinen. Sie brauchen eine Werkshalle. Sie brauchen qualifiziertes Personal, das die Verbrennungsanlagen baut. Sie brauchen Personal für die Buchhaltung. Und so weiter. Das alles müssen Sie jetzt schon bezahlen. Aber von welchem Geld? Es geht um gewaltige Summen.

Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten:

  1. Sie haben kein Geld, also können Sie Ihre Idee nicht umsetzen. Pech gehabt. Wenn die Menschheit nach dieser Regel vorgegangen wäre, hätte es die Industrialisierung nicht geben können, geschweige denn die weitere darauf aufbauende Wirtschaftsentwicklung.
  2. Jemand gibt Ihnen Geld. Das kann eine sehr reiche Person sein oder eine Gemeinschaft von nicht sonderlich reichen Leuten, die aber in der Summe auch eine größere Geldmenge zusammenlegen können (der Staat stellt auch eine solche Gemeinschaft dar).

Aber warum sollte Ihnen jemand Geld leihen? Der potentielle Geldgeber kann sich von seinem Geld Vergnügungen leisten. Er kann es auch Ihnen leihen. Dann kann er das Geld eine Zeitlang nicht selbst benutzen. Ein Nachteil für ihn. Außerdem besteht das Risiko, dass Sie das Geld nicht zurückzahlen können. Nachdem Sie eine Werkshalle und Produktionsmaschinen gekauft haben, 15 Facharbeiter angestellt und im Laufe eines Jahres drei Prototypen gebaut haben, stellt sich heraus, dass Ihre Idee doch nicht funktioniert. Das Geld ist ausgegeben und Sie haben kein Produkt, mit dem Sie Geld verdienen können, um Ihre Schulden zu bezahlen.

Verschiedene Gründe machen es nötig, dass der Geldverleih nur gegen eine Gebühr erfolgt.

  • Es besteht das Risiko, dass das Geld nicht zurückgezahlt werden kann. Dieser Fall tritt in einem niedrigen Prozentsatz ein. Diesen Prozentsatz müssen alle Kreditnehmer draufzahlen, um für die vereinzelten Ausfälle aufzukommen.
  • Der Geldverleiher bietet die Dienstleistung Geldverleih sinnvollerweise nur gegen Bezahlung an. Die Bezahlung muss den Nachteil aufwiegen, dass der Geldverleiher eine Zeitlang auf die Nutzung seines eigenen Geldes verzichtet, um jemandem ein Projekt zu ermöglichen.

Wie kann die Bezahlung für den Geldverleih bemessen werden? Man könnte eine feste Summe festlegen. Sagen wir 10 Euro. Sie bezahlen für einen Kredit von 100 Euro und für einen Kredit von 1000000 Euro jeweils 10 Euro. Das macht keinen Sinn, denn der Nachteil für den Geldverleiher ist umso größer, je größere Summen er verleiht. Der Preis muss sich also irgendwie an der Summe richten. So gelangen wir zum Zins und stellen fest, dass es eine notwendige, natürliche und sogar faire Regelung für Kreditvergabe ist. Je mehr Sie sich leihen, desto mehr müssen Sie dafür bezahlen.

Man kann auch Alternativen zum Zins finden. Zum Beispiel eine Gewinnbeteiligung des Kreditgebers in Ihrem Unternehmen. Es bleibt aber dabei, dass Sie dem Kreditgeber mehr zurückzahlen müssen, als er Ihnen verliehen hat. Gewinnbeteiligungen gibt es in der Praxis durchaus (George Lucas hat sich damit eine goldene Nase verdient), aber sie sind nicht so verbreitet, weil man damit schlecht planen kann. Mit dem Prozentsatz der verliehenen Geldsumme kann man dagegen sehr gut planen. Deswegen hat sich der Zins durchgesetzt.

Kreditvergabe mit Zins ist also fair und sie ermöglicht überhaupt erst die Entstehung komplexer Technologien, Infrastrukturprojekte und der Schwerindustrie. All diese Dinge zeichnen sich dadurch aus, dass man sehr viel Geld bezahlen muss, bevor die ersten Gegenleistungen eingefahren werden. Bis zur kompletten Rückzahlung können sehr viele Jahre oder Jahrzehnte vergehen.

Das wichtige ist, dass wir hier von Krediten sprechen, die in Produktion fließen. Mit dem Kredit wird ein Unternehmen aufgebaut und das Unternehmen generiert eine Leistung, von der der Kredit auch abbezahlt werden kann. Der Kredit ermöglicht die Erschaffung eines Mehrwerts. Wenn Produktion mit Krediten finanziert wird, entsteht Wirtschaftswachstum.

Das ist der Sinn von Krediten.

