Mit freundlicher Erlaubnis zitiere ich einen Freund:
Mal ganz allgemein: Wenn alle anderen sagen “Es ist so” und man alleine der festen Überzeugung ist “Ist nicht so” dann sollte man als erstes mal seinen eigenen Standpunkt hinterfragen und Fakten checken bevor man wehement versucht alle anderen zu überzeugen
Das ist eine sehr schöne Aussage. Daran lässt sich anknüpfen.
Anfang der 50er Jahre wurden in den USA sozialpsychologische Experimente durchgeführt (Video), bei denen sich herausgestellt hat, dass Menschen offensichtlich falsche Tatsachen behaupten, wenn sie in einer Gruppe sind und die Gruppe geschlossen die falsche Meinung vertritt.
Schauen Sie auf dieses Bild:
Welche der drei Linien rechts ist genauso lang wie die Linie auf der linken Seite? Das Bild ist absichtlich so konstruiert, dass man fast unmöglich einen Fehler machen kann. Unter normalen Bedingungen machen die Menschen auch keinen Fehler bei dieser Frage. Antwort C ist richtig. Wenn jedoch drei Personen nacheinander die gleiche falsche Antwort geben, dann neigt die vierte Person mit überraschend hoher Wahrscheinlichkeit von über 30% auch dazu, die falsche Antwort anzugeben.
Beachten Sie, dass es sich dabei nicht um zweideutige Fragen mit Interpretationsspielraum handelt. Die Menschen nehmen eine falsche Meinung selbst bei objektiv leicht erkennbarer Falschheit ein, wenn es die Gruppe geschlossen tut. Sie fühlen sich schlecht dabei und tun es trotzdem. Je mehr sich die Frage der objektiven Überprüfbarkeit entzieht, desto problemloser nimmt ein Mensch die Gruppenmeinung an und desto größer ist der Prozentsatz derer, die sich der falschen Meinung anschließen.
In der Sowjetunion wurden diese Befunde repliziert. Beide Weltmächte verfügten somit aus erster Hand über dieses Wissen.
Die Experimente belegen, dass Menschen dazu verleitet werden können, sich offensichtlich falsche Meinungen zueigen zu machen. Stellen Sie sich das Interesse der Geheimdienste und der Politik vor. Die Experimente wurden vorangetrieben, die Rahmenbedingungen wurden untersucht, Methoden der praktischen Anwendung wurden erarbeitet und flossen in die Ausbildung politischer und geheimdienstlicher Kader ein. Auf beiden Seiten des Ozeans.
Seit den ersten Experimenten sind viele Jahrzehnte vergangen. Die zielgerichtete Formung der öffentlichen Meinung wurde stetig verbessert. Schauen wir uns ein aktuelles Anwendungsbeispiel an: die Ukraine-Krise.
US-Investor George Soros hat eine PR-Firma angestellt, die in Gestalt des Ukrainian Crisis Media Centers seit den friedlichen Demonstrationen 2013/2014 die Ukraine-Krise medial begleitet. Das UCMC stellt den Medien Interviews, Texte, Bilder und Videomaterial in großen Mengen zur Verfügung. Im Auftrag eines US-Investors, der sich mit der CIA auf regime change spezialisiert hat. Und alle Medien der westlichen Welt, die zufällig im gleichen Hotel ansässig waren, wie das UCMC, haben sich bequem bedient. Als es aufgeflogen war, haben sie es nicht abgestritten. Nein, sie haben sich damit verteidigt, dass es ALLE großen und wichtigen Medien der (westlichen) Welt so machen.
So passierte es, dass die westliche Presse eine absolut einheitliche und erlogene Berichterstattung über die Vorgänge in der Ukraine und drum herum ablieferte. Womit die Bedingung erfüllt ist, dass Sie das glauben, selbst wenn sie spüren, dass es faul ist.
Aber warum sollten Sie überhaupt spüren, dass es faul ist? Das Meinungsbild wird schließlich nicht von irgendwem verbreitet, sondern von den renommierten Medien. Das sind Experten, die sich berufsmäßig besonders gut auskennen müssen. Ihr Vertrauen in die großen Medien macht es den Meinungslenkern noch einfacher, Sie zu lenken. Die großen Medien in Deutschland sind Bild, ARD, ZDF, Spiegel, FAZ, Süddeutsche, Zeit. Sie bestimmen den Ton und sie waren alle im Soros-Boot. Die anderen haben eine so kleine Reichweite, dass sie gesamtgesellschaftlich kein Gehör finden, wenn sie nicht von mindestens einem der Großen unterstützt werden.
