Umverteilung in Russland

Putin hat sich an die Nation gewandt und eine Reihe von Maßnahmen im Zusammenhang mit der Königsgrippe verkündet.

Darunter diverse Schutzmaßnahmen für Mittelstand und Kleinunternehmen und für Kreditnehmer aller Art. Monatliche Sonderzahlungen für Familien mit Kleinkindern. Erhöhung des minimalen Krankengeldes. Anhebung des maximalen Arbeitslosengeldes um 50 %.

Spannend: Arbeitgeber müssen nur noch die Hälfte an Sozialversicherung für Beschäftigte zahlen, wenn (nur wenn) der Lohn über dem gesetzlichen Existenzminimum liegt. Und: Das ist eine bleibende Maßnahme, die nicht zurückgefahren werden wird. Das ist ein Anreiz, von der in Russland üblichen Praxis abzurücken, das Gehalt zweizuteilen: in einen kleinen Teil, der offiziell ist, den Behörden gemeldet wird und mit Steuern und Abgaben belegt wird, und den anderen Teil, der monatlich schwarz und steuerfrei im Briefumschlag dazukommt. Bis jetzt hat Putin im wesentlichen nur die großen Konzerne mit Staatsbeteiligung von dieser Praxis befreien können – dort läuft nichts mehr an den Behörden vorbei. Die angekündigte Maßnahme wird einen Teil der verblieben großen grauen Zone in die weiße Zone reinziehen.

Noch spannender: Zwei neue Steuern sollen die angekündigten zusätzlichen Sozialleistungen gegenfinanzieren. Zum einen werden sämtliche Dividenden und andere Gewinnausschüttungen, die aus Russland ins Ausland transferiert werden, mit einer Steuer von 15 % belegt (bisher effektiv 2 %). Das ist die “Offshore-Steuer”. Zum anderen sollen Einnahmen aus Wertpapieren, z. B. Aktiendividenden, mit 13 % besteuert werden (bisher gar nicht besteuert), wenn der Gesamtwert der Einlagen eine Million Rubel übersteigt (etwa 12 Tausend Euro nach aktuellem Kurs). Ein Prozent aller Anleger sollen von der “Wertpapier-Gewinn-Steuer” betroffen sein.

Zwei Steuern, die jeweils die Reichen treffen. Als Gegenfinanzierung für Extra-Kindergeld und andere Sozialmaßnahmen. Umverteilung von oben nach unten. Man darf annehmen, dass große Teile der betroffenen russischen Geldeliten wenig begeistert sind. Nur haben sie gerade so gar keine Trümpfe in der Hand, um gegen derlei Maßnahmen Lobby zu machen oder gar dagegen zu intrigieren. Und die aktuelle Lage auf den Finanzmärkten lädt nicht zu einer schnellen Kapitalflucht ein…

Wie gut sich doch alles zusammenfügt. Möglich gemacht dank der Königsgrippe.

Wir betreten die Phase des größten Chaos und damit auch die Phase der größten Möglichkeiten. Jetzt beginnen tektonische Verschiebungen, die vor wenigen Wochen noch völlig undenkbar schienen.

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