Davon zu unterscheiden sind Verbraucherkredite. Hierbei wird Geld geliehen, um es zum Vergnügen auszugeben. Von diesem Geld kaufen Sie sich neue Möbel, Fernseher, Autos. Diese Dinge konsumieren Sie einfach. Als Endverbraucher erschaffen Sie keinen Wirtschaftswachstum mit dem von Ihnen gekauften Fernseher. Sie produzieren nichts damit. Mit einem Verbraucherkredit holen Sie sich Ihren Lohn aus der Zukunft ins jetzt und geben es jetzt aus. Das Geld können Sie dann in Zukunft nicht mehr ausgeben. Ein Verbraucherkredit heute senkt die Kaufkraft von morgen und damit die Wirtschaftsleistung von morgen.

Das ist der Unsinn von Krediten.

Verbraucherkredite waren früher sinnvollerweise stark beschränkt. Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts änderten die USA unter Reagan die Kreditpolitik und förderten Verbraucherkredite. Der Leitzins war damals bei knapp 20%, d.h. der Kredit war sehr teuer und man konnte sich entsprechend nur kleine Kredite leisten. Der Leitzins ist sukzessive zurückgegangen und liegt heute nahe bei null. Die Kredite wurden immer billiger. Endverbraucher konnten sich deshalb immer größere Kredite mit immer längerer Laufzeit leisten. Sie konnten also immer weiter in die Zukunft greifen und ihren zukünftigen Lohn ausgeben. Mit der Zeit wurde den Verbrauchern zusätzlich möglich gemacht, alte Kredite durch neue Kredite zu begleichen. Das war früher noch verboten. Und irgendwann hat man aufgehört, die Kreditwürdigkeit ernsthaft zu prüfen und lieh Geld allen Verbrauchern, die es haben wollten, selbst wenn absehbar war, dass es nie zurückbezahlt wird.

In anderen Ländern ist genau das gleiche passiert, nur mit ein paar Jahren Verzögerung.

Warum hat man diesen Unsinn politisch befördert und immer weiter intensiviert? Dazu ein anderes mal mehr.

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Diktatoren für demokratischen Wandel

In Nigeria, dem bevölkerungsreichsten Land Afrikas, wurde ein Ex-Diktator zum neuen Präsidenten gewählt: Muhammadu Buhari. Er könnte tatsächlich für einen demokratischen Wandel stehen.

Quelle

Es gibt gute Diktatoren und böse Diktatoren. Die guten bringen Demokratie, die bösen bringen den Tod. Die guten feiern wir, die bösen stürzen wir. Und das wichtigste: WIR entscheiden, wer ein guter und wer ein böser Diktator ist.

Das sind “westliche Werte”. Außerhalb des Westens längst ein Schimpfwort und Synonym für Unmoral.

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Game of Thrones in der Ukraine, Serie 2

Die erste Serie des ukrainischen Game of Thrones können Sie hier lesen.

Es geht munter weiter. Der Konflikt zwischen Poroschenko und Kolomojski ist eskaliert. In der Rada wurde bereits ein Gesetz beschlossen, nach dem wichtige Beschlüsse bei Aktiengesellschaften mit 50% + 1 Stimmen beschlossen werden können. Bisher waren dafür 60% der Stimmen nötig. Das Gesetz sollte ab 2016 in Kraft treten. Aber jetzt soll das Gesetz vorgezogen werden und schon in diesem Jahr wirksam werden.

Das ist Poroschenkos Angriff nr. 1. Warum? Weil es um die Ukrnafta AG geht, eine Öl- und Gasgesellschaft, an der der ukrainische Staat 50%+1 Aktien hält. Formal also ein staatliches Unternehmen. Fürst Kolomojski und seine Schergen halten aber 42% der Aktien an Ukrnafta. Damit kann Kolomojski alle Beschlüsse blocken. Das tut er auch. Der Vorstand von Ukrnafta ist Kolomojskis Mann und er handelt zum Vorteil von Kolomojski. Der Staat will die Führung austauschen, kann aber nicht, weil er die notwendige Auktionärsmehrheit von 60% nicht zusammenkratzen kann.

Kolomojskis Personal ist auch in weiteren Staatsfirmen in leitender Position. Seine Vasallen verschicken das Öl durch Kolomojskis Lager und Aufbereitungsanlagen. Sie bezahlen dafür marktunübliche Preise. Sie zahlen dem Staat die Gewinne nicht aus, mit Verweis auf Schulden, die der Staat bei diesen Unternehmen hat. Das sind nur einige Mechanismen, mit denen Kolomojski sein großes Geld macht. Es geht um sehr viel. Kolomojski hat im Zuge des derzeit laufenden Krieges offenherzig erzählt, wie er den früheren Präsidenten Kutschma und weitere hochrangige Politiker mit über 100 Millionen Dollar geschmiert hat. Niemand zahlt 100 Millionen Dollar Bestechungsgelder, wenn dabei nicht deutlich mehr herausspringt. Und diese Summe ist nur das, was Kolomojski offiziell über sich selbst zugegeben hat. Es gibt allen Grund zur Annahme, dass das nicht alles ist.

Poroschenko will jedenfalls Kolomojskis Geldhahn zudrehen. Und er startet parallel Angriff nr. 2. Während Jazenjuk in Brüssel ist und andere wichtige Amtsträger ebenfalls auf Reisen sind, wird der Vorstand der Ukrtransnafta AG getauscht. Nicht zu verwechseln mit der oben erwähnten Ukrnafta AG. Lasorko, Kolomojskis Mann an der Spitze von Ukrtransnafta soll durch Miroschnik ersetzt werden, ein Mann Poroschenkos. Aber Lasorko will nicht freiwillig gehen. Er ruft bei der Polizei und bei Kolomojski an. Er verbarrikadiert sich im Büro, weil SBU-Spezialkräfte ?Alpha? versuchen, ihn mit Gewalt zu entheben (SBU ist der ukrainische Geheimdienst). Anderen Angaben zufolge war es ein privater Sicherheitsdienst, der Lasorko zum Abschied verhelfen sollte.

Wir schreiben den 19. März 2015. Kolomojski rast aus Dnepropetrowsk nach Kiew, begleitet von seinen Privatsoldaten. Sie besetzen das Gebäude von Ukrtransnafta (zu Beginn des Videos zu sehen), Kolomojski regelt dort seine Geschäfte, epmfängt den Energieminister und kommt spät abends raus. Er beleidigt einen Journalisten von Radio Swoboda (direkt vom Weißen Haus bezahlter Propagandasender für das Gebiet der ehemaligen Sowjetunion). Er beschuldigt Poroschenko, dass unter seiner Führung russische Diversanten eine feindliche Übernahme von Ukrtransnafta durchführen. Er kündigt an, direkt zum Präsidenten weiter zu fahren, um die Situation zu klären. Englisch untertiteltes Interview hier.

Angestellte aus dem umkämpften Ukrtransnafta melden der Presse, dass Kolomojski im Gespräch mit dem Energieminister sagte, er hätte 2000 Kämpfer nach Kiew mitgebracht, weil er nicht einfach zusehen kann, wie seine Unternehmen gekidnappt werden.

Am 20. fordert eine Reihe von Abgeordneten Kolomojskis Entlassung aus dem Gouverneurs-Amt. Die Rada beschließt das am Vortag eingebrachte Gesetz zur neuen Beschlussregelung bei AGs. Kolomojski verkündet eine Einigung mit der Regierung: Lasorko tritt zurück, aber Miroschnik wird nicht neuer Vorstand. Die Geschäfte von Ukrtransnafta soll eine große ausländische Kanzlei prüfen.

Poroschenko hält sich bedeckt. Das Volk steht unter Hochspannung: Poroschenko muss etwas tun, sonst gesteht er seine Schwäche ein und kann sich nicht halten. Spät am Abend wird auf der Seite des Präsidenten eine offizielle Rüge für Kolomojski veröffentlicht. Dafür, dass er ethische Standards missachtet und einen Journalisten beleidigt hat. Kein Wort davon, dass Kolomojski mit seiner Privatarmee in die Hauptstadt einmarschiert ist und dort ein Staatsunternehmen besetzt hat.

Die USA greifen offen in den Konflikt ein. US-Botschafter Pyatt hat ein Gespräch mit Kolomojski, anschließend spricht Pyatt zur Presse, lobt die Gesetzesinitiative und rüffelt Kolomojski sanft: Das Gesetz des Dschungels gelte nicht mehr in der Ukraine.

SBU-Chef Naliwajtschenko, unmittelbarer CIA-Agent, stellt sich offen hinter Poroschenko. Innenminister Awakow auch.

Sawik Schuster, der bekannteste TV-Moderator der Ukraine und ein Sprachrohr des Maidan, sagt im Fernsehen, dass man nicht Putin für den Hryvnja-Verfall, für die Inflation, für die Korruption und für die ausbleibenden Reformen beschuldigen kann. Folglich müssen es die eigenen Politiker sein, die für all diese Miseren verantwortlich sind. Schuster hat einen guten Riecher für die politische Wetterlage und er dreht sich stets nach dem Wind. Das Land braucht einen Sündenbock.

