Prognosenrückschau 2018

Anfang 2018 habe ich einige Prognosen für das Jahr 2018 gewagt. Jede Prognose muss daran gemessen werden, ob sie sich bewahrheitet. Heute bin ich Richter über meine eigenen Prognosen:

In Russland wird Putin zum Präsidenten gewählt.

Das war einfach.

In Deutschland wird die Regierung wieder aus der großen Koalition gebildet.

Treffer.

In den USA veranstaltet Trump weiter medialen Zirkus und die Medien spielen fleißig ihre dämlichen Rollen.

Das war wohl auch einfach.

Derweil isoliert Trump die USA international weiter, immer weiter.

Immer weiter, wie geplant.

Mit der Isolation der USA geht ein Verlust ihres Einflusses einher, im Nahen Osten, in Europa, in Asien, in Afrika, überall.

Treffer. Europa ruft nach Unabhängigkeit und widersetzt sich den Anweisungen aus Übersee. Im Nahen Osten haben sich längst alle auf Putin umorientiert und Trump zieht sogar schon die Truppen aus Syrien ab. In Asien findet ein regionales Gipfeltreffen nach dem nächsten statt und die USA sind stets außen vor oder Außenseiter. Indien kauft russische S-400 trotz Verbot aus Washington. Nord- und Südkorea treffen sich inzwischen offen für Friedensgespräche. Über Afrika heult die Westpresse, dass es an Russland verloren ist. Zum “überall” zählt auch Südamerika mit dem offensichtlichsten Beispiel Venezuela. Präsident Maduro hat sich stabilisiert, obwohl der Angriff der USA auf Venezuela hart war und das Land schwer gebeutelt hat.

Ehemalige US-Vasallen und US-Opfer stehen bei Putin Schlange mit der Bitte um Audienz.

Und die Schlange war laaang…

Neue geopolitische Bündnisse werden geschmiedet, mit Putin als de facto Mediator. Größte Kandidaten dafür sind der Nahe Osten, Nordafrika und Ostasien.

Das ist nicht so offensichtlich, also rechne ich es nicht als Treffer an.

Schlchte Zeiten für Israel.

Treffer. Trump zieht die US-Truppen aus Syrien ab. Die hellsten Köpfe in den Qualitätsmedien wittern Verrat gegen Israel… Die gleichen Experten haben sich von der Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem von der innigen Liebe Trumps zu Israel überzeugen lassen. Der Rückzug der USA auf der einen Seite, die weitere Verschlechterung der Beziehung zu Russland auf der anderen Seite. Israel hat sich zu einer völlig bescheuerten Spezialoperation hinreißen lassen, bei der ein russisches Aufklärungsflugzeug mit einem guten Dutzend Offiziere an Board abgeschossen wurde. In der Folge wurde Syrien mit S-300 verstärkt und Israel stellte seine regelmäßigen Luftangriffe auf Syrien praktisch komplett ein. Zu Weihnachten hat die glorreiche und unbesiegbare israelische Armee ihren Mut zusammengekratzt, um im Schutz ziviler Flugzeuge ein paar Raketen auf Damaskus abzufeuern. Netanjahus Bemühungen um ein Treffen mit Putin dürfte das auch nicht behilflich sein. Putin ignoriert den israelischen Ministerpräsidenten hartnäckig. Das sind schlechte Zeiten. Und das ist erst der Anfang, denn beides – Rückzug der USA aus Syrien und nunmehr offene Feindschaft mit Russland (fantastische Kombination…) haben sich erst zum Ende des Jahres ergeben. Die Früchte dieser Situation sind noch nicht geerntet. Ach ja, die israelische “Eiserne Kuppel” wurde als Fake entlarvt. Ach, und Netanjahu gerät verstärkt ins Visier der Justiz. Aber die Qualitätsmedien haben keine Erlaubnis, über israelische Korruption zu recherchieren und zu berichten. Husch husch, sucht lieber weiter Putins Milliarden, denkt euch was lustiges aus.

Schlechte Zeiten für Saudi-Arabien.

