Wladimir Putin wünscht seinen Kollegen ein frohes neues Jahr (hier auf englisch). So weit, so förmlich und unspektakulär. Aber wenn wir genau hinschauen, sehen wir ein diplomatisches Worträtsel für uns Laien. Was sagen die Glückwünsche jeweils über die Beziehung zum beglückwünschten Land aus? Alle sind betont freundlich… und doch sehr unterschiedlich. Worauf kommt es an und welche Botschaften entdecken wir im Wust der freundlichen Worte? Das Spannende ist, dass wir hier Dutzende kleine diplomatische Botschaften zum gleichen Thema nebeneinander stehen haben, das macht uns den Vergleich sehr einfach.
Einen kleinen Dienst will ich erweisen, indem ich die Gratulierten in der originalen Reihenfolge aufliste:
- Abchasien
- Aserbaidschan
- Armenien
- Weißrussland
- Kasachstan
- Kirgistan
- Moldawien
- Tadschikistan
- Turkmenistan
- Usbekistan
- Südossetien
- Argentinien
- Brasilien
- Vatikan
- Großbritannien
- Ungarn
- Venezuela
- Vietnam
- Deutschland
- Griechenland
- Israel
- Indien
- Spanien
- Italien
- Kanada
- China
- Südkorea
- Kuba
- Monaco
- Serbien
- Syrien
- Slowenien
- USA
- Türkei
- Finnland
- Frankreich
- Kroatien
- Tschechien
- Südafrika
- Japan
Das einfachste Rätsel sei sogleich gelöst – die Reihenfolge der gratulierten Staaten ist von 1 – 11 und von 12 – 40 jeweils alphabetisch sortiert (im russischen ist es so, auch wenn es in der Übersetzung nicht so aussieht). Zuerst wurden also die ehemaligen Sowjetstaaten gratuliert, dann alle anderen. Den Verwandten gewährt Putin Vorrang vor den übrigen, aber innerhalb der beiden Gruppen lässt er das Alphabet walten, um keine offensichtliche Gewichtung zu verraten.
Kommentare nur für Mitspieler geöffnet.
Nachtrag, 5. Januar 2019: Der Benutzer “Helm ab zum Gebet” hat eine Übersetzung ins deutsche zukommen lassen. Nach Prüfung und Korrekturen meinerseits können wir Putins Glückwünsche an die ehemaligen Sowjetstaaten nun in deutscher Sprache analysieren:
In seiner Botschaft an den Präsidenten der Republik Abchasien, Raul Khadjimba, stellte Wladimir Putin fest, dass das abgelaufene Jahr den zehnten Jahrestag der Anerkennung Abchasiens durch die Russische Föderation markiert und äußerte sich überzeugt über den weiteren Ausbau der bilateralen Bündnisbeziehungen und der strategischen Partnerschaft zum Wohle der brüderlichen Völker beider Länder im Interesse der Stärkung des Friedens und der Gewährleistung der Stabilität im Kaukasus.
In der Botschaft an den Präsidenten der Republik Aserbaidschan, Ilham Alijew, betonte der Präsident Russlands, dass 2018 ein hochproduktives Jahr für die Beziehungen zwischen Russland und Aserbaidschan war, und wies auf Fortschritte bei der Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen und den politischen Dialog auf allen Ebenen hin.
Der russische Präsident zeigte sich auch zuversichtlich, dass die Umsetzung der bilateralen Abkommen, die während der substantiellen und konstruktiven Gespräche in Moskau, Sotschi und Baku unterzeichnet wurden, die strategische Partnerschaft zwischen Russland und Aserbaidschan weiter stärken wird.
Wladimir Putin sendete seine Glückwünsche auch an den Präsidenten der Republik Armenien, Armen Sarkissjan und an den Premierminister der Republik Armenien, Nikol Pashinyan.
Der russische Präsident betonte, dass die bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Ländern auf jahrhundertealten Traditionen der Freundschaft und der kulturellen und spirituellen Verbundenheit beruhen, und äußerte sich überzeugt hinsichtlich der weiteren Stärkung der Bündnisbeziehungen, der konstruktiven und partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Russland und Armenien im Rahmen der eurasischen Integrationsprozesse, die den Interessen der brüderlichen Völker beider Staaten in vollem Umfang gerecht werden und zur Stärkung der regionalen Stabilität und Sicherheit beitragen.
In seinen Glückwünschen an den Präsidenten Weißrusslands Alexander Lukaschenko stellte der Präsident Russlands fest, dass sich die russisch-weißrussische Zusammenarbeit auf der Grundlage guter Traditionen der Freundschaft und der nachbarschaftlichen Beziehungen im politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und anderen Bereichen produktiv weiterentwickelt, dass weiter an der Stärkung des Unionsstaats gearbeitet wird, dass eine enge Koordination der Bemühungen innerhalb der Eurasischen Wirtschaftsunion, der GUS und der CSTO stattfindet.
Wladimir Putin zeigte sich auch überzeugt, dass eine weitere Stärkung der strategischen Partnerschaft zwischen Russland und Weißrussland den Interessen der beiden brüderlichen Völker in vollem Umfang entspricht.
Der Präsident wünschte Herrn Lukaschenko von Herzen kernige Gesundheit, Wohlergehen und Erfolg sowie allen weißrussischen Bürgern Glück, Güte und Fortschritt. [“kernige Gesundheit” wirkt im deutschen holprig, ist im russischen aber eine übliche und wohlmeinende Steigerung von Gesundheit]
In seiner Ansprache an den Präsidenten der Republik Kasachstan, Nursultan Nasarbajew, betonte der Präsident Russlands, dass sich die strategische Partnerschaft und das Bündnis zwischen Russland und Kasachstan dynamisch entwickeln und dass die handelspolitische, wirtschaftliche, energiewirtschaftliche, wissenschaftliche, technische und kulturelle Zusammenarbeit expandiert, wobei auch die interregionale Zusammenarbeit zunimmt. “Moskau und Astana spielen eine aktive Rolle bei der Förderung von Integrationsprozessen im eurasischen Raum”, merkte der russische Staatschef an.
Wladimir Putin zeigte sich auch zuversichtlich, dass die Umsetzung der umfangreichen Pläne zum Aufbau der gesamten Bandbreite der russisch-kasachischen Beziehungen dem Wohlergehen der brüderlichen Völker und der Gewährleistung regionaler Stabilität und Sicherheit dienen wird.
In der an den Präsidenten der Kirgisischen Republik Sooronbay Jeenbekov gerichteten Botschaft schätzte der russische Staatschef die Bündnisbeziehung und die strategische Partnerschaft zwischen Russland und Kirgisistan hoch ein und zeigte sich überzeugt, dass die gemeinsame Arbeit zum weiteren Aufbau des gesamten Komplexes bilateraler Beziehungen und zur Stärkung der konstruktiven Zusammenarbeit im Rahmen der eurasischen Integrationsprozesse im Interesse der Völker beider Länder und der Entwicklung der gesamten Region fortgesetzt wird.
In seinen Glückwünschen an den Präsidenten der Republik Moldau, Igor Dodon, äußerte der russische Präsident die Hoffnung, dass die Traditionen der Freundschaft und der Verbundenheit im Geist, die die Völker der beiden Länder verbinden, weiterhin als Grundlage für die Förderung einer konstruktiven Zusammenarbeit zwischen Russland und der Republik Moldau und einer Partnerschaft im GUS-Raum dienen werden.
In der Botschaft an den Präsidenten der Republik Tadschikistan, Emomali Rahmon, verwies Wladimir Putin auf die dynamische Entwicklung der Beziehungen zwischen Russland und Tadschikistan im Geiste des Bündnisses und der strategischen Partnerschaft und äußerte sich zuversichtlich über den Erfolg der gemeinsamen Arbeit zur Stärkung der bilateralen Zusammenarbeit in den Bereichen Politik, Handel, Wirtschaft, Kultur und vielen anderen Bereichen, sowie zur Lösung wichtiger Fragen der regionalen Agenda zum Wohle der befreundeten Völker der beiden Länder im Interesse der Gewährleistung von Sicherheit und Stabilität in Zentralasien.
In seiner Ansprache an den Präsidenten Turkmenistans, Gurbanguly Berdimuhamedov, betonte der russische Präsident, dass das jüngste Inkrafttreten des Vertrags über die strategische Partnerschaft zwischen der Russischen Föderation und Turkmenistan neue Möglichkeiten zur Stärkung der für beide Seiten vorteilhaften bilateralen Zusammenarbeit in den Bereichen Politik, Handel, Wirtschaft, Energie, Kultur und vielen anderen Bereichen eröffnet und zweifellos den Erwartungen der befreundeten Völker beider Länder entspricht.
In seinen Glückwünschen an den Präsidenten der Republik Usbekistan Shavkat Mirziyoyev unterstrich Wladimir Putin, dass die Bündnisbeziehungen und die strategische Partnerschaft zwischen Russland und Usbekistan sich gut weiterentwickeln. “Die Gespräche in Taschkent haben zum Ausbau der bilateralen Zusammenarbeit in den Bereichen Politik, Handel, Wirtschaft, Investitionen und militärisch-technische Angelegenheiten sowie Landwirtschaft und friedliche Nutzung der Kernenergie beigetragen”, konstatierte der russische Präsident unter anderem.
Wladimir Putin zeigte sich auch zuversichtlich, dass Russland und Usbekistan durch gemeinsame Anstrengungen in der Lage sein werden, weiterhin erfolgreich gegenseitig vorteilhafte Beziehungen in allen Bereichen aufzubauen, was in vollem Umfang den Interessen der beiden Länder entspricht und zur Stärkung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in der zentralasiatischen Region beiträgt.
Wladimir Putin übermittelte auch dem Präsidenten der Republik Südossetien, Anatoli Bibilow, seinen Glückwünsch, in dem er daran erinnerte, dass das vergangene Jahr von einem wichtigen Ereignis geprägt war: dem zehnten Jahrestag der Anerkennung der Unabhängigkeit Südossetiens durch die Russische Föderation. Der russische Präsident zeigte sich überzeugt, dass die weitere Entwicklung der Beziehungen zwischen Russland und Südossetien im Geiste des Bündnisses und der für beide Seiten vorteilhaften Partnerschaft im Interesse der brüderlichen Völker der beiden Länder ist und im Einklang mit der Stärkung von Frieden und Stabilität im Südkaukasus stattfindet.
Weiterer Nachtrag, 5. Januar 2019: Weitere Übersetzungen von Putins Glückwünschen:
In den an den Präsidenten der Argentinischen Republik Mauricio Macri gerichteten Glückwünschen betonte der russische Staatschef, dass die jüngsten Gespräche in Buenos Aires den freundschaftlichen und konstruktiven Charakter der Beziehungen zwischen Russland und Argentinien in vollem Umfang bestätigt haben. Wladimir Putin zeigte sich auch zuversichtlich, dass die Umsetzung der getroffenen Vereinbarungen zum weiteren Ausbau der gesamten Palette der bilateralen Beziehungen beitragen wird, im Geiste einer umfassenden strategischen Partnerschaft und im Interesse der Stärkung der internationalen Sicherheit und Stabilität.
Der russische Präsident beglückwünschte den Präsidenten der Föderativen Republik Brasilien Michel Temer und den gewählten Präsidenten der Föderativen Republik Brasilien Jair Bolsonaro. Im Zusammenhang mit dem Ende der Amtszeit von Michel Temer als Staatsoberhaupt dankte Wladimir Putin für die konstruktive Zusammenarbeit und das gegenseitige Verständnis zwischen den beiden Führern während der Zeit der gemeinsamen Arbeit und schätzte seine Bemühungen zur Stärkung der strategischen Partnerschaft zwischen den beiden Ländern hoch ein.
In seiner Ansprache an Jair Bolsonaro stellte der russische Staatschef fest, dass sich die Beziehungen zwischen Russland und Brasilien im Geiste der strategischen Partnerschaft produktiv entwickeln: die Länder kooperieren in Politik, Handel, Wirtschaft, Energie, Kultur und anderen Bereichen und koordinieren ihre Bemühungen zur Lösung wichtiger regionaler und globaler Probleme.
Wladimir Putin bekräftigte auch seine Bereitschaft zur gemeinsamen Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Russland und Brasilien, sowohl im Hinblick auf die bilaterale als auch auf die internationale Agenda, auch in BRICS, wo Brasilien im nächsten Jahr den Vorsitz führen wird.
In seinen Weihnachts- und Neujahrsglückwünschen an den Römischen Papst Franziskus äußerte Wladimir Putin die Hoffnung auf eine weitere Stärkung der Beziehungen zwischen Russland und dem Vatikan im Interesse der Verteidigung allgemein-menschlicher Werte und der Behauptung der Ideale von Gerechtigkeit und Frieden in der Welt, sowie zur Förderung des Dialogs zwischen den verschiedenen religiösen Konfessionen.
Der russische Staatsoberhaupt übermittelte seine Glückwünsche auch auf den Namen der Königin des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland Elisabeth II. und der Premierministerin des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland Theresa May, in denen er ihnen und ihren Familienangehörigen kernige Gesundheit, Glück und Erfolg, und dem britischen Volk Wohlergehen und Fortschritt wünschte.
In seinen Glückwünschen an den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban stellte der russische Präsident fest, dass in den Beziehungen zwischen Russland und Ungarn erhebliche Fortschritte erzielt werden konnten und dass neue Meilensteine der Zusammenarbeit erreicht wurden. Er betonte auch, dass er auf eine Fortsetzung der gemeinsamen Arbeit zur Stärkung der bilateralen Beziehungen in verschiedenen Bereichen setzt.
In den Glückwünschen an den Präsidenten der Bolivarischen Republik Venezuela, Nicolas Maduro, stellte der Präsident Russlands fest, dass die jüngsten Gespräche in Moskau die Nähe der Standpunkte der beiden Länder zu Schlüsselfragen der internationalen Agenda bestätigten und es ermöglichten, Schritte zum Ausbau der für beide Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit aufzuzeigen. Der russische Staatschef zeigte sich zuversichtlich, dass die getroffenen Vereinbarungen die strategische Partnerschaft zwischen Russland und Venezuela weiter stärken werden.
Und ein paar Kommentare:
- In Putins diplomatischem Code gibt es “Partner” (darunter fallen auch Feinde) und “strategische Partner”. Wer es zum strategischen Partner Russlands geschafft hat, darf stolz und glücklich sein und sich zu Russlands Partnern im eigentlichen Wortsinn zählen. Wo immer Putin von strategischen Partnern spricht, sind gute, fruchtbare und auf Langfristigkeit ausgelegte Beziehungen am Werk. Die Steigerung der strategischen Partner sind “Freunde”.
- “Bündnis”-Beziehungen kennzeichnen eine tiefe wirtschaftliche und politische Integration mit Russland. Es bedeutet auch, dass der russische Bündnispartner in seiner Außenpolitik nicht von Moskau abweicht. Bündnisse sind eindeutig eine Steigerung zur “strategischen Partnerschaft”.
- Bezüglich Weißrussland ist von einem “Unionsstaat” die Rede. Das ist ein supranationaler Überbau von Russland und Weißrussland, eingeleitet 1996, als Gründungsvertrag 1999 unterschrieben, im Jahr 2000 von beiden Ländern ratifiziert und seitdem in Kraft. Das wird gerade mit neuem Leben gefüllt. Die Konsumenten “alternativer” Quellen russischer Herkunft haben diesbezüglich vermutlich schon die schlimmsten Horrorszenarien in den Kopf gepflanzt bekommen.
- In den Botschaften äußert Putin immer wieder Hoffnung, Zuversicht und Überzeugung bezüglich der anvisierten Entwicklungen in der Zusammenarbeit. Das sind unterschiedliche Gewichtungen. Alle drei Begriffe klingen gut und doch verraten sie, wie gut oder schwierig es um die Beziehungen tatsächlich steht. Die Glückwünsche an Moldau zum Beispiel enthalten gerade einmal die Hoffnung, dass die Zusammenarbeit (ohne nähere Spezifierung, in welchen Bereichen genau) besser wird. Das ist ein zartes Pflänzchen.
- Großbritannien wurde von vielen Kommentatoren erwähnt. Man beachte, dass Großbritannien nicht einmal als Partner bezeichnet wird. Man beachte, dass nicht einmal Hoffnung zum Ausdruck gebracht wird. In der Sprache der Personalabteilungen heißt das: “Wir konnten Sie leider nicht berücksichtigen. Für Ihren weiteren beruflichen und persönlichen Werdegang wünschen wir Ihnen alles Gute”. Selbiges gilt für die Glückwünsche an Kanada.
- Gegenüber Brasilien bekräftigt Putin seine Bereitschaft, die Zusammenarbeit zu verstärken. Das ist ein Angebot an die neue Regierung.
- Ungarn hat eine echte Kehrtwende in seiner Russland-Politik vollzogen. Das weiss man mit Sicherheit, basierend allein schon auf den wenigen Zeilen von Putins Grußbotschaft, selbst wenn man sonst überhaupt nicht mitverfolgt, was im letzten Jahr zwischen Russland und Ungarn gelaufen ist.
- Österreich fehlt überraschend, wie schon die Leser angemerkt haben. Auf die kleine Spion-Affäre würde ich mein Geld nicht verwetten. Hier ist Raum für mehr und Stoff zum Nachdenken.
- Iran fehlt, wie ebenfalls Leser angemerkt haben. Garantiert nicht wegen irgendwelcher Probleme, denn Iran ist ein “strategischer Partner” Russlands. Hier würde ich zur völlig banalen Erklärung tendieren, die ein Leser in den Kommentaren dargelegt hat: das westliche Neujahrsfest ist der iranischen Kultur so fern, dass Gratulationen absurd wären.
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