Ein weiteres Ultimatum für die EU

Die USA verlangen von der EU, jährlich Milliardenbeträge in die Ukraine zu pumpen, sonst… lassen sie die EU explodieren.

Russland verlangt von der EU, die russischen Gaslieferungen an die Ukraine zu bezahlen, sonst… klaut die Ukraine das EU-Gas aus den Leitungen und die energieintensive EU-Wirtschaft bekommt Probleme im Winter.

Bis vor kurzem hat die Ukraine russisches Gas auf Kredit bekommen. Seitdem sich die Ukraine weigert, ihre Schulden für bereits erhaltenen Gas zu bezahlen, liefert Russland nur noch gegen Vorkasse. Nun ist in der ukrainischen Kasse nicht viel drin und was drin ist, wollen die Politiker lieber klauen, anstatt dafür Gas zu kaufen. Der EU ist völlig egal, ob die Ukrainer im Winter frieren müssen oder nicht. Das Problem der EU ist, dass die Ukraine als Gas-Transitland noch nicht ersetzbar ist. Das Problem der EU ist, dass die Ukraine schon mehrmals unter Beweis gestellt hat, dass sie das Transitgas schamlos abzweigt, wenn die eigenen Vorräte knapp sind. Das Problem der EU ist, dass die eigenen Vorräte der Ukraine sehr knapp sind. Das Problem der EU ist, dass es keine Alternative zu russischem Gas gibt. Das Problem der EU ist, dass Russland die Vasallenphase hinter sich gelassen hat und sich nicht mehr die Kosten anderer Länder aufbürden lässt.

Die Ukraine ist derzeit Teil eines spannenden Pokerspiels. Das Land ist ein finanzielles Schwarzes Loch und die drei Spieler USA, EU und Russland pockern gerade darum, wem dieses Schwarze Loch um den Hals gehängt wird.

Die EU muss weiterhin Gas aus Russland beziehen und noch muss sie dieses Gas über das Transitland Ukraine beziehen. In der oben dargelegten Konstellation bedeutet es, dass die EU auch die russischen Gaslieferungen an die Ukraine mitbezahlen muss, wenn sie Energieprobleme im Winter vermeiden will.

Die EU hat sich dazu bereit erklärt. Brüssel und Russlands Energieminister Nowak haben eine Einigung erzielt: Die EU zahlt 500 Millionen Euro für Gaslieferungen an die Ukraine und will weitere 500 Millionen aus der Weltbank rauspressen. Insgesamt bürgt die EU damit für eine Milliarde Euro gegenüber Russland. Das Geld wird gar nicht erst auf ukrainische Konten überwiesen (weil es dort garantiert verloren geht), sondern direkt an Russland gezahlt. Formal handelt es sich natürlich um einen Kredit, der der Ukraine gewährt wird. Faktisch wird man dieses Geld nie wieder sehen, weil die Ukraine längst nicht mehr kreditwürdig ist.

Dabei sind die vereinbarten Gas-Preise auf EU-Niveau. Die Gas-Vorzugspreise für die Ukraine sind abgeschafft. Zumindest in dieser Hinsicht hat die Ukraine bekommen, was sie wollte und die EU das, was sie die naiven Ukrainer böswillig hat glauben lassen.

Das Pokerspiel bekommt zusätzliche Würze dadurch, dass die Ukraine sich noch weigert, dem Deal zuzustimmen. Sie wollen irgendwelche Gegenvorschläge unterbreiten. Warum darf denn der auf dem Tisch liegende Chip mitpokern? Weil der Chip den USA gehört und die USA hart daran arbeiten, die Beziehungen zwischen Russland und der EU zu kappen.

Es wäre sehr witzig, wenn die USA den Deal tatsächlich vereiteln. Die Mittel dazu haben sie auf jeden Fall. Das Problem ist, dass es unmöglich ist, die Schuld daran Russland in die Schuhe zu schieben. Denn gekippt wird ein Vorschlag der EU, für den die EU auch schon die Mittel aufgetrieben bzw. zugesichert hat. Tatsächlich würde eine solche US-Aktion die transatlantischen Beziehungen belasten. Die USA können speziell in dieser Runde des Spiels zwischen schlecht und schlecht wählen.

Und die EU ist in diesem Spiel vollends zum Spielball der großen Jungs degradiert. Sie wünscht sich, eine Milliarde Euro in einen gescheiterten Staat zu versenken und kann sich nicht mal sicher sein, dass man sie das tun lässt. Denn mit dieser Milliarde erkauft sich die EU Energiesicherheit für den kommenden Winter. Und der größte Freund der EU könnte zu der Meinung gelangen, dass es eine unangemessen gute Entlohnung ist.

Als die EU sich während des Maidan 2013/2014 an den Pokertisch um die Ukraine gesetzt hat, habe ich meinen Freunden gesagt, dass es eine miserable Idee war und ich habe mich über die Blödheit der EU-Diplomatie aufgeregt. Mitte 2014 war schon sichtbar, dass die EU am Pokertisch in die Falle geraten ist, aus der sie nicht herauskommt. Ein Jahr später sehen wir die sehr konkreten, in Milliardenbeträgen messbaren Auswirkungen dieser Falle. Die beiden großen Jungs am Tisch bringen die EU in die Bück-Dich-Stellung.

Nicht, dass diese Stellung etwas neues für die EU wäre. Es schmerzt die Tatsache, dass der Akt nunmehr öffentlich vollzogen wird. Und es schmerzt die Tatsache, dass die EU sich nicht nur vor dem anerkannten Herren bücken muss, sondern auch vor Russland, den die EU in ihrer Blödheit und Arroganz als Junior Partner behandeln wollte anstatt das Angebot einer gleichwertigen Partnerschaft anzunehmen.

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