Für den 9. und 10. Dezember 2021 haben die USA einen virtuellen “Summit for Democracy” ausgerufen und die halbe Welt eingeladen.
Sämtliches Gelaber über Demokratie kann man sich schenken. Das einzige, was sich lohnt, ist ein genauer Blick auf die Liste der geladenen Gäste. Das sind die Länder, welche die USA in ihrem Lager haben oder von denen sie hoffen, diese in ihr Lager ziehen zu können.
Selbstredend fehlen in der Liste Russland und China. Es fehlt aber auch der NATO-Staat Türkei. Es fehlt auch Ungarn, während Polen dabei ist. Das ist ganz spannend, denn aus offizieller EU-Sicht sind Polen und Ungarn gleichwertige Problemfälle für die Demokratie. Bloß tanzt Polen dabei nach angelsächsischer Pfeife, während Ungarn sich davon befreit hat und inzwischen eine enge Kooperation zu Russland sucht.
Auf der anderen Seite stehen auf der Liste der geladenen Gäste Länder, die zum russischen Lager gehören, z.B. Serbien und Armenien. Hier sehen die USA Hoffnung, diese entweder an sich zu ziehen, oder mit dem Unterbreiten eines solchen Angebotes zumindest ergiebige Unruhe in diesen Ländern und ihren Beziehungen zu Russland stiften zu können. Analoge Spielchen gibt es mit Chinas Nachbarn. Aber das sind alles Peanuts…
Der spannendste Eingeladene ist Indien. In Eurasien bildet sich das große Dreieck Russland-China-Indien. Wenn es sich endgültig formiert hat, ist es der Alptraum der Angelsachsen. Die USA (und ihre Partner, allen voran Großbritanien) versuchen dieses Dreieck an allen Kanten zu zerschlagen. Die Beziehung zwischen China und Indien ist angespannt. Aber Russland hat beste Beziehungen sowohl zu Indien als auch zu China und dient in diesem Dreieck als Vermittler und Stabilisator.
Schon seit langer Zeit umwerben die USA Indien mit dem QUAD-Bündnis (“Asian NATO”) – ein Militärbündnis von USA, Japan, Australien und Indien, gerichtet gegen China. Das Ziel ist hier identisch: das Dreieck Russland-China-Indien aufbrechen. Indien spielt beim “Security Dialog” mit, lässt sich aber auf ein handfestes Militärbündnis nicht ein. Zuletzt hat Indien dieses militärische Forum mit dem Covid-Thema getrollt, da ging es um die Produktion und Verteilung der Impfstoffe.
Jetzt also ein Online-Demokratie-Forum und erneut der Versuch, Indien ins US-Lager zu locken. Ob die USA etwas neues anzubieten haben?
Am 6. Dezember war Putin in Indien zu Besuch. Putin bezeichnet Indien als Großmacht. Das ist eine Übertreibung zum jetzigen Zeitpunkt, verdeutlicht aber die Rolle, die Indien in Aussicht steht.
Indien hat die Wahl zwischen:
- Eurasische Großmacht mit bestmöglichen Beziehungen zu seinen großen Nachbarn auf dem Kontinent.
- Vasall eines siechenden Ex-Herrschers hinter dem Ozean, mit verdorbenen Beziehungen zu beiden großen Nachbarn auf dem Kontinent.
Indien hat seine Wahl schon getroffen.
Die USA müssen natürlich trotzdem ihr Bestes geben. Das tun sie, auch wenn ein Teams-Meeting zur Stärkung der Demokratie etwas armselig erscheint. Ein Versuch, die Welt in zwei Lager zu spalten, das US-Lager und das russisch-chinesische Lager, und dabei möglichst viele Länder in das eigene Lager zu ziehen. Das ist die Fallhöhe. Schauen wir uns an, was daraus wird.
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