Treffer. In der OPEC+ trägt Saudi-Arabien den Löwenanteil der Ölförderkürzungen. Dazu wurde ein “Journalist” in der saudischen Botschaft in der Türkei in handliche Stücke geschnitten. Was an sich nicht schlimm wäre, aber es wurde die Presse informiert, und zwar so, dass wegsehen nicht mehr möglich war. Zum Jahresende verkündete Trump per Twitter, dass Saudi-Arabien für den Wiederaufbau Syriens aufkommen werde. Das hängt alles zusammen. Saudi-Arabien hat sich nicht rechtzeitig auf die Seite der Gewinner gestellt und ist jetzt folgerichtig ein Prügelknabe, der kopfüber geschüttelt wird, damit alles Geld aus den Taschen purzelt.

Schlechte Zeiten für die Kurden.

Treffer.

Die EU bemüht sich um einen Posten als großer Mitspieler in der multipolaren Welt, wird aber allenfalls als Junior Partner behandelt.

Treffer. Dem Herrn Macron ist sogar ein zufälliger kleiner Maidan echter Volksaufstand passiert. Eine Demonstration der inneren Stärke der EU, die großen Eindruck in der Welt hinterlässt.

Die EU transformiert sich weiter in eine “EU der zwei Geschwindigkeiten”. Das Duo Deutschland-Frankreich prescht weiter mit einer Koalition der Willigen voran und löst drängende Probleme unter Umgehung der strengen EU-Bürokratie. Die EU-Armee und sonstige Sicherheitsstrukturen sind 2018 ein zentraler Aspekt dieser Transformation.

Treffer. Macron schreit schon bei jeder Gelegenheit nach der EU-Armee. Gelder wurden auch schon bereitgestellt. Im Osten formiert sich der Block der Visegrad-Gruppe, der in immer mehr Fragen feindlich gegenüber der Achse Berlin-Brüssel-Paris ist. Aber die Polen, Balten und sonstigen Mächte zweiter Klasse können schreien wie sie wollen, derweil Nord Stream 2 im Eiltempo verlegt wird.

Die transatlantische Scheidung schreitet voran. EU und USA ecken weiter an, streiten, drohen, zerreißen die Bande.

Treffer. Trump ist ein großartiger Zerstörer. Letztes Geschenk zu Weihnachten, als er Verteidigungsminister Mattis gegangen hat und die EU einmal mehr aufgeheult hat, dass sie den letzten stabil transatlantischen Kontakt zu den USA innerhalb der NATO verloren hat.

Deutsche, französische und EU-Offizielle sprechen vermehrt offen über die Integration der EU in das Seidenstraßenprojekt (oder Eurasien von Lissabon bis Wladiwostok oder wie auch immer es genannt werden wird).

Ist mir nicht in besonderer Erinnerung, also kein Treffer.

Unabhängig vom offiziellen Gelaber läuft die eurasische Integration (EU, Russland, Naher Osten, Zentralasien, China) unvermindert weiter.

Treffer. Während im Theater gekreischt wird, dass sich die Nackenhaare vor Angst aufstellen, werden die Gaspipelines in aller Ruhe gebaut und geplant. Das Handelsvolumen EU-Russland steigt weiter rasant. Und fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich das neue Syrien-Format Russland-Türkei-Deutschland-Frankreich formiert. Eurasische Pfade werden überall ausgerollt, auch über Krisengebiete hinweg.

Die Dedollarisierung schreitet sachte voran, ohne Geschrei, ohne ruckartige Bewegungen.

Treffer. In Russland ist der Prozess der Dedollarisierung nun offizielles Regierungsprogramm. Aber flankiert von ausschließlich beschwichtigenden und entschuldigenden Formulierungen – wir wollen doch gar nicht, aber die USA benutzen nun den Dollar in ihrer Sanktionspolitik, also müssen wir wohl irgendwie und zumindest ein bisschen, und bis jetzt ist es gar nicht so viel… Die EU arbeitet an einem Mechanismus, um iranisches Öl für Euros zu kaufen.

In der Summe sind es 14 Treffer und 2 mal daneben. Das ergibt eine Trefferquote von 87 %, was der beste Wert von allen bisherigen Prognosen ist. Der Grund dafür wurde im Vorwort der Prognosen für 2018 dargelegt:

Um ehrlich zu sein, ist die Lust am Prognosieren verflogen. Der Grund dafür ist, dass sich die geopolitische Wetterlage geklärt hat und die Spannung der letzten Jahre raus ist. Im Kleinen sind viele Varianten möglich, hier ist Spannung drin (…)

In der Rückschau sehen wir, dass praktisch alles so kam, wie wir es erwartet haben. Die Spannung auