Elektromaidan in Armenien

Der Maidan in Armenien kommt mit Ansage.

Beim Verfassen des Artikels bin ich über zusätzliches Material gestolpert, teils mehrere Jahre alt, an dem man die systematische Vorbereitung solcher US-organisierter Revolutionen beobachten kann.

Die Stützpunkte der USA für ihre hybriden Kriege sind ihre Botschaften. Armenien, ein Land mit 3 Millionen Einwohnern, hat die zweitgrößte US-Botschaft. Nur im Irak haben die USA sich eine noch größere Burg gebaut.


US-Botschaft in Armenien. Hier ist die Botschaft noch nicht zu Ende gebaut.


Die USA haben viel zu tun in Armenien…

Hier können Sie sich bei Google Maps einen Eindruck vom 9 Hektar großen Areal der Botschaft verschaffen.

Warum Armenien? Da läuft uns mal wieder der Geo-Schachmeister Brzensinski über den Weg, der einen “Eurasischen Balkan” als geostrategisch besonders wertvoll ausgemacht hat. Ein großer Teil der weltweiten Öl- und Gasreserven liegt in diesem Gebiet. Armenien liegt mittendrin.

Ein in Armenien stationierter NGO-Mitarbeiter ist 2010 einer Einladung der US-Botschaft zu den Feierlichkeit des US-Unabhängigkeitstags gefolgt. Wer ist sonst so eingeladen auf US-Partys?

VIPs like Armenian Parliament Speaker Hovik Abrahamian and Foreign Minister Edvard Nalbandian drove right through the Embassy gates. (…)

Opposition was there at full strength, represented by personas like Levon Zurabian and David Shahnazarian.

At some point I found myself standing next to Gagik Tsarukian, Armenia’s richest man and the leader of “Bargavach Hayastan” (Prosperous Armenia) party.

Regierungsvertreter, die Opposition in voller Stärke, die reichsten Leute des Landes. Das übliche Arbeitsmaterial der USA bei farbigen Revolutionen. Man sieht schön, dass farbigen Revolutionen eine lange Vorarbeit vorangeht. Von der US-Botschaft aus werden über ein Netzwerk von Regierungs-NGOs alle Teile der Zielgesellschaft infiltriert.

Anfang Januar 2015 hat es schon einen Versuch gegeben, die Situation in Armenien aufzuschaukeln. Damals konnte deeskaliert werden. Jetzt ist es wieder so weit. Interessant ist, dass in beiden Fällen der Revolutionsversuch mit Armeniens Entscheidungen zum Beitritt zur Eurasischen Wirtschaftsunion einhergeht.

Der aktuelle Maidan-Anlass ist eine Anhebung der Strompreise um 16,6%. Die Ukrainer, die bereits die Folgen eines US-orchestrierten Maidans in Blut ausbaden, können sich Vergleiche nicht verkneifen:

In der Ukraine haben sich die Preise für Gas vervierfacht, die Preise für Strom sind um das 1,5-fache gestiegen.
Der Minimaltarif für Strom in der Ukraine beträgt 0,17 Dollar.
Der neue armenische Tarif beträgt 0,10 Dollar.

Aber Preise müssen immer in Relation zu den Einkommen der Bevölkerung betrachtet werden, nicht wahr?

Der ukrainische Mindestlohn beträgt 58 Dollar. Die Mindestrente 45 Dollar. Das durchschnittliche Einkommen 190 Dollar.
Der armenische Mindestlohn beträgt ab Juli 113 Dollar (ja ja, nicht nur die Strompreise steigen in Armenien bald, aber Sie wissen schon, worauf die objektive demokratische Presse den Fokus legen wird). Die Mindestrente ist 84 Dollar. Das durchschnittliche Einkommen 400 Dollar.

Jeder demokratisch erzogene Mensch wird zustimmen, dass man von der Ukraine viel härtere Sparmaßnahmen fordern muss, während man Armenien dabei unterstützen muss, seine Regierung zu stürzen, damit wir dort anschließend auch viel härtere Sparmaßnahmen fordern können. Eine Steigerung des Strompreises um 16% ist eine Beleidigung der IWF-Reform-Richtlinien.

Der Anlass ist gefunden. Jetzt schaukeln wir die Situation auf. Dafür existiert eine kleine Armee von jungen Aktivisten und Journalisten, die Techcamps in der US-Botschaft durchlaufen haben und in den letzten Jahren soziale Netzwerke mit starker Interneteinbindung (Facebook, Twitter) geschaffen haben. Wenn sie alle zusammen zur Demo aufrufen und sich außerdem ein paar TV-Sender von Oligarchen einschalten, hat unser Thema eine enorme mediale Durchdringung. Die Menschen gehen auf die Straße.

