Gedächtnisverlust als Wirkung moderner Kriegsführung

Viktor Marachowski hat einen spannenden Beitrag herausgebracht. Titel: “Effekt der ‘Waffen des XXI. Jahrhunderts’ bekannt geworden: Die Opfer verlieren das Gedächtnis”.

Hier die Übersetzung, basierend auf DeepL und von mir gründlich nachbearbeitet (an der menschlichen Sprache beißt sich auch die beste KI noch immer großartig die Zähne aus):

Zuerst die Nachrichten. Der BBC-Produzent Riam Dalati, der etwas zu viel getwittert hat, hat seinen Twitter-Account vor der Öffentlichkeit verborgen.

Zur Erinnerung: Am Tag zuvor veröffentlichte dieser Mitarbeiter der British Broadcasting Corporation ein paar Tweets über den berühmten Gasangriff in Duma. Für diejenigen, die es vergessen haben: Der große Angriff geschah im vergangenen Frühjahr. Nach Angaben des vereinigten Westens ließen Hubschrauber der syrischen Armee “zwei Fässer Chlor” oder “zwei Streubomben” oder sogar “Sarinmunition” (je nach Quelle) auf eine Stadt fallen, die von der militanten Gruppe Dschaisch al-Islam gehalten wurde. Siebzig Menschen wurden getötet.

Als Beweis für das Verbrechen präsentierte die “Weiße Helme” Filmgesellschaft eine herzzerreißende Szene im Krankenhaus, wo Ärzte krampfhaft Wasser über vergiftete Kinder gossen und versuchten, deren Leben zu retten.

Eine Woche lang wurde in den Schlagzeilen über dieses Verbrechen geschrien, untermauert mit den Aufnahmen der “Helme” von den kaum lebendigen Kindern.

Die Führer der Weltfreiheit, von Trump bis zum letzten Macron, sprachen mit Härte und mit kalter, rechtschaffener Wut darüber.

Eine Woche später starteten die USA, Frankreich und Großbritannien einen gemeinschaftlichen Raketenvergeltungsschlag gegen Syrien – auch berühmt, weil er gemäß Syrien und Russland mit einem Totalversagen und gemäß den USA mit einem kompletten Erfolg endete.

Und weitere Zehn Tage später traf eine Delegation von 17 Teilnehmern der berühmten Duma-Filme in Den Haag ein – darunter einer der Jungen, die an einer Vergiftung vor der Kamera starben. Die Teilnehmer erzählten, dass es gar keinen Angriff gab: es gab einen Film. Der Junge erzählte, wie die Männer von den “Weißen Helmen”, Freunde der Militanten, die damals die Stadt hielten, ihn für Datteln anheuerten und wie sie ihn aus irgendeinem Grund in einem Krankenhausgebäude bewässerten.

Aber dieses Briefing wurde von allen fortschrittlichen Ländern ignoriert, weil es vom lügnerischen Russland organisiert wurde.

Monate sind vergangen. Und nun gab Produzent Dalati vorsichtig zu: “Nach einer sechsmonatigen Untersuchung können wir ohne Zweifel sagen: Die Szene im Krankenhaus wurde inszeniert. Niemand ist dort gestorben.” Er fügte jedoch hastig hinzu: “Es GAB einen Angriff. Sarin wurde nicht verwendet. Wir sollten auf den Abschluss der OPCW (Organization for the Prohibition of Chemical Weapons) warten, die den Einsatz von Chlor oder etwas anderem beweisen wird.”

Dann erkannte er schnell, dass er selbst das nicht hätte schreiben sollen, und sein Twitter wurde schlagartig “privat”. Die BBC antwortete auf die Fragen der frechen russischen Medien gereizt, dass “es die persönliche Meinung des Mitarbeiters war”.

…Und jetzt das Wichtigste. Es ist zuglich das Traurigste.

Über den Anflug von Ehrlichkeit beim Produzenten berichteten laut Google News:

  • Russische Medien
  • RT
  • Sputnik
  • Einige kleine kroatische, serbische und pakistanische Seiten

und sonst niemand.

Natürlich kann man sagen: Was soll’s, es war eine Fälschung. Was soll’s, deswegen wurden Hundert Raketen auf ein Land abgefeuert, dem es ohnehin nicht gut geht. Das ist doch auch schon lange her. Die Öffentlichkeit ist nicht mehr interessiert, die Öffentlichkeit will die aktuellen Neuigkeiten erfahren. Wegen einer anderen Fälschung wurde ganz Irak zerstört, sollen wir uns also jetzt plötzlich Sorgen machen?

