Nachbetrachtungen zum Normandie-Treffen

Die Staatsführer von Russland, Frankreich, Deutschland und der Ukraine haben sich in Frankreich im Normandie-Format getroffen. Nach einer dreijährigen Pause. Ziel war es, die Beilegung der Ukraine-Krise voranzutreiben.

Nun ist die Ukraine-Krise nicht entfacht worden, um beigelegt zu werden. Sie soll Eurasien spalten und eine eurasische Integration verhindern. Im Vorfeld des Treffens wurde daher vieles versucht, um die Stimmung zu vergiften. In Deutschland hat man des ermordeten Top-Terroristen gedacht, dessen Auslieferung an Russland Deutschland konsequent verweigerte. Daraus hat man einen diplomatischen Skandal zu stricken versucht: Weil die deutschen Ermittlungsbehörden keinen Beweis für die Verstrickung Russlands in den Mord haben und Russland sich weigert, diese Beweise selbst zu erfinden, wurden zwei russische Diplomaten des Landes verwiesen.

Noch lustiger war die Störoperation in Frankreich. Die Zeitung “Le Monde”, die sich in Teilbesitz von Macrons altem Erzfeind befindet, hat einen vielzitierten Bericht rausgehauen, der mit Verweis auf anonyme Quellen behauptet, dass der böse russische Geheimdienst eine Basis in den französischen Alpen betrieben hatte. Die Anonymen konnten weder auf gefundene Waffen verweisen, noch auf konkrete Operationen der bösen Russen. Aber sie hatten ein gutes Dutzend russischer Namen parat und versicherten glaubhaft, dass es allesamt GRU-Agenten seien. (Ein russischer Name muss heutzutage als Beweis für die GRU-Agententätigkeit reichen. Denken Sie besser nicht daran, welche Kontrolle über die Welt die GRU erlangt, wenn sie erst auf die Idee kommt, ihre Agenten unter verdeckten – ausländischen! – Namen agieren zu lassen…)

Das sind ganz wunderbare Zufälle, dass diese Entlarvungen und Skandale sich just in Deutschland und Frankreich ereigneten und ihre Höhepunkte pünktlich zum Normandie-Treffen erreichten. Umso spannender war die Frage, wie sehr sich die Europäer davon leiten ließen.

Einen unterschriebenen Vertrag für ein Eurasien von Lissabon bis Wladiwostok hat wohl niemand erwartet. Eine öffentliche Bekundung der geheim gehaltenen Absprachen wohl auch nicht. Die realistischen Erwartungen an die offiziellen Ergebnisse des Treffens konnten nicht zu groß sein.

Die vier Verhandlungsparteien haben sich zu einer gemeinsamen schriftlichen Stellungnahme mit Absichtserklärungen durchgerungen. Haken wir es als bedeutungslos ab.

Macron feiert sich und die EU mehrmals dafür, das allererste persönliche Treffen zwischen Putin und Selensky organisiert zu haben. Auch das könnte man als völlig bedeutungslos abhaken, wenn es nicht so gut das Anspruchsniveau der EU-Diplomatie verdeutlichen würde.

Auf der Pressekonferenz hat niemand von einem Krieg zwischen Russland und der Ukraine gesprochen. Die Rede war von einer klaffenden Wunde auf dem europäischen Kontinent, die geheilt werden müsse. Mit Ausnahme von Selensky hat niemand die Krim erwähnt. Die offizielle europäische Lesart der Krise verändert sich dramatisch.

Macron hat nur wenige Fragen auf der Pressekonferenz zugelassen. Die so schön vorbereitete Frage über die bösen russischen Agenten in den französischen Alpen schaffte es – welch Zufall – nicht durch die Zensur. Daraus können wir ableiten, dass diese Störaktion gewiss nicht von Macron mitgetragen worden war und nicht dazu diente, Putin im Vorfeld unter Druck zu setzen. Zu einem ähnlichen Schluss können wir bezüglich der deutschen Störaktion kommen. Diese wurde zwar angesprochen, aber Merkel ging nicht darauf ein und Putin redete das gekonnt klein. Auch hier sehen wir, dass niemand der Beteiligten versucht hat, daraus Kapital zu schlagen. Macron und Merkel waren insgesamt sehr vorsichtig und deeskalierend in der Wortwahl.

Als weiteren interessanten Aspekt können wir verbuchen, dass Russlands Außenminister Lawrow wenige Tage nach dem Normandie-Treffen in die USA gedüst ist, um Trump etwas persönlich in die Hand drücken zu können. Was genau? Einen Vorschlag. Die USA kontrollieren in der Ukraine viel mehr als Deutschland und Frankreich zusammen. Die USA entscheiden in weiten Teilen, wie schnell oder langsam sich die Ukraine-Krise lösen kann. Russland, Deutschland und Frankreich haben sich offenbar darauf geeinigt, was sie Trump für eine beschleunigte Abwicklung der Ukraine anbieten können.

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