Eine andere Gruppe von Leuten wurde darin geschult, die Polizei zu provozieren. Wie macht man das? Man versucht in das Regierungsgebäude zu gelangen, um direkt mit dem Präsidenten zu sprechen. Oder es werden des nachts Polizisten angegriffen. Ist eigentlich egal, was man macht, man provoziert die Polizei einfach zum handeln. Die Polizei handelt und die erstgenannte Gruppe unserer Aktivisten steht mit ihren Smartphones daneben und nimmt es auf. Meist sind auch Kamerateams der eingebundenen TV-Sender zur Stelle. In Kiew passierte genau das am 30. November 2013, als “Studenten” von der Polizei auseinander gejagt wurden. Die Bilder einer solchen Operation werden in den nächsten Tagen im TV und in sozialen Netzwerken in Dauerschleife gedreht, um die Bevölkerung wütend zu machen. Warum die Polizei tat, was sie tat, wird natürlich nicht gezeigt. Natürlich wird auch niemand erwähnen, dass die von der Polizei festgenommenen keine Studenten waren, sondern zu 90% 30-50-jährige Kerle aus anderen Landesteilen.

Wenn die Leute auf der Straße sind, müssen sie unterhalten werden. Es werden Lieder gesunden, es wird gehüpft, es werden Parolen skandiert, es werden Forderungen aufgestellt. Alle betonen penetrant die friedlichen Absichten. Es wird möglichst nah an der Regierungszentrale ein Platz in Beschlag genommen, Barrikaden und Zelte aufgebaut, ein Schichtsystem der Anwesenheit organisiert, die Versorgung mit Nahrung, Sanitäranlagen usw. Die Demo muss dauerhaft werden. Natürlich hinterfragt niemand, woher die professionelle Logistik bei den “spontanen” Demos kommt. Wenn die Polizei eine solche nicht genehmigte Veranstaltung aufzulösen versucht, stellen sich die Organisatoren mit Menschenketten in den Weg und wenn die Polizei sich durchsetzt, filmt eine Horde von Aktivisten alles und sofort sind TV und Internet voll von Bildern davon, wie die Polizei gegen friedliche Demonstranten vorgeht. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um Begriffe wie “brutal”, “blutiges Regime” usw. einzuführen. Fortan wird die Regierung nur noch mit diesen Begriffen attribuiert. Und so lässt man die Sache immer weiter eskalieren.

Schauen wir mal konkret hin.


Die Menschenmassen sind da. Im Hintergrund sehen Sie EU-Fahnen. Tauschen Sie die armenischen Fahnen gegen ukrainische und Sie sehen exakt das, was in Kiew vor anderthalb Jahren passierte.


Mit Keksen ein Land kaufen. Victoria Nuland beim Euromaidan in Kiew.


Armenien dieser Tage. Wie sich die Bilder gleichen. Achten Sie auch auf die Aufkleber auf den Futterboxen.


Erste Barrikaden sind auch schon da.

Und dann kommt das, was unbedingt kommen muss.


Ein Aktivist greift zum Megaphon und fordert eine neue Regierung. Der Maidan ist noch keine Woche alt. Einen Tag später wird man etwas konkreter den Rücktritt des Präsidenten fordern. Fortan wird das die wichtigste und praktisch einzige Forderung bleiben. Die Strompreise wird man schnell vergessen haben und nur nebenher zu taktischen Zwecken einsetzen.

Derzeit ist der Elektromaidan noch in seiner Startphase. Entscheidend wird sein, wie viele Menschen die Organisatoren zum Wochenende mobilisieren können. Entscheidend werden auch die Kontermaßnahmen der Regierung sein. Ja, es gibt Möglichkeiten zu kontern. Zumindest die Geheimdienste von Russland und China schlafen nicht. Leider ist über die Maßnahmen gegen eine farbige Revolution nicht so viel Information verfügbar. Wenn Sie Quellen dazu haben, schreiben Sie es in einem Kommentar. Eine der (späten) Maßnahmen scheint es zu sein, eine gleich große oder noch größere Gegendemonstration auf die Beine zu stellen, um dem Maidan den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das wurde beispielsweise in Mazedonien umgesetzt. Kurz danach verschwand der mazedonische Maidan aus den Medien. Womöglich hat die Maßnahme gewirkt.

Wir werden sehen. Das Wochenende naht.

Den kritischen Zeitpunkt werden wir übrigens daran erkennen, dass die US-Medien den Elektromaidan in Dauerschleife zu senden beginnen. Wenn es so weit ist, heißt es, dass die USA den Rubikon überschritten haben und diesen Maidan jetzt wirklich konsequent durchprügeln wollen. Solange das noch nicht geschehen ist, besteht Hoffnung für die Armenier.

Wer des russischen mächtig ist, kann sich hier, hier, hier, hier und an vielen anderen Stellen auch informieren. Hier gibt es einen Live-Ticker zum Elektromaidan.

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