Aber die Sache ist die, dass die BBC die Ergebnisse der Untersuchung genauso gut hätte veröffentlichen können, zum Beispiel irgendwo in der Rubrik “Meinung”. Und das Gleiche hätten auch all die anderen Medien tun können, die vor einem Jahr über das abscheuliche Verbrechen von Putin und Assad heulten. Und diese Widerlegung hätte dem von den führenden Massenmedien produzierten Propaganda-Weltbild in keiner Weise geschadet.

Denn wir leben in einer Zeit, in der die Grundinhalte vergangener Jahre, wie etwa die “Widerlegung in den Medien”, einfach irrelevant und bedeutungslos geworden sind.

Im weit entfernten 20. Jahrhundert, als der Durchschnittsbürger eine einzige Zeitung (“The Times” oder “Время” oder “Zeitung” oder “Le Tempe”) abbonierte, hätte die zuerst mit der Schlagzeile “Iwanow tötete Petrow” erscheinen und dann am nächsten Morgen eine Widerlegung veröffentlichen können: “Iwanow hat Petrow doch nicht getötet”. Und Iwanow konnte sich in der Stadt zeigen und wusste, dass in den Augen der überwältigenden Mehrheit seiner Mitbürger sein guter Ruf wiederhergestellt war.

Aber jetzt ist die Realität in den Händen der Medien schlimmer als Knetgummi. Das ist sowohl eine Sandburg als auch ununterbrochene Wellen, die diese Burg unterspülen. Im Gedächtnis der Massen”existiert” nur das wirklich, was permanent reingehämmert wird. Schwächen Sie das Einhämmern ab – und selbst die Erinnerung an Dinge, die scheinbar unmöglich zu vergessen sind, wird verschwinden. Und umgekehrt: Nehmen Sie beispielsweise für einige Jahre die Nachfahren sowjetischer Soldaten, die die Ukraine befreit haben, ins Dauerfeuer aus Fantasien und Zweigen der künstlichen Realität – und diese Nachfahren werden stolz darauf sein, sich Bandera-Jünger zu nennen.

Der Angriff in Duma war inszeniert? Versuchen Sie, einen Menschen in irgendeiner europäischen Stadt anzuhalten, der im April 2018 vor dem Fernseher prustete und “Assad, dieser Bastard” flüsterte und ihn darauf anzusprechen. Er wird wahrscheinlich fragen: “Duma? Verzeihung, wo ist das überhaupt?” In seiner Erinnerung gibt es ein allgemeines Wissen: “Der syrische Tyrann Assad bombardiert seine eigenen Bürger mit Sarin”. Denn sowohl vor der Fälschung der “Weißen Helme” als auch nach der Fälschung der “Weißen Helme” wurde ihm das dutzende Male eingetrichtert und aus jeder Ecke wiederholt.

Genau genommen ist “die Waffe des XXI. Jahrhunderts” genau das: eine kontrollierte durchfließende Realität, die durch den Kopf eines einzelnen Bürgers gelegt wird. Wenn das Gedächtnis und die Weltsicht des Menschen nicht mehr ihm selbst gehören, sondern ihm per Abonnement gestreamt werden, ist das im Prinzip eine schlimmere Bedrohung als jeder “Klimawandel”.

Man sollte übrigens nicht denken, dass wir hier vor “Gedächtniswaffen” geschützt sind, die auf Wunsch der Besteller die Realität des Publikums erzeugen. Das ist nicht der Fall. Natürlich hat unser Land seine eigenen Informationsabwehrsysteme, aber sie arbeiten nur gegen große Ziele. Und so wird jedem unserer Landsleute mindestens einmal am Tag ins Ohr geflüstert: “Höre nicht auf die Propaganda des Kremls – es ist eine Lüge. Lies nicht die staatlichen Medien – sie lügen. Glaub ihnen nicht. Glaub an die Sensationen, die deine Freunde aus sozialen Netzwerken dir von anonymen Quellen weitergeleitet haben. Diese würden nie lügen.”

Nein, natürlich wäre es töricht zu sagen, dass “die russischen Medien immer die Wahrheit berichten”. So lange Hellseher mit ägyptischen Pyramiden, Werbung für Mistomyzin und Meister des kontaktlosen Kampfes ihren festen Platz in den Staatssendern haben, würde eine solche Aussage lächerlich klingen.

Aber Russland bombardiert wenigstens niemanden auf der Grundlage irgendwelcher talentlosen Videoproduktionen. Und diesen Fakt, den wichtigsten, wird man nicht abstreiten können.

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