Vorangehen in der Asylfrage

Am kommenden Sonntag steht ein EU-Sondergipfel zum Thema Asyl an. Von Juncker eingeladen sind: Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Spanien, Niederlande, Belgien, Bulgarien, Griechenland und Malta. Das ist die Kern-EU zusammen mit den Staaten, über die Flüchtlinge EU-Boden betreten. Nicht eingeladen und offen gegen den Gipfel sind die osteuropäischen Mitgliedsstaaten.

Resümieren wir kurz. In der ersten Phase der Gipfelvorbereitung veranstalten die Kern-EU-Staaten Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien synchrones Flüchtlingstheater, um den Preis der eigenen Verhandlungspositionen in die Höhe zu treiben und um den Ergebnissen des Gipfels Legitimation zu verleihen. Von deutscher Seite wird eine mächtige Regierungskrise vorgetragen, damit Merkel beim Gipfel sagen kann: “Also ihr seht ja, wie mich der Horst daheim grillt, dem müssen wir seinen Wunsch wohl erfüllen. Sonst zerbricht die deutsche Regierung und dann herrscht in der gesamten EU Chaos und davon habt ihr ja auch nichts…”. In der zweiten Phase der Gipfelvorbereitung hat sich Merkel mit Macron getroffen, um die wesentlichen Eckpunkte der neuen Asylregelung in der EU auszuhandeln. In der dritten Phase der Gipfelvorbereitung werden gewisse Infos geleakt (Druck von deutsch-französischer Seite), wird mit Absagen gedroht (Gegendruck von italienischer Seite), wird zurückgerudert (Merkel sagt, dass das geleakte noch gar nicht gilt) und dergleichen mehr.

Das ist alles die tagespolitische Umsetzung einer Strategie. Schauen wir zwei Jahre zurück und zitieren direkt aus einem deutsch-französischem Strategie-Papier:

Deutschland und Frankreich sind überzeugt, dass es an der Zeit ist, eine wirklich integrierte europäische Asyl‑, Flüchtlings‑ und Einwanderungspolitik zu begründen. Angesichts der Dringlichkeit schließen wir nicht aus, dass wir mit einer Gruppe von Mitgliedstaaten vorangehen, die unsere Auffassung einer gemeinsamen Verantwortung teilen.

Das ist die zwei Jahre alte, exakte Ankündigung dessen, was wir heute beobachten können. Beachten Sie insbesondere auch, wie die Teilung der EU angesagt wurde und wie das tatsächlich umgesetzt wird.

PS: In den Kommentaren wurde gefragt, was ich von Q-Anon halte. Nicht viel, habe ich dort geantwortet. Stattdessen habe ich das Studium von Taten und von offiziellen Stellungnahmen empfohlen. Das oben verlinkte Strategie-Papier zitiere ich alle paar Monate seit zwei Jahren, weil sich die dort dargelegten Pläne mit äußerster Präzision erfüllen. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass ich dieses Papier auch wieder zitieren werde. Politik wird nicht von Tagespolitik bestimmt. Dass die Asylpolitik in der EU grundlegend verändert wird, auch rigoros gegen Widerstände aus eigenen Reihen!, hat sich nicht der Horst aus einer Laune heraus ausgedacht und dann eigenhändig angeschoben. Der Horst darf einfach eine Rolle übernehmen, die ins Konzept passt. Tagespolitik ist der Ausdruck einer langfristigen Strategie. Und die langfristigen Strategien sämtlicher Akteure sind kein Geheimnis, sie liegen offen herum wie das deutsch-französische Papier, man muss nur einmal damit beginnen, die Müllschleudern zu ignorieren und seine Zeit in das Studium relevanter (und überhaupt nicht geheimer) Dokumente zu stecken.

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