Es gibt aber ein Problem für die Meinungslenker. Schon die frühen Experimente haben gezeigt, dass die Menschen sich nur dann eine falsche Meinung aufschwatzen lassen, wenn die Gruppe die falsche Meinung geschlossen vertritt. Ein einziger Ausreißer in einer großen Gruppe, der es wagt, die richtige Meinung zu äußern, zerstört die Wirkung des Experiments weitgehend. Will man die Menschen an eine Lüge glauben lassen, muss die Medienfront wirklich geschlossen sein.
Finden wir Lücken in der Medienfront? Ja. Zum einen sind das kleine Medien, die den Lügen der Großen entgegentreten. Es gibt sie auch in Deutschland. Die Reichweite der kleinen Medien ist aber so gering, dass sie gesamtgesellschaftlich keine Relevanz besitzen. Noch nicht besitzen. Man darf sie nicht wachsen lassen.
Zum anderen sind es größere Medien aus dem nicht-westlichen Ausland, Paradebeispiel: RT. Deren Reichweite ist bei uns im Land zwar auch vergleichsweise gering, aber sie ist dennoch bedrohlich groß, um genügend Deutschen die Rückversicherung zu geben, dass sie nicht allein sind mit ihren Zweifeln an der offiziellen Berichterstattung.
Als Meinungslenker haben Sie zwei Möglichkeiten, gegen dieses Problem anzugehen.
1. Sie schränken die Reichweite der Medien ein, die ihre Interpretation bedrohen. Bei den Kleinen können Sie das ungeniert machen und es wird in der Praxis tatsächlich so gehandhabt. Zahlreiche kritische Blogs, deren Reichweite über totale Bedeutungslosigkeit hinaus gestiegen war, wurden Opfer verschiedenster Angriffe. Je nach Land und Situation werden die Blogs gehackt, die Autoren juristisch unter Druck gesetzt, die Server von Geheimdiensten beschlagnahmt, die Blogs von den technischen Betreibern gesperrt usw. Der Saker-Blog beispielsweise wurde derart heftig mit einer Vielzahl von Methoden attackiert, dass der Autor des Blogs dem Burnout und dem finanziellen Ruin nahe war und monatelang verzweifelt kämpfen musste, um den Blogbetrieb zu retten.
Große Sender kann man mit der Methode der brutalen Beseitigung nur beschränkt angehen, aber selbst diese Möglichkeit ist offen im Gespräch.
2. Sie denunzieren die alternativen Medien als nicht vertrauenswürdig. Einzelne Personen werden dabei als Verschwörungstheoretiker, Verrückte und/oder bezahlte Putin-Agenten gebrandtmakt. Medienkanäle als Ganzes werden zu Propaganda-Kanälen des Bösen. Wichtig ist, dass Sie dabei niemals auf die Argumente und Materialien eingehen, sondern den Überträger der Informationen als unglaubwürdig darstellen und damit klarstellen, dass seine Argumente und Materialen gar nicht betrachtet werden sollen. Diese Methode wird gegen die Kleinen und die Großen gleichermaßen angewandt. Unsere großen Medien haben auf diese Weise sogar Millionen deutsche Bürger zu Putin-Agenten abgestempelt, nur um die alternativen Sichtweisen, die in Briefen und Kommentarspalten zum Ausdruck kamen, zu denunzieren. Selbst größte Respektpersonen wie Helmut Schmidt wurden von unseren Medien zu Putin-Verstehern degradiert, um deren gemäßigte Meinung zu unterdrücken.
Warum ist eine derart aggressive Vorgehensweise der Medien notwendig aus der Sicht der Medienlenker? Warum kann man RT nicht einfach senden lassen? Unsere großen Qualitätsmedien bringen doch laut eigener Auskunft eine wahrheitsgetreue Berichterstattung, fundierte Analysen und Hintergrundberichte? Unter diesen Voraussetzungen muss man einen englischsprachigen Sender russischer Herkunft doch nicht fürchten?
So wäre es in der Tat, wenn wir echte Qualitätsmedien hätten. Ehrlichkeit verleiht Selbstbewusstsein. Wer eine Situation fundiert erklärt hat, muss das dumme Gelaber echter Verschwörungstheoretiker nicht fürchten und kann deren Geschwätz einfach stehen lassen. Wenn Sie berichtet haben, dass Linie C die korrekte Antwort ist, müssen Sie sich keine Sorgen machen, dass Vollidioten meinen, Linie A oder B sei die richtige Antwort. Der Leser wird sich Ihrer Meinung anschließen, selbst wenn die Zahl der Verschwörungstheoretiker, die für A oder B plädieren, sehr groß ist. Das ist seit den ersten Experimenten bekannt. Um die Wahrheit anzunehmen, braucht der Mensch nicht viel Unterstützung. Nur wenn ihm eine Lüge eingetrichtert werden soll, müssen alle Störgeräusche, die auf die Wahrheit verweisen, eliminiert werden.
Deswegen sind alternative Medien so gefährlich. Es müssen ihrer nicht viele sein, um das große Projekt der Meinungsformung zu vereiteln. Deshalb müssen Sie als Meinungslenker so rigoros gegen die Alternativen vorgehen.
Fragen Sie sich ruhig einmal, warum unsere Medien nicht den Mut haben, abweichende Meinungen einfach stehen zu lassen. Warum unsere Medien nicht auf die Argumente eingehen, sondern die Verschwörungstheorie-Keule schwingen. Warum ein Sender so gefürchtet wird, dessen Budget ein Witz ist im Vergleich zu dem, was allein unseren Öffentlich-Rechtlichen zur Verfügung steht.
Um die Menschen von einer Lüge zu überzeugen, müssen Sie sich extrem anstrengen. Sehr viel weniger Mühe bereitet es, diesen Prozess zu vereiteln. Wenn von zehn Leuten (Medien), denen Sie zuhören, auch nur einer der offensichtlichen Lüge widerspricht, sind die Mühen der neun Lügner praktisch wirkungslos. Vorausgesetzt, das Wort aller dieser zehn Personen hat in Ihren Augen das gleiche Gewicht.
Ich ende, so wie ich begonnen habe, mit einem Zitat, diesmal von Abraham Lincoln:
Man kann einen Teil des Volkes die ganze Zeit täuschen und das ganze Volk einen Teil der Zeit. Aber man kann nicht das gesamte Volk die ganze Zeit täuschen.
PS: Mein Freund hat natürlich Recht. Wenn alle das Gegenteil von dem behaupten, was ich behaupte, muss ich meine Meinung überprüfen. Das tue ich. Die Konsequenz ist aber nicht, die Meinung der Mehrheit anzunehmen. Für mich ist die Konsequenz, die korrekte Meinung einzunehmen, egal ob das die Mehrheitsmeinung ist oder das Gegenteil davon. Je mehr ich prüfe, je genauer ich mit dem Maßband die Linien ausmesse, desto weniger kann ich dem zustimmen, was unsere Massenmedien verbreiten. C ist die richtige Antwort. Dabei bleibe ich. Auch wenn sich manche Freunde abwenden.
Sehr sauber auf dem Punkt. In dem Zusammenhang:
“Als selbstständiges Denken bezeichnet man, wenn ein Mensch sich Informationen aus möglichst unterschiedlichen Quellen sammelt, das miteinander vergleicht und seine eigenen Schlüsse daraus zieht, die teilweise auch von den Quellen abweichen. Theoretisch gilt selbstständiges Denken als wünschenswert und es wird gefordert, dass spätestens Studenten das lernen sollen. Dennoch gibt es diverse Erwachsene, die sich keine eigene Meinung bilden, sondern auch bei für sie zentralen Themen aus den fertigen Meinungen eine auswählen oder eine von vermeindlichen Fachautoritäten vorgegebene Meinung unhinterfragt übernehmen.
Menschen, die nicht selbständig denken, sind im allgemeinen nicht fähig, das selbstständige Denken anderer als solches zu erkennen. Stattdessen verwechseln sie es mit gezielten Angriffen auf ihre Fachautorität, wenn ein selbständig denkender Mensch die Fragen stellt, die aus seinem Denken entstehen.”