Beim Spaziergang auf der Wiese hat mich in diesem Jahr eine Unruhe erfasst, deren Ursache ich schnell ergründen konnte: es waren nahezu keine Bienen da. Es war warm, es schien die Sonne, die Wiese war voller Blumen. Aber keine Bienen, die den Nektar sammelten. Letztes Jahr noch war die gleiche Wiese voll von Bienen. Das Bienensterben ist seit ein paar Jahren Thema in den Medien. Jetzt ist es so weit, dass es nicht nur Wissenschaftlern und Imkern auffällt, sondern dass man auch als Stadtmensch mit seltener Naturerfahrung sehr leicht wahrnimmt, wie weit das Problem fortgeschritten ist.
Aber das Sterben beschränkt sich nicht auf die Bienen. Ein anderes mal hat mich eine Unruhe erfasst, deren Ursache auch schnell gefunden war: bei Autobahnfahrten an sonnigen Tagen schlagen einem kaum noch Insekten gegen die Fensterscheibe. Auch das habe ich noch ganz anders in Erinnerung. Noch bis vor ein paar Jahren sammelte man im Sommer so viele Insekten ein, dass man mit dem Schrubben der Frontscheibe kaum hinterher kam. In diesem Jahr kann man hunderte Kilometer fahren und bemerkt die Insekten erst durch ihr Fehlen.
Und das ist viel alarmierender als das Bienensterben. Der Großteil des Bienenbestandes sind inzwischen Zuchtbienen. Sie sind ihrer genetischen Vielfalt beraubt und dadurch für Krankheiten, Schädlinge und Gifte besonders anfällig. Man beraubt sie außerdem ihres Honigs, der zahlreiche sekundäre Pflanzenstoffe enthält, die für das Immunsystem wichtig sind, und gibt den Bienen als Ersatz einfache Zuckerlösung. Die enthält zwar ausreichend Energie, aber all das, was der Nektar zusätzlich zur Energie den Bienen liefert, geht ihnen ersatzlos verloren. Ein weiterer Grund, dass die Tierchen anfällig sind. Unter diesen Umständen ist das Bienensterben ein hausgemachtes Problem, das hausgemacht wieder lösbar wäre. Es gibt Wildbienenarten, die vom Sterben nicht betroffen sind.
Bei den übrigen Insekten, die einem gegen die Fensterscheibe klatschen, spielen beide Gründe aber keine Rolle. Warum verschwinden sie ebenfalls? Das ist ein sehr schlechtes Zeichen, eines, das echte Besorgnis verdient. Wir Menschen lassen uns von Emotionen leiten und denken beim Tierschutz an Kreaturen wie Tiger, Pandabären und Wale. Insekten dagegen finden wir lästig bis angsteinflößend und sicherlich wünschen sich viele von uns, dass die Plagegeister weniger werden und manche von ihnen am liebsten ganz aussterben. Für das Gleichgewicht der Ökosysteme sind Insekten indes viel wichtiger als die eleganten, putzigen, schönen oder beeindruckenden Arten, denen wir den Großteil der positiven Aufmerksamkeit widmen. Wenn die Insekten massenhaft verrecken, dann passiert etwas sehr hässliches mit unserer Umwelt. Etwas, das rational betrachtet viel hässlicher ist, als das Abschlachten von Elefanten, auch wenn unsere emotional gelenkten Gehirne uns das Gegenteil vorgaukeln.
Am Wochenende habe ich von Hobbygärtnern gehört, dass man die Tomatenpflanzen im Garten unter einem Dach halten muss, weil sie sonst den Regen nicht überstehen. Ein Hinweis auf Chemie. Unsere Industrie produziert zehntausende verschiedene Chemikalien und von den meisten weiss man absolut nichts über ihre Auswirkungen auf die Umwelt.
Und da das heutige Thema Natur ist, berichte ich noch ein beeindruckende Erlebnis von diesem Wochenende. Eine Wespe hat eine fast gleich große Fliege gefangen und beide umklammerten sich im Kampf und rollten sich über den Boden wie Ringkämpfer. Die Fliege schaltete ihren Turbo ein und versuchte zu entkommen, die Wespe klammerte sich an den Bauch der Beute und versuchte immer wieder mit dem Unterleib reinzustechen. Am Ende gewann die Wespe. Im letzten Akt des Kampfes schnitt sie am Hals der Fliege herum. Dann machte sie sich daran, die Fliege zu zerteilen. Ich zählte mindestens sechs Stück am Boden. Als vom Leib des Opfers ein Stück übrig war, das leicht genug zum transportieren war, flog die Wespe damit davon.
Einen ähnlichen verbissenen Ringkampf habe ich neulich erst zwischen zwei Wespen beobachtet, die sich um ein Stück Wassermelone stritten. Es endete ohne Todesopfer und war dennoch sehenswert. Dabei war die Ressource, um die es ging, groß genug für ein ganzes Wespennest. Vielleicht sind unsere Wespen vorbildlich von der Ideologie des Kapitalismus durchtränkt. Vielleicht ist das ihr ganz normales Verhalten. Meine neuerlichen Wespenbeobachtungen lassen mich misstrauisch zurück, mit dem dumpfen Gefühl, als ob etwas nicht stimmt.
Neueste Kommentare