Am 21. erklärt Abgeordneter Leschenko, dass das Gesetzesvorhaben nur zustande gekommen ist, weil es dafür eine direkte Anweisung aus Washington gab. Die Abgeordneten sind nicht willig, die notwendigen Reformen umzusetzen, deswegen seien solche Anrufe aus Washington zulässig. Leschenko ist “sehr froh” darüber, nur so könne man in der Ukraine Reformen auf den Weg bringen. Später wird er konkretisieren, dass US-Vizepräsident Biden Jazenjuk angerufen und ihm geraten hat, Kolomojskis Aufstand nicht zu unterstützen. Damit ist erklärt, warum Jazenjuk und seine Mannschaft in dieser sehr heißen Phase der ukrainischen Politik komplett abgetaucht sind. Kolomojski verlor damit die Unterstützung seiner Partner in höchsten Regierungskreisen, aber das wusste er zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht.

Im Kriegsgebiet wird ein SBU-Offizier erschossen, während die SBU eine Dnepr-1-Schmuggelbande kontrolliert. Es ist kein Zufall, dass die SBU ausgerechnet dieser Tage gegen Kolomojskis Bande vorgeht.

Außerdem wird gegen Kolomojskis Stellvertreter Korban und Olijnik Anklage wegen Geiselnahme eines Staatsvertreters erhoben. Korban wird sich dieser Tage beschweren, dass gegen ihn 8 Prozesse laufen.

Kolomojski sagt, er ist bereit, sich für seine verbalen Ausfälle vor dem Journalismus als ganzes zu entschuldigen, nicht jedoch vor dem beleidigten Journalisten. Die Rüge des Präsidenten habe er erhalten und akzeptiert.

Am 22. machen sich zwei Bataillone der Nationalgarde auf den Weg nach Dnepropetrowsk, wie die Nationalgarde selbst meldet. Poroschenkos militärische Antwort auf Kolomojskis militärische Herausforderung? Die Nationalgarde dementiert einen Tag später, dass Truppen irgendwohin verlegt werden.

Dnepr-1 Soldaten besetzen das Gebäude der Ukrnafta AG (nicht zu verwechseln mit der Ukrtransnafta, die schon ein paar Tage früher besetzt wurde). Um die Ukrnafta herum wird ein 4 Meter hoher Metallzaun errichtet. Ein Militärfahrzeug steht neben dem Gebäude, die Dnepr-1 Leute sind voll gerüstet und maskiert, tragen Kalashnikows bei sich. Das Management von Ukrnafta (wir erinnern uns, es sind Kolomojskis Leute) sagt jedoch, dass eine private Sicherheitsfirma am Werk sei. Man treffe Vorsichtsmaßnahmen für den Fall einer feindlichen Übernahme.

Kolomojski greift voll an. Das Volk fragt sich, was passiert, wenn Poroschenko den Kampf annimmt. Kolomojski besitzt die größte Bank des Landes, deren Zusammenbruch den Zusammenbruch des ukrainischen Finanzsystems bedeuten würde, er kontrolliert die Region Dnepropetrowsk und hat über Vasallen großen Einfluss auf die Regionen Odessa und Charkow – beides pro-russische Gebiete. Er hat außerdem eine ganze Reihe von Vasallen in der Rada, sowohl in der Regierungskoalition als auch in der Opposition.

Am 23. melden sich Kolomojskis Leute (die in Poroschenkos Partei sind…) zu Wort und werfen Poroschenko eine lange Liste von Vergehen vor, darunter die Kollaboration mit Putin. Natürlich auch Korruption, Selbstbereicherung, Angriffe auf die Rechtsstaatlichkeit und vieles mehr. Die Aufständischen fordern einen Rücktritt der Regierung.

Naliwajtschenko sagt, dass die SBU der Polizei helfen wird, die Bewaffneten in der Ukrnafta zu entwaffnen. Eine entsprechende Anweisung von Poroschenko liege vor.

Poroschenko sagt, dass alle Bataillone der Armee oder der Nationalgarde unterstehen müssen. Künftig werde es keine freien Bataillone mehr geben. Das ist eine Drohung an Kolomojski, ihm seine Privatarmee wegzunehmen.

Kolomojski ruft beim Chef von Naftogaz an (der staatliche Mutterkonzern vieler anderer Firmen, unter anderem der Ukrnafta und der Ukrtransnafta). Er droht, die Leute aus dem Kriegsgebiet nach Kiew zu schicken und weitere Unternehmen zu besetzen. Der Anruf könnte auch am 24. stattgefunden haben, vermutlich aber eher am 23.

Ein halbes Dutzend Kolomojskis Vasallen treten aus Poroschenkos Koalition aus. Der Zusammenbruch der Regierung soll erzwungen werden.

Die SBU beschuldigt derweil die Ausgetretenen, an der Organisation verbrecherischer Banden im Kriegsgebiet beteiligt zu sein.

