Wo sind sie denn?

Im russischen Internet gibt es in den letzten Monaten viele hochinteressante Artikel und ganze Artikelserien über die zivile Nutzung von Atomenergie. Hochspannend! Zu einigen Themen habe ich die Wikipedia konsultiert. Was ein “Fast-neutron reactor” ist, weiss die deutsche Wikipedia gar nicht. Der Brutreaktor ist aber gelistet. Russland arbeitet erfolgreich an Brutreaktoren, die gleichzeitig auch schnelle Neutronen-Reaktoren sind.

Es gibt ein “Generation IV International Forum“, einen Forschungsverbund, der Kernkraftwerke der vierten Generation entwickeln will. Der deutsche Wiki-Artikel ist echt spannend. Da heißt es, dass es sechs Reaktortypen gibt, denen das Forum Erfolgsaussichten bescheinigt. Die Kurzbeschreibung der sechs Reaktortypen enthält jeweils Angaben über die Entwicklerteams. Insgesamt tauchen auf (in alphabetischer Reihenfolge): China, Euratom, Frankreich, Japan, Kanada, Korea, Schweiz, Südafrika, USA.

Wo bleiben denn die Russen? Von den im Artikel erwähnten schnellen natriumgekühlten Reaktoren, betreibt Russland bereits zwei Stück kommerziell. Die Autoren des Artikels haben das auch gewusst:

Einige SFR sind schon weltweit kommerziell in Einsatz gewesen (bsp. Phénix 1973–2010, BN-Reaktor 1980-heute), sodass bei dieser Baureihe am meisten Erfahrung gesammelt wurde. Die zwei wichtigsten SFR Projekte der Generation-IV sind der französische Advanced Sodium Technological Reactor for Industrial Demonstration (ASTRID)[8] und der Power Reactor Innovative Small Module PRISM[9] von Hitachi und General Electric.

“BN-Reaktor 1980-heute” – damit sind die beiden russischen BN-600 und BN-800 gemeint. Nachdem die Franzosen den Betrieb ihres Phenix-Reaktors eingestellt haben, ist Russland das einzige Land weltweit, das schnelle natriumgekühlte Reaktoren kommerziell betreibt. Und natürlich weiterentwickelt. Der BN-800 ist erst vor ein paar Monaten ans Netz gegangen. Der BN-1200 kommt in den nächsten Jahren mit zahlreichen Verbesserungen dazu. Wikipedia will die russischen Weiterentwicklungen aber nicht zu den wichtigsten Projekten auf diesem Gebiet dazuzählen, obwohl sie objektiv am weitesten fortgeschritten sind. Die freie deutsche Enzyklopädie hat sicher gute Gründe dafür.

Veröffentlicht in Analysen Getagged mit: ,
7 Kommentare zu “Wo sind sie denn?
  1. Malkaye sagt:

    Gerade weil ich diesen blog schätze stimmt es mich nachdenklich, dass Wikipedia hier “freie deutsche Enzyklopädie” genannt wird und eine Zensur seitens Wikipedia suggeriert wird. Bei Wikipedia kann per definition jeder schreiben was er will. Außerdem wurde vor Jahren schon bekannt, dass US-Dienste tausende Mitarbeiter zur systematischen Informationsbeeinflussung auf Wikipedia arbeiten. Hauptberuflich. Habe da die Zahl 30.000 im Kopf, und dass die anfangs so fahrlässig waren nicht mal ihre IP/Ortsansässigkeit (damals offen sichtbar) Langley, zu verschleiern.

    • Analitik sagt:

      Und was genau stimmt Sie nachdenklich? Die deutsche Wikipedia, auf die ich mich bezogen habe, ist doch eine freie deutsche Enzyklopädie.

  2. Hans aus Olb sagt:

    Es könnte das westliche Überlegenheitsgefühl ankratzen, wenn man russische Forschungs- bzw. Wirtschaftsleistungen anerkennt.

    Ergo werden sie verschwiegen.

    Das im Westen nicht erst seit dem Ende des WWII verankerte Bild über die Russen darf nicht beschädigt werden. Man käme sonst auf den Gedanken, dass es sich bei Russland evtl. doch nicht um ein *Obervolta mit Atomwaffen* handeln könnte (in Abwandlung wurde dieser Spruch von einigen führenden Politikern benutzt, Albraid z. B.).

    Es ist Teil einer Gesamtstrategie, Russland auf allen Gebieten *dumm* aussehen zu lassen, während man ab und an die nuklear-militärische Komponente ausklammert, um Bedrohung durch diese Barbaren zu suggerieren.

    Der Kampf gegen Russland wird auf allen Ebenen geführt, auf der militärischen Ebene verdeckt, auf der diplomatischen und propagandistischen, ebenso auf wirtschaftlicher und finanztechnischer Ebene.

    Da Einiges davon immer offensichtlicher wird und evtl. in westlichen Bevölkerungen vermehrt Zweifel an der Richtigkeit bzw. an der Zielführung aufkommen könnten, scheint man es als notwendig zu erachten, flankierend dazu auch solche oben genannten Informationen zurückzuhalten.

  3. Seiler sagt:

    Bitte machen Sie weiter so,
    es existieren zwar diese Monster in D., sie werden aber täglich weniger, unter anderem Ihrer Tätigkeit twegen.
    Ich versuche auch durch Ihre Artikel Menschen “wachzurütteln”, allerdings können einige kein Deutsch lesen und Ich kann kein Kyrilisch schreiben.
    Das ist ein Hindernis, ich bin Russlanddeutscher und kann Deutsch aber die Alteren (Wahlberechtigten)…

    • Analitik sagt:

      Welche Zielgruppe gibt es denn in Deutschland, die kein deutsch lesen kann, dafür russisch versteht und gleichzeitig meinen Blog nötig hätte?

  4. Peter Pan sagt:

    Wikipedia steht, wie leider so vieles, unter den Fuchteln der Yankees. Das da viels im Argen liegt sollte nicht wundern.