Die Presse ist wieder voll von Russland. Und es war so…
In Russland stehen Wahlen für das Moskauer Regionalparlament an. Nichts von russlandweiter oder gar geopolitischer Bedeutung. Moskau entwickelt sich seit vielen Jahren äußerst prächtig zu einer Musterstadt. Die Menschen sind zufrieden, die Opposition hat nichts in der Hand, mit dem sie Proteststimmung entfachen könnte. Die Opposition lässt sich einen wahnsinnig kreativen Trick einfallen oder vorgeben. Schritt 1: Die Kandidaten sammeln Unterschriften, um sich für die Wahl aufstellen zu lassen, und zwar so, dass die Unterschriftensammlung größtenteils ungültig ist. Zum Beispiel wird das Bezirk nicht eingetragen oder es beteiligen sich mehrere Personen an einer Vorlage. Es gibt halt formale Regeln, wie Unterschriften für eine Kandidatur einzusammeln sind und diese formalen Regeln werden massenweise verletzt, so dass die liberalen Kandidaten nicht zur Wahl zugelassen werden können – genau das ist ihr genialer Plan und die Vorbereitung für den nächsten Schritt. Schritt 2: Die liberalen Schmierblätter heulen auf – schaut, die böse Regierung lässt die gute Opposition gar nicht erst zu den Wahlen zu. Los Volk, versammel dich gegen die Diktatur, geh auf die Straße! Die Opposition ruft zu nicht genehmigten Demonstrationen auf. Hoffentlich ist den meisten bekannt, dass Demonstrationen überall in der Welt von den Behörden genehmigt werden müssen. Es gibt viele Gründe, warum eine Demo nicht genehmigt wird – man hat keinen Antrag gestellt, man hat einen Antrag mit Formfehlern gestellt, man hat kein Sicherheitskonzept vorgelegt, man hat ein Datum gewählt, bei dem die Sicherheitskräfte anderweitig gebunden sind, oder oder oder. Die Anführer der liberalen Opposition rufen die Menschen jedenfalls zu einer nicht genehmigten Demo auf, was verboten ist. Schritt 3: Damit lassen sich die Anführer für ein paar Tage oder Wochen einbuchten, um während der verbotenen Aktionen in Sicherheit zu sein. Ist das Konzept des “sakralen Opfers” jedem Leser ein Begriff? Die Drahtzieher der Unruhen befördern dabei Unbeteiligte oder Oppositionsanführer ins Jenseits und verkaufen das als Mord des bösartigen Regimes. Das hat dramaturgische Gründe, erlaubt der Westpresse wie einem tollwütigen Tier aus dem Maul zu schäumen und gibt den westlichen Politikern eine öffentliche Legitimierung in die Hand, um Druck aufzubauen, Rücktritte von Präsidenten oder freien Zugang zu Erdöl zu fordern, Sanktionen zu verhängen, Kriege zu beginnen usw. Boris Nemzow war das letzte große sakrale Opfer unter den russischen Liberalen. Die übrigen namhaften Figuren halten sich seitdem gern von Demonstrationen fern, indem sie sich pünktlich für ein paar Tage einbuchten lassen – das hat den angenehmen Nebeneffekt, dass man der verarschten Gefolgschaft glaubhaft vermitteln kann, warum Herr Nawalny selbst nie an den Demos teilnimmt, die er ausruft.
Die internationale Presse ist inzwischen voll in Fahrt. Russland macht Schlagzeilen. Großes Traram endet damit, dass sich in Moskau 3,5 Tausend Menschen versammeln und “Aktivisten” die Polizei provozieren. Schritt 4: Viele bestellte professionelle Fotografen knipsen viele hübsche Nahaufnahmen davon, wie die Polizei ein paar Hundert friedliche Randalierer abführt. Es erweist sich, dass zwei Drittel der Festgenommenen gar nicht aus Moskau stammen. Die liberale Opposition kann in ihrer Hochburg, der 15-Millionen-Stadt Moskau keine fünf Tausend Demonstranten mehr auftreiben und muss sich die wenigen Provokateure aus dem ganzen Land zusammenkratzen. Von dieser Erbärmlichkeit bekommt man im Westen wenig mit. Im Westen kursieren ein paar Nahaufnahmen von abgeführten Demonstraten und die Quälitätspresse erzählt, wie sich das arme russische Volk gegen die böse Diktatur auflehnt. Schritt 5: Dramatische Zuspitzung! Nawalny bekommt im Gefängnis Hautausschlag und seine Hausärztin, die ihn nicht untersucht hat, erzählt der bereit stehenden westlichen Presse, dass Nawalny wahrscheinlich vergiftet wurde. Einen Tag später wird bekannt, dass Nawalny ein harmloses Nesselfieber hat, aber in der Westpresse hat sich schon festgesetzt, dass Nawalny vergiftet wurde. Die Drehbuchautoren bemühen sich gar nicht um Kreativität und Abwechslung. Wann immer eine Regierung stört, vergiftet sie in der Westpresse jemanden. Über den Sinn oder Unsinn solcher Vergiftungen reflektiert die Presse lieber nicht.
Wenn man vergleicht, was in Russland tatsächlich passiert ist und was daraus im Westen aufgebläht wurde, kann man sich schwerlich des Eindrucks erwehren, dass die moskauer liberale Opposition, die bei den Wahlen ohnehin nicht ins Parlament reingekommen wäre, sich für eine erneute Show hat einspannen lassen. Die Eskalationsspirale wurde fachmännisch angekurbelt und die Westpresse hat sich gierig auf ein Nicht-Ereignis gestürzt. Die einzige vielleicht interessante Frage ist, wer das bestellt hat und wofür. So ein Zirkus wird nicht umsonst veranstaltet, das ist jedem klar, oder?
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