Die Beschuldigten entgegnen, dass Poroschenko geheime Minsk-Vereinbarungen umsetzt und dabei Landespatrioten zu Verbrechern erklärt, um sie zu beseitigen. Sie kündigen einen Maidan in Dnepropetrowsk an. Womit sie andeuten, dass sie sich eine von Kiew unabhängige Legitimation verschaffen, wenn es denn sein muss.

Es werden jetzt viele Vorwürfe ausgetauscht. Dabei kommt viel schmutzige Wahrheit ans Licht. In der Woche nach dem 19. März werden sehr viele Dinge veröffentlicht, die nie für die Augen der Öffentlichkeit bestimmt waren. Wer über die ukranischen Zustände recherchieren will, sollte die Meldungen aus diesem Zeitraum besonders intensiv durchforsten.

Am 24. ist es verhältnismäßig still. Es äußern sich die Vasallen; sie legen ein bisschen nach oder korrigieren ein wenig ihre Stellungnahmen des Vortages. Meldungen über der Verlust von Dutzenden Maschinengewehren aus dem Arsenal des Dnepr-1, sowie andere ähnliche Kleinigkeiten bestimmen den Tag. Kolomojski schließt einen Volksaufstand in Dnepropetrowsk nicht aus.

Das entscheidende ist, dass Poroschenko und Kolomojski im Gegensatz zu den Vortagen still sind. Das Volk fragt sich, ob es zum heißen bewaffneten Konflikt zwischen den beiden kommt und auf welche Seite sich welche Bataillone stellen werden. Kommentatoren verweisen darauf, dass Poroschenko handeln muss, wenn er nicht untergehen will.

Am 25. wird Kolomojski von seinem Gouverneurs-Amt entlassen. Sein Stellvertreter Korban ebenfalls. Damit ist die Niederlage besiegelt. Den Vortag haben die beiden Oligarchen für Verhandlungen genutzt. Sie haben sich geeinigt, denn Kolomojski reichte seinen Rücktritt selbst ein, Poroschenko akzeptierte, beide bedankten sich beeinder für die gute Zusammenarbeit usw. Was hinter den Kulissen des schönen Scheins ausgehandelt wurde, bleibt vorerst ein Geheimnis. Alle Beteiligten, die sich zwei Tage vorher noch gegenseitig des Hochverrats bezichtigt haben, betonen nun, wie korrekt alles abgelaufen ist und wie groß die Verdienste aller im Kampf für eine geeinte Ukraine sind und wie kooperativ sie alle weiterhin zusammenarbeiten werden. Naliwajtschenko darf verkünden, dass die Wachmannschaft in der Ukrnafta entwaffnet wurde.

Kolomojski muss jetzt seine neue Rolle in der Ukraine finden. Und die von ihm beschützten und gepflegten Nazi-Bataillone brauchen jetzt einen neuen politischen Fürsprecher bzw. Investor. Patriotismus hin oder her, ohne Bezahlung kämpfen sie nicht. Es geht insbesondere um den Rechten Sektor, der inzwischen an die 10000 Soldaten hat. Der Rechte Sektor untersteht niemandem. Kiew hat weder Befehlsgewalt noch Kontrolle über diese Nazi-Söldner. Poroschenko bietet dem Rechten Sektor an, sich in Armee oder Nationalgarde einzugliedern. Dafür bietet Poroschenko Jarosch, dem Boss des Rechten Sektors, ein hohes Amt im Verteidigungsministerium an.

Aber die Nazis zieren sich. Ihr Sprecher sagt offen, dass sie weder der Armee, noch der Nationalgarde, noch dem Geheimdienst gehorchen. Eine Entwaffnung kommt selbstverständlich nicht in Frage. Sie sagen, dass sie auf keinen Fall der Befehlsgewalt der Armee oder der Nationalgarde utnerstehen werden. Sie hören auf den Befehl von Jarosch und wenn die Regierung das legitimieren will, sind sie bereit. Ihre Aufgabe sehen sie nicht darin, an vorderster Front zu kämpfen. Sie sehen sich dafür verantwortlich, hinter der Frontlinie Säuberungen durchzuführen. Sie sehen ihre Aufgabe auch darin, Armee und Nationalgarde zu kontrollieren. Während Kiew sie um den Preis ihrer Kontrollierbarkeit legalisieren will, wollen sie nur legalisiert werden, wenn sie weiter unabhängig bleiben – also ohne Gegenleistung.

Jarosch unterbreitet derzeit seine Ideen, wie man mit dem Donbass umgehen sollte. Dort müsse alles ausgeräuchert werden, was anders denkt. Man müsse hart durchgreifen: Deportationen, Entzug der Staatsbürgerschaft usw. Anschließend könne man dort eine “sanfte Ukrainisierung?” durchführen. Die Leute im Donbass können ihre Befreiung durch den sanften Jarosch sicher kaum erwarten.

