Sie erinnern sich noch an die Milliardenhilfen, die der IWF der Ukraine bereits 2014 überwiesen hat. Ein Teil der Gelder wurde dafür verwendet, die ukrainischen privaten Banken zu stützen. Seit November 2014 ermittelt das ukrainische Innenministerium gegen Kolomojskis Privatbank, die größte Bank der Ukraine. Die Privatbank ist “systemrelevant” und damit “too big to fail”. Sie hat von den IWF-Krediten 20 Milliarden Hrywnja erhalten (beim damaligen Kurs ca. 1,5 Milliarden Dollar). Das Geld ist weg.
Wie macht man sowas?
- Sie erhalten umgerechnet 1,5 Milliarden Dollar von der Nationalbank, damit ihre Bank weiterhin ihren Verpflichtungen nachgehen kann.
- Das Geld vergeben Sie an 40 ukrainische und 50 ausländische Firmen, von denen Sie vorher nie etwas gehört haben.
- Diese 90 Firmen kaufen Waren bei sechs anderen, in Steueroasen registrierten Unternehmen ein (Teamtrend limited, Trade point agro limited, Collyer limited, Rossyan investing corp, Zao ukrtransitservice ltd, Milbert ventures inc.). Alle Verträge sehen eine absolut unübliche 100%-Vorauszahlung des Kaufpreises vor, die vertragsgemäß geleistet wird.
- Die sechs dubiosen Unternehmen erweisen sich – welch Überraschung – als unzuverlässige Handelspartner und liefern überhaupt nichts aus.
- Die 90 Unternehmen, die um 1,5 Milliarden Dollar betrogen wurden, ziehen alle in der Ukraine vor Gericht. Das Gericht stellt fest: Tjo, was habt ihr auch so dämliche Verträge gestaltet, jetzt könnt ihr euch nicht beschweren. Fall geschlossen. Das dient als Absicherung. Sollte plötzlich jemand nach dem Verbleib des Geldes fragen, verweisen Sie auf ihre unglücklich verlaufenen Handelsgeschäfte und auch darauf, dass Sie sogar schon gerichtlich versucht haben, gegen die Verluste anzukämpfen.
Fertig! Sie haben 1,5 Milliarden Dollar reingewaschen und in Offshore-Banken verschoben. Davon bekommen alle reichlich ab. Die Zentralbankangestellten, die das Geld an die Privatbank weitergeleitet haben, die nach der Aufnahme der Ermittlungen kein weiteres Geld an die Privatbank hätten überweisen dürfen, es aber dennoch taten. Das Innenministerium, das zwar Ermittlungen führt, aber nach eigener Auskunft gegen niemanden eine Anklage erhebt. Die Inhaber der dubiosen Briefkastenfirmen, die am Schauspiel beteiligt waren. Kolomojski und seine Leute in der Privatbank, die das Zauberstück organisiert haben. Regierung, Justiz, Oligarchen und die kleinen Fische in ihrem Fahrwasser haben alle gemeinsam hübschen Gewinn gemacht.
Der Westen investiert hohe Millionenbeträge in den ukrainischen Anti-Korruptionskampf. In der Ukraine selbst ist Korruption ein permanentes Top-Thema und ein Totschlagargument in jeder Diskussion. Jeder brüstet sich damit, mit vollem Einsatz gegen Korruption zu kämpfen.
Mit welchem Erfolg? Die Chefin des Zentrums gegen Korruption (“Центр Протидії Корупції”) hat berichtet, dass im ersten Halbjahr 2015 von den beschlagnahmten Korruptionsgeldern knapp 8000 Hrywnja (etwa 350 Dollar) in das Budget der Ukraine überführt wurden. Erwartet wurden 1,5 Milliarden Hrywnja.
Dabei wurde Ende Mai vermeldet, dass Janukowitschs Vermögen im Inland vollständig beschlagnahmt wurde (1,5 Milliarden Hrywnja, was zufällig den erwarteten Einnahmen aus dem Antikorruptionskampf entspricht). Außerdem hat die Ukraine den Großteil des ausländischen Vermögens von Janukowitsch und seiner Familie beschlagnahmen können. Der Generalstaatsanwalt hat die Summe nicht nennen wollen, sagte aber, sie sei beträchtlich. Was im Klartext bedeutet, dass die 1,5 Milliarden Hrywnja Inlandsvermögen dagegen nur Peanuts sind. In der gleichen Vermeldung teilte der Generalstaatsanwalt auch mit, dass man zusätzlich die Gelder anderer früherer Regierungsvertreter beschlagnahmt hat.
Das Geld ist auch weg. Wer hat es schon oder wird es noch bekommen? Alle, die fähig sind, den Diebstahl dieser beschlagnahmten Gelder breit in die Öffentlichkeit zu tragen oder Ermittlungen gegen die Veruntreuung durchzuführen oder derartige Ermittlungen zu initiieren. Also Justiz, Regierung, Oligarchen und die kleinen Fische in ihrem Fahrwasser, die an der Abwicklung des Geschäftes beteiligt sind.
Wohin Sie auch schauen in der Ukraine, überall finden Sie dieses Bild, angepasst an die jeweilige Situation. Die hier dargestellten Beispiele sind nur die Spitze von der Spitze des Eisbergs. Korruption durchdringt in der Ukraine alle Gesellschaftsschichten, von der obersten bis zur untersten. Das Jammern darüber ist großer Volkssport, aber gleichzeitig profitieren wirklich alle davon, auch die einfachen Leute. Es ist einfach eine eigene Art und Weise, die Geld- und Leistungsflüsse in der Gesellschaft zu organisieren. Mehr noch, unter bestimmten Bedingungen scheint das schlichtweg die bessere Art der Organisation zu sein, sonst würde sie sich nicht durchsetzen. Welche Bedingungen sind das? Das ist eine gute Frage.
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