Schulz ist raus

Mit Blick auf die bevorstehenden Prognosen zum Jahresbeginn habe ich schon gebangt, dass die Bundestagswahl zu viele mögliche Optionen offen lässt. Drei Kandidaten waren noch möglich: Merkel, Schulz und Gabriel. Die entscheidende Frage wird sein, welcher Kandidat im Wahlkampf gegen Russland hetzt und welcher eine klar prorussische Position einnimmt. Der prorussische Kandidat wird gegen den Russlandhetzer gewinnen. Nachdem das sogar in den USA so gelaufen ist, könnte man annehmen, dass es bei den US-Vasallen klingelt und die sich ein paar Gedanken machen. Im Prinzip aber kann jeder Kandidat sich für die eine oder die andere Strategie entscheiden, woraus sich bei drei Kandidaten recht viele Möglichkeiten ergeben, was nicht so angenehm ist, wenn man sich vornimmt, das Ergebnis zu prognostizieren.

Stellen Sie sich vor, Schulz wird von der SPD nominiert und er fährt, genau wie Merkel, die Russlandhetze-Strategie. Das wäre der Horror schlechthin. Wählen Sie, ob Sie sich von der roten oder von der schwarzen Pille umbringen lassen. Von dem ausgehend, was in Deutschland gesprochen wird, wäre das aber eine Option für den Wahlkampf.

Einen Teil der Spekulationen können wir nun beiseite schieben. Es sieht so aus, dass die feindliche Übernahme der SPD durch Schulz nicht gelungen ist. Gabriel ist der einzige große SPD-Hirsch geblieben, der noch Anspruch auf die Kanzlerkandidatur hat. Gehen wir mutig davon aus, dass er der Kanzlerkandidat wird.

Wir gehen also von zwei Kandidaten aus, die sich bezüglich ihrer Haltung zu Russland so oder so positionieren können. Das ergibt nur noch vier mögliche Konstellationen. Beide gegen Russland, beide dafür, jeweils einer dafür und der andere dagegen. Ich möchte ausschließen, dass sich beide russlandfeindlich positionieren. Gabriel war diesbezüglich zurückhaltend in den letzten Jahren und er wird nicht umsonst in Moskau gewesen sein. Seine Position sei als russlandfreundlich angenommen. Damit verengt sich das Feld der Möglichkeiten auf zwei.

Die Frage ist, was Merkel tut. Den Taten nach ist sie dem transatlantischen Oligarchat längst nicht so ergeben, wie es ihren Worten nach aussieht. Deutsche Firmen dürfen kräftig in Russland investieren. Nord Stream 2 wird planmäßig vorangetrieben. Die diplomatischen Beziehungen zu Russland sind angespannt, aber alles andere als abgebrochen. Die Integration Deutschlands und der EU in Chinas Neue Seidenstraßen wird nicht beworben, aber es gibt auch nicht den Hauch einer Absage, stattdessen werden Pilotprojekte still und ohne Medienwirbel umgesetzt. Merkel hat den USA kein einziges geostrategisches Geschenk gemacht. Der Mediengestank lässt das nicht vermuten, aber es ist so.

Merkel ist Opportunistin, sie hat schon bewiesen, wie sie sich von einem Tag auf den anderen um 180 Grad drehen kann, wenn es ihr politische Vorteile einbringt. Als das Kernkraftwerk in Japan medienwirksam explodierte und die Grünen die Champagner-Korken knallen ließen, zerstörte Merkel die grüne Party sofort und knallhart, indem sie die Initiative an sich riss und plötzlich stark für ein Verbot der Kernkraftwerke in Deutschland war, obwohl es die CDU war, die den Weiterbetrieb befürwortete. Der Stimmenfang der Grünen war beendet, noch bevor er begonnen wurde. Deswegen fällt es mir schwer zu glauben, dass Merkel die russophobe Haltung im Wahlkampf durchziehen wird. Die erfahrung der letzten Zeit zeigt, dass das eine schädliche Haltung ist und die Erfahrung mit Merkel zeigt, dass sie ihre Haltungen wie die Socken wechseln kann, wenn es ihr nützlich ist.

Stand jetzt erscheinen mir zwei Konstellationen möglich. Die erste: Merkel und Gabriel gehen beide auf Schmusekurs zu Russland. Dann tippe ich auf Merkel. Die zweite Konstellation: Merkel wählt die Strategie der Russlandhetze, versucht es also Clinton gleich zu machen und zu sagen, der böse Gabriel da, der ist für die Russen, also müsst ihr mich wählen. Dann tippe ich auf Gabriel. Ich weiss ehrlich gesagt nicht, warum Merkel das tun sollte, aber es ist mein Entgegenkommen an meine scharfen Kritiker. Ich habe noch keine Argumente gesehen, die mich an die zweite Möglichkeit glauben lassen, aber ich kann etwas übersehen haben. Schicken Sie mir bitte keine Mails mit dem Argument, dass Merkel Psychopathin ist, das wandert unbeantwortet in den Papierkorb.

Jedenfalls ist es angenehm, dass sich mit der Absage von Schulz das Feld der Möglichkeiten verengt hat. Das muss nicht besser sein, aber angenehmer zum analysieren ist es. Die Prognose von Norbert Häring hat sich nicht bewahrheitet, so wie es im Moment aussieht.

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