Kiew kommt aber nicht drum herum, dem Rechten Sektor den Hof zu machen. Ihn anzugreifen bedeutet, die ideologische Basis des eigenen Bestehens in Frage zu stellen. Außerdem bedeutet es, im Krieg gegen LDVR eine Niederlage hinzunehmen, denn die Armee ist nicht mal für eine Front gerüstet und kann schon gar nicht eine zweite Front stemmen. Außerdem ist die ukrainische Armee bereits vollgepumpt mit legalisierten Patrioten und es ist fraglich, ob sie die notwendige Bereitschaft aufbringen kann, gegen den Rechten Sektor großflächig vorzugehen. Da müsste erst viel Arbeit geleistet werden, um den Rechten Sektor als Gefahr für die Ukraine ins rechte Licht zu rücken.

Was bleibt noch zu erwähnen? Jazenjuk wurde wohl von den USA abgeschrieben. Es sind frische Umfrageergebnisse rausgekommen, die seine Partei bei nur 4-6 % sehen. Man lässt ihn noch ein wenig Premierminister sein, damit er die ganze Wut über die IWF-Reformen auf sich zieht. Dann wird er dem Volkszorn geopfert. Am 29. durfte er verkünden, dass der Vorstand von Ukrnafta von einem Ausländer besetzt wird.

Ljaschko hat zugegeben, mit dem Sohn von Innenminister Awakow in einer gemeinsamen Wohnung zu wohnen. Awakow bleibt für mich bis heute ein Geheimnis. Ich kann ihn keinem Lager zuordnen. Ich würde ihn mit Tyrions Söldner Bronn vergleichen. Er ist rücksichtslos, völlig frei von moralischen Bedenken und offenbar auch frei von einer festen Zugehörigkeit zu einem der politischen Lager. Er kam nach dem Putsch in das Amt des Innenministers und er hat in diesem Amt alle Turbulenzen des Jahres 2014 überstanden, was mindestens bemekenswert ist, wenn nicht gar überraschend.

Awakow hängt tief drin in den Maidan-Morden des Februar 2014. Er hat die Untersuchung blockiert und einer der an den Morden beteiligten Personen ist heute sein Leibwächter. Awakow hat ihm gar eine goldene Pistole geschenkt. Es gibt keine offizielle Erklärung, wofür dem Leibwächter diese Ehre zuteil wurde.

Am 19. März symphatisierte Awakow noch mit Kolomojski, aber ab dem 20. März stellte er sich offen hinter den Präsidenten und hielt diese Position durch. Höchstwahrscheinlich untersteht Awakow direkt den USA. Das erklärt seine politische Karriere, seinen Sonderschutz gegenüber den schwersten Verbrechen, in die er verwickelt ist, und auch seinen Schwenk auf Poroschenkos Seite, als die USA eben diesen Befehl für die ukrainische Politik gaben.

Julia Timoschenko ist seit langer Zeit komplett abgetaucht. Wer ihren aufbrausenden Charakter kennt, weiss, dass das nicht ohne eine Order von ganz oben geht. Und da niemand in der Ukraine über Timoschenko steht, kann die Order nur aus Washington kommen. Vielleicht wurde ihr versprochen, dass ihre Zeit bald wieder kommt.

Turtschinow hält sich ebenfalls sehr im Hintergrund. Als Übergangspräsident hat er den USA gute Dienste geleistet und sich als zuverlässiger und zupackender Politiker bewiesen. Den sparen sich die Herren für wichtige Aufgaben auf. Wir werden noch von ihm hören.

Eine Untergruppe des Rechten Sektors hat in Kiew die Bewegung “Willst du essen, töte einen Unternehmer” gegründet. Sie rufen nicht offen zum Mord auf, weil das ein bisschen schwierig ist, aber sie rufen alle auf, Personen auf schwarze Listen zu setzen, Daten über sie zu sammeln (Adresse, Telefon, Beruf, Liebesaffären, Angehörige usw.) und diesen Leuten das Leben möglichst unangenehm zu machen. Man wolle erzieherische Arbeit leisten. Auf der Liste stehen auch namhafte Leute wie Vitali Klitschko. Die Polizei beobachtet nur, weil es noch keine offenen Drohungen gegeben hat.

