Zur Erinnerung: Bereits Ende 2016 schloss sich die OPEC mit Russland zusammen, um das Öl-Angebot auf den Weltmärkten zu senken und damit die Preise von damals ca. 40 Dollar pro Barrel zu heben. Die OPEC war damals schon nicht in der Lage, den Ölmarkt in Eigenregie zu lenken. Im Zusammenschluss mit Russland (OPEC+) war es gelungen, die Ölpreise auf ca. 65 Dollar pro Barrel zu heben.
Während der drei Jahre, in denen OPEC+ die Produktion drosselte, haben die USA ihre Produktion gesteigert und sich einen großen Teil der Märkte geschnappt, die von OPEC+ freigegeben wurden.
Dann kam die Königsgrippe und mit ihr die weltweite Rezession und mit ihr eine stark gesunkene Nachfrage nach Öl, bei unverändertem Angebot. Die Preise begannen zu fallen. Auf dem OPEC+ Treffen am 6. März 2020 wollte Saudi-Arabien eine weitere starke Reduzierung der Förderung durchsetzen. Russland war jedoch nur bereit, die bis dato vereinbarte Reduzierung der Förderung zu verlängern. Saudi-Arabien war damit so wenig einverstanden, dass es bekannt gab, aus dem Deal komplett auszusteigen, die Förderung stark zu erhöhen und seinen Kunden Sonderrabatte zu gewähren. Daraufhin sind die Ölpreise ins Bodenlose abgestürzt.
Kurz ein paar Zahlen zur Verdeutlichung der Lage. Russlands Haushalt basiert auf einem Ölpreis von 42 Dollar pro Barrel. Das saudische Haushalt legt einen Preis von 71 Dollar pro Barrel zugrunde. Die Öl-Industrie in den USA kann bei einem Preis ab 50 Dollar pro Barrel existieren. Preise von 20-30 Dollar pro Barrel stellen niemanden zufrieden.
Was würde passieren, wenn der Ölpreis weiter bei 25 Dollar bleibt oder sinkt? Dann hat Russland ein kleines Haushaltsloch, Saudi-Arabien ein großes Haushaltsloch, und die US-Ölindustrie keine Existenzgrundlage. Wer hält einen solchen Preiskrieg länger durch?
Ein echter Preiskrieg war von Saudi-Arabien nicht geplant. Die Androhung eines Preiskrieges war entweder ein Bluff, um Russland zum Einlenken zu bewegen, oder aber eine abgesprochene Aktion, um die gegebene Preiskrise auszulösen. Wozu? Um die USA mit ins Boot zu holen.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat am 3. April die Eckpunkte des neuen globalen Erdölkartells benannt.
Putins Lagedarstellung: Corona-Virus und damit verbundenen Einschränkungen in Transport und Produktion haben die Nachfrage nach Öl gesenkt. Gesunkene Preise können und werden zu Einschnitten bei den Investitionen in die Ölförderung führen. Wenn sich die Nachfrage wieder erholt, werden sich die ausgesetzten Investitionen rächen und die Preise können nach oben durch die Decke gehen, was auch schlecht wäre. Russland strebt einen ausgewogenen Ölpreis an, nicht zu hoch, nicht zu niedrig. Russland fühle sich mit einem Preis von 42 Dollar pro Barrel komfortabel.
Putin schlägt vor, gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen, um den Ölpreis zu stabilisieren. Er nennt explizit die USA, mit denen man auch zusammenzuarbeiten bereit ist. Zunächst sei eine globale Drosselung um 10 Millionen Barrel pro Tag anzustreben.
Russlands Energieminister Nowak betonte ebenfalls, dass es wichtig sei, dass sich alle an der Lösung der Krise beteiligen: Russland, OPEC, die USA, sonstige Förderländer – also alle.
Putin geht noch mal auf den von Saudi-Arabien begonennen Preiskrieg ein und erklärt ihn damit, dass die Saudis ihre Konkurrenz aus den USA beseitigen wollen.
Putins Abschluss möchte ich direkt zitieren:
Aber wir müssen zweifellos die Interessen aller unserer Partner berücksichtigen, wirklich aller. Nur so können wir gerechte Vereinbarungen für einen ausbalancierten Markt finden.
Wenn wir das zusammenfassen…
- Alle Ölproduzenten, einschließlich der USA, müssen sich in einem neuen Kartell zusammenschließen.
- Die Interessen aller müssen berücksichtigt werden.
- Saudi-Arabien hat ein Interesse daran, die US-Ölindustrie mehr oder weniger einzudämmen (d.h. die USA werden zumindest die Marktanteile, die sie sich in den letzten drei Jahren von OPEC+ geschnappt haben, wieder abgeben müssen)
Die Partner haben die Wahl: Einschlagen oder im Preiskampf sterben.
Die Wahl ist nicht sonderlich groß und der Ausgang nicht sonderlich spannend. Am Ende wird sich alle Welt die Förderquoten bei Putin abholen. Bis dahin werden wir noch einiges an Gerangel und Geschrei und Theater sehen.
Während dieser Artikel reifte und auf seine Publikation wartete, gab es am 9. April eine außerordentliche OPEC+ Sitzung, bei der sich Russland und Saudi-Arabien bezüglich der Förderkürzungen einig wurden. Noch in der Nacht zum 10. April gab es eine Telefonkonferenz zwischen Putin, Trump und bin Salman. Und weiterhin zum gleichen Thema hatte Putin am 10. April noch Einzeltelefonate mit Trump und mit bin Salman. Trump informierte Putin über seine Verhandlungen mit den Ölförderern seines Einflussbereichs. Wie die Presse ebenfalls am 10. April zu berichten weiss, haben auch Mexiko und die USA Förderkürzungen auf sich genommen.
Schon haben wir alle großen Öl-Exporteure im Boot. Die Anteile sind für den Moment nicht entscheidend. Die USA werden beispielsweise für den Moment mit vergleichsweise sehr geringen Kürzungen in den Club aufgenommen, weil das gut für Trump und seine Wiederwahl ist. Er wird sich gebührend als Retter der Welt inszenieren und allen unter die Nase reiben, was für einen vorteilhaften Deal er für die USA ausgehandelt hat. Mit der Zeit werden sich die Anteile noch stark verändern. Es gehört zu Putins Stil, seine Ziele in kleinen Schritten und mit eiserner Geduld zu erreichen.
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