Die Russland-China-Allianz

In den großen geopolitischen Plänen der USA wurde China die Rolle einer billigen Weltfabrik angeboten. China hat diese Rolle angenommen, hat damit ihre Wirtschaft zur Nr. 1 der Welt ausgebaut und bedroht nunmehr die Vormachtstellung der USA.

Russland bekam nach dem Zerfall der Sowjetunion die Rolle des Ressourcenlieferanten zugeteilt. Es sollte nicht mehr selbst produzieren, sondern die Rohstoffe ins Ausland liefern und aus dem Ausland die fertigen Produkte einkaufen. Russland war nach dem Zerfall der Sowjetunion auf dem besten Weg, in diese Rolle hineinzuwachsen. Die Industrieleistung schrumpfte innerhalb weniger Jahre um die Hälfte (!), verglichen mit Russlands Industrieleistung zum Ende der Sowjetunion. Es fand also ein Deindustrialisierungsprozess statt. Gewissen russischen Eliten wurde das zu heikel, Putin wurde Präsident und der Trend wurde umgekehrt. Inzwischen hat Russland wieder gut 90% der Industrieleistung des Jahres 1991 erreicht.

Was Russland nicht verlor in den heißen 90ern, war die militärische Leistungsfähigkeit. Im Westen kursieren noch heute Stimmen, dass Russlands Militär aus rostigem, nicht verwendbarem Sondermüll besteht. Russland hat in letzter Zeit einige außerordentliche Militärübungen und Raketentests veranstlatet, um die Kollegen der NATO über die Leistungsfähigkeit des eigenen Militärs zu informieren. Die Presse hat nicht alle diese Hinweise beleuchtet, aber die Leute, auf die es ankommt, haben es mitbekommen.

Die Situation stellt sich folgendermaßen dar:

Russland hat ein Militär, das dem der USA mindestens ebenbürtig ist. Kriege werden aber nicht mit Militär allein gewonnen, sondern mit der Wirtschaftsleistung, die sich hinter dem Militär versammeln lässt. Und in Sachen Wirtschaftsleistung kann Russland nicht mit den USA mithalten. Überhaupt nicht. Es berappelt sich noch nach dem Schock der 90er.

China hat inzwischen eine Wirtschaft, die stärker ist als die der USA. China fehlt es jedoch an einem ebenbürtigen Militär. Sie holen selbstverständlich auf, aber im Moment ist die Differenz zu den USA noch sehr groß.

Eine enge Allianz von China und Russland bringt einen geopolitischen Akteur auf die Bühne, der sowohl ein gleichwertiges Militär als auch eine gleichwertige Wirtschaftsleistung im Vergleich mit den USA aufweisen kann. Deswegen ist eine enge strategische Allianz von Russland und China der größte Alptraum der US-Geostrategen. Deswegen haben die USA stets das natürliche Misstrauen zwischen Russland und China geschürt, um nach dem Prinzip „divide and conquer“ (teile und herrsche) die beiden Nationen gegeneinander aufzustellen. Solange China und Russland gegeneinander agieren, können die USA beide dominieren.

Das Vorhaben der USA ist missglückt. Russische und chinesische Eliten haben sich für eine strategische Allianz entschieden. 2014 wurde dieser Prozess enorm beschleunigt. Begünstigt wurde diese Beschleunigung durch… ungeschickte US-Außenpolitik. Hoher Druck der USA auf beide Seiten hat Russland und China viel schneller zusammenrücken lassen, als es ohne äußere Einwirkungen geschehen wäre. Die Russisch-Chinesische Allianz ist vollendet und tritt bereits auf der großen Weltbühne auf. Beispiele werde ich in naher Zukunft beschreiben.

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Ein Kommentar zu “Die Russland-China-Allianz
  1. FarEast sagt:

    Das Thema, das in diesem Artikel angesprochen wird, interessiert mich selbst auch sehr. Die Richtung, die die Entwicklung mit einer Kooperation Russlands und der Volksrepublik China nehmen wird, ist hier sicher richtig angerissen. Allerdings macht es sich dieser Artikel etwas zu einfach, was die Beziehungen der Staaten Ostasiens untereinander angeht. Es stimmt, dass Nordkorea eine „Feindattrappe“ ist; der bis heute fortgesetzte Kriegszustand spiegelt sich im alltäglichen Leben in Südkorea kaum wieder, da man sich der eigenen Stärke und Überlegenheit gewiss ist und das Risiko eines Angriffs für sehr gering erachtet. Der Punkt, an dem ich widersprechen muss, ist, dass diese „Feindattrappe“ vor allem bzw. ausschließlich den Amerikanern nützen würde, da er allein ihre Präsenz in Ostasien rechtfertigen würde. Die zwischenstaatlichen Beziehungen in Fernost sind ein bisschen komplizierter. Aus Position Chinas – und wahrscheinlich auch Russlands – käme eine Wiedervereinigung der beiden Koreas ausschließlich als neutraler Puffer statt infrage. Aus Sicht Südkoreas ist die Situation noch um einiges verwickelter. Korea wurde mehrfach Ziel der imperialistischen Ambitionen Japans, die in Korea furchtbar gehaust haben, Anstrengungen unternahmen, die koreanische Identität auszulöschen und beide Male nicht aus eigener Kraft zurückgeschlagen werden konnten. Bekanntermaßen tut sich Japan mit der Anerkennung von Kriegsverbrechen etwas schwerer als Deutschland. Für den größten Teil der Geschichte lernte Koreaner China als dominante Vormacht kennen, welche die Innen- und Außenpolitik ihrer Nachbarstaaten maßgeblich bestimmte. Diese Erfahrung prägte das koreanische Selbstverständnis bis in die Gegenwart, und sie spielt darüber hinaus eine wichtige Rolle in der Beurteilung koreanischer Befindlichkeit. Die letzte Generation von Überlebenden des Korea-Krieges hat darüber hinaus noch deutliche Erinnerungen daran, dass es die Sowjetunion und China waren, die den Norden in diesem Krieg unterstützt haben. Zwar hat Südkorea auch unter amerikanischer Vormacht keine wirkliche Souveränität. Die derzeitige Regierung und ein großer Teil der Bevölkerung zieht jedoch ein Bündnis mit den USA trotz der Einschränkungen, die dies für sie bedeutet, der traditionellen Situation, in welcher Korea Spielball der anderen ostasiatischen Mächte war, vor. Zwar haben die Präsidenten Kim Tae-jung und No Mu-Hyeon mit ihrer „Sonnenscheindiplomatie“ eine vorsichtige Annäherung an Nordkorea gewagt, doch unter der derzeitigen Regierung würde die wirtschaftliche Stärkung des politischen Systems des Nordens als größerer Nachteil, den die militärische Abrüstung kaum aufwöge, betrachtet werden. Anders ausgedrückt: Nordkorea als ein weitestgehend impotenter Feind wäre dem politischen Establishment Südkoreas derzeit wohl noch lieber als ein wirtschaftlich halbwegs stabiler Konkurrent. Das bedeutet nicht, dass Russland und China ihre Pläne nicht umsetzen werden; es bedeutet ebenso nicht, dass diese Umsetzung nicht auf lange Sicht tatsächlich zu einer Entspannung der Lage beiträgt. Es ist nur ein Hinweis auf die etwas komplexere Interessenlage der Region, in der auch Japan, das in seiner Geschichte ebenfalls Vasall, Konkurrent und Kolonialherr Chinas war und das Kräfteverhältnis in Ostasien anders einschätzt und wünscht, als China und Russland dies tun (trotz aller Konflikte, die es innerhalb Japans in jüngster Zeit auch mit den USA gab).