Noch ein Wort zu Kolomojskis Informiertheit. Als sich am 20. März alle US-Vasallen demonstrativ auf die Seite Poroschenkos stellten und Pyatt Kolomojski öffentlich kritisierte, hätte ihm eigentlich klar sein müssen, dass er fallen gelassen wurde. Vielleicht war es auch schon zu spät für einen Rückzieher. Vielleicht aber war alles nur inszeniert, denn im Februar hatte Kolomojski in Dnepropetrowsk Besuch von US-Botschafter Pyatt, US-General Clark und Professor Philip Karber. Offizielles Thema des Treffens war militärische Zusammenarbeit. Nostalgische SBU-Offiziere haben durchsickern lassen, dass es konkret darum ging, die freien Bataillone der US-Kontrolle zu unterstellen. Prof. Karber ist ein Mann, von dem Sie höchstwahrscheinlich noch nie gehört haben. Er ist Militärstratege. Er war Militärberater von Thatcher und von mehreren US-Regierungen. Er hat im Hintergrund die NATO-Osterweiterung nach dem Zerfall der Sowjetunion organisiert. Selten driften Bekanntheit und Einfluss so weit auseinander wie bei Karber.

Entweder fühlte sich Kolomojski zu sicher, weil er die geballte US-Power hinter seinem Rücken glaubte. Und dann haben sie ihn verraten. Oder alles war nur Show, bei der er sich zurückziehen konnte, weil er seine Aufgabe erledigt hat. Wir werden es in den nächsten Monaten sehen. Wenn Kolomojski komplett untergeht, war es Verrat. Wenn er in neuer Rolle auftrumpft, war es vorbereitende Show. Wenn weder das eine noch das andere eintritt, dann ist es einfach so, dass die Amis sich auf eine Führungsperson in der Ukraine geeinigt haben und einfach nur für klare interne Verhältnisse gesorgt haben.

Mit Material von hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier (englisch), hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier.

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Der umgestülpte Brzezinski

Kai Ehlers ist ein Russland-Experte, der diese Bezeichnung ernsthaft verdient. Wenn Sie wissen wollen, wie es in Russland wirklich aussieht, schauen Sie häufiger auf der Seite von Ehlers vorbei. Mir ist im deutschen Sprachraum niemand bekannt, der Russland so gut kennt und auch wahrheitsgetreu über Russland berichtet.

Aktuell möchte ich auf einen Artikel (“Der umgestülpte Brzezinski”) von Kai Ehlers hinweisen, der meines Erachtens besonders gelungen ist. Der Autor beginnt mit einer Analyse der US-Geopolitik, bei der auch ein Licht auf die Deutschland zugedachte Rolle fällt. Weiter kritisiert Ehlers diese Politik und zeigt auf, warum sie scheitert. Im Rahmen dieser Argumentation liefert er eine herausragende Analyse der russischen Kultur. Das ist so treffend und so prägnant auf den Punkt gebracht, dass auch die Russen selbst das mit Gewinn lesen können.

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Auch Deutschland will der AIIB als Gründungsmitglied beitreten

Auf Großbritanien folgen Deutschland, Frankreich und Italien. Sie alle beeilen sich, bis Ende März eine Bewerbung als Gründungsmitglied bei der Asian Infrastructure Investment Bank einzureichen.

Was soll man sagen…

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Geopolitische Signale

Kerry will wieder an einer politischen Lösung für Syrien arbeiten. Rückzug der USA an einer weiteren Front.

Kasachtan kündigt Dedollarisierung bis 2016 an. Kasachstan ist Mitglied der neuen Eurasischen Wirtschaftsunion.

Die russische Regierung und die russische Zentralbank prüfen den Nutzen einer Einheitswährung für die Eurasische Wirtschaftunion. Hillary Clinton hat übrigens (schon 2012) offen angekündigt, dass die USA alles unternehmen werden, um die Entfaltung der Eurasischen Wirtschaftsunion zu behindern.

Goldman Sachs empfiehlt, russische Staatsanleihen zu kaufen.

Großbritanien bewirbt sich bei der chinesisch dominierten Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) als Mitglied. AIIB ist eine Alternative zum US-dominierten IWF. Die USA sind not amused, um es milde auszudrücken.

SWIFT will Russland nicht ausschließen, sondern gibt Russland sogar einen Sitz im Vorstand. SWIFT ist ein in Belgien ansässiges Unternehmen und Monopolist für weltweite Banküberweisungen. Die USA haben einen Ausschluss Russlands von SWIFT gefordert. Russland wäre damit vom globalen Finanzsystem abgeschnitten.

Zur gleichen Zeit startet China die Testphase von CIPS. CIPS ist eine Alternative zu SWIFT und soll Ende 2015 in den regulären Betrieb gehen. Dann ist die Monopolstellung von SWIFT gebrochen und der Wirtschaftskrieg zwischen West und Ost kann in die heiße Phase übergehen.

Zur gleichen Zeit bewirbt China den Yuan als die neue Weltwährung. So, dass es niemand übersehen kann.

Der ehemalige FED-Vorsitzende Bernanke plädiert dafür, dass der US-Präsident den wirtschaftlichen Notstand ausrufen dürfen sollte. Er sagt das in Erwähnung einer Finanzkrise, die zu Chaos führt.

Alan Greenspan bewirbt Gold als Währung. Der in Finanzkreisen vergötterte Greenspan ist langjähriger ehemaliger FED-Vorsitzender und hat in dieser Funktion hart daran gearbeitet, Gold nicht zu einer Währung werden zu lassen.

Zentralbanken häufen Gold an. Das tun sie üblicherweise in Erwartung einer Krise. Im Artikel werden Russland und einige Länder der ehemaligen Sowjetunion hervorgehoben. Im Westen sieht es aber nicht anders aus. Viele EU-Länder sind ebenfalls sehr bestrebt, ihr physisches Goldvermögen zu erhöhen. Während Russland neues Gold kauft, versuchen die Europäer, ihr Gold aus den USA zurück zu holen.

Puzzeln Sie gerne? Welches Bild ergibt sich, wenn man diese Meldungen zusammen legt?

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Meinungsfreiheit unerwünscht

[Anti-Semitism] maintains conspiracy theories that spread without limits. Conspiracy theories that have, in the past, led to the worst “(…)” [The] answer is to realize that conspiracy theories are disseminated through the Internet and social networks. Moreover, we must remember that it is words that have in the past prepared extermination. We need to act at the European level, and even internationally, so that a legal framework can be defined, and so that Internet platforms that manage social networks are held to account and that sanctions be imposed for failure to enforce

Francois Hollande in einer Rede am 27. Januar 2015.

Der französische Präsident stellt einen Zusammenhang von Verschwörungstheorien und den Nazi-Verbrechen her, beschwert sich über grassierende Verschwörungstheorien im Internet und in sozialen Netzwerken und zieht den folgerichtigen Schluss, endlich gesetzlich gegen all die Verschwörungstheoretiker vorzugehen.

Das ist eine unverstellte Ankündingung von Zensur.

Mit dem Schlagwort „Verschwörungstheorie“ wird gegen alles gekämpft, was der offiziellen Deutung einer westlichen Regierung widerspricht.

Bleiben wir bei Hollande, es ist sein Auftritt. Mit Verschwörungstheorie meint er sicher solche Videoanalysen. Sie erinnern sich an die Charlie Hebdo Attentäter, die einen am Boden liegenden Polizisten mit einem Kopfschuss aus einer Kalaschnikow hingerichtet haben. Ein Journalist hat sich die Mühe gemacht, das Video langsam ablaufen zu lassen. Dabei sieht man, dass der Polizist überhaupt nicht getroffen wird. Der Attentäter schießt, die Kugel trifft den Asphalt, man sieht keinerlei Veränderungen am Kopf des Polizisten. Schauen Sie einfach selbst. Aber Obacht, es wird Sie zum Verschwörungstheoretiker machen!

Verschwörungstheoretiker sind sicherlich auch Leute, die auf die vielen Sonderbarkeiten des Attentats hinweisen. Etwa darauf, dass die hochprofessionell agierenden Attentäter ihren Ausweis im Auto liegen lassen. Oder darauf, dass Polizeichef Helric Fredou, der die Ermittlungen des Attentats leitet, in der Nacht nach dem Attentat Selbstmord begeht. Wenn Sie eine ganze Fülle solcher sonderbarer Zufälle auch sonderbar finden und sich womöglich über diese Dinge informieren wollen, sind Sie… richtig geraten, ein Verschwörungstheoretiker.

Vielleicht müssen Sie gar nicht so weit gehen und es reicht schon, solche Bilder anzusehen und weiter zu verbreiten, auf denen die offizielle Charlie Hebdo Trauergemeinde aus einer etwas versetzten Position fotografiert wurde, so dass man sie als PR-Veranstaltung erkennen kann. Schauen Sie sich das an, solange es erlaubt ist.

„Verschwörungstheorie“ ist ein Kampfbegriff, der pauschal gegen alle und alles geworfen wird, was der offiziellen Deutung von Ereignissen widerspricht. Es ist eine Denunzierung der Kritiker, die SIE dazu verleiten soll, die Argumente der Kritiker gar nicht erst anzuschauen.

Die Logiklöcher der offiziellen Deutungen sind aber so gewaltig, dass immer mehr Menschen Fragen stellen und Antworten suchen, ungeachtet dessen, dass man sie als Verschwörungstheoretiker denunziert. Die freiwillige Selbstzensur der Bevölkerung beginnt zu versagen. Sonst müsste sich Hollande nicht bemühen, sie in eine rechtlich bindende Zensur zu überführen. Ich wünsche Ihnen bei diesem Vorhaben zu versagen, Monsieur Hollande.

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