Trump droht damit, den INF-Vertrag aufzukündigen. SPON meint, das “könnte zu neuen Spannungen mit dem Kreml führen”.
Der INF-Vertrag verbietet Russland und den USA (und niemandem sonst), Raketen mit einer Reichweite von 500 – 1000 km und 1000 – 5500 km Reichweite zu produzieren oder zu besitzen. Betroffen sind damit Kurz- und Mittelstreckenraketen. Wie kam es dazu? Ursache war einer der Versuche der USA, die strategische Balance zu stören. Die strategische Balance der Atomwaffen besteht darin, dass Russland und die USA im Falle eines atomaren Angriffs einen atomaren Gegenschlag erhalten, der unannehmbare Schäden auf eigener Seite verursacht. Genau diese Verwundbarkeit für den Gegenschlag bewahrte und bewahrt die Welt vor einem heißen dritten Weltkrieg. Die USA versuchten diese Balance in den 70-ern und 80-ern zu stören, indem sie Mittelstreckenraketen in Europa positionierten, die einen schnellen Entwaffnungsschlag ermöglichen sollten. Die in den USA stationierten Langstreckenraketen können die Sowjetunion nicht schnell genug erreichen, um einen atomaren Gegenschlag zu verhindern, aber von Mittelstreckenraketen aus Europa heraus erhoffte man sich genau das. Die Sowjetunion reagierte mit eigenen Mittelstreckenraketen, die den europäischen Teil der NATO in kürzester Zeit zerstören konnten. Gorbatschow und Reagan unterschrieben 1987 den INF-Vertrag, der diesem Treiben ein Ende setzte.
Zum INF-Vertrag lässt sich also zweierlei festhalten. Erstens, er zielte nicht auf den direkten Schlagabtausch zwischen USA und Sowjetunion/Russland ab. Das erkennt man auch sehr gut, wenn man einen Globus nimmt und eine Linie im Abstand von 5500 km um die russischen Grenzen zieht, und eine ebensolche Linie um die US-Grenzen. Man stellt fest, dass die Kerngebiete von Russland und USA sich nicht in den betroffenen Gebieten des jeweils anderen befinden. Hingegen liegt der europäische Teil der NATO voll im betroffenen Gebiet.
Zweitens lässt sich festhalten, dass sich mit dem INF-Vertrag außer den USA und der Sowjetunion/Russland niemand sonst zu irgendwas verpflichtet hat. Und so haben eine Reihe von Ländern Raketen entwickelt, die Russland und die USA nicht entwickeln dürfen. Zum Beispiel China, Indien, Pakistan, Iran, Israel.
Bereits 2007 hat die russische Militärführung dafür plädiert, aus dem Vertrag auszusteigen. Zum einen, weil zahlreiche andere Staaten solche Raketen entwickelten, zum anderen weil die USA Raketenabwehrsysteme in Osteuropa einzurichten begannen. Der damalige russische Verteidigungsminister Iwanow nannte den INF-Vertrag ein Relikt des Kalten Krieges und sagte, dass Russland Kurz- und Mittelstreckenraketen bräuchte. 2013 dann hat Russlands Präsident Putin offen ausgesprochen, dass der Vertrag schlecht für Russland ist. Es sei nicht klar, warum die Sowjetunion diesen Vertrag unterschrieben habe.
Wir haben also einen Vertrag, der schlecht für Russland, aber gut für Europa ist.
USA und Russland bedrohen sich durch Langstreckenraketen. Mit Kurz- und Mittelstreckenraketen bedrohen sich Russland und West-Europa. Wenn Trump also den INF-Vertrag aufkündigt, dann steigen die Spannungen in den Generalstäben der EU-Staaten. Umso mehr, als Trump deutlich macht, dass für den Schutz Europas durch die USA ab sofort eine Sondersteuer fällig wird.
Für die EU ergeben sich daraus zwei notwendige Handlungsrichtungen. Erstens, die eigene Verteidigung sicherstellen. Hello, EU-Armee. Zweitens, sich mit Russland militärisch gut stellen, anstatt sich zu verfeinden. Hello, eurasische Sicherheitsarchitektur.
Natürlich gibt es in ganz USA niemanden, der solche Analysen aufstellen kann. Deswegen weiss Trump einfach nicht, wohin seine Entscheidungen führen werden. Er ist einfach ein dummer alter Sack, der durch einen blöden Zufall an die Macht gekommen ist und mit jeder seiner dummen Entscheidungen zufällig genau das bewirkt, was im Sinne eines totalen Umbaus der globalen Machtverhältnisse bewirkt werden muss. Wenn in ein paar Jahren alles festgezurrt ist, werden wir den Zufällen ein Denkmal aufstellen.
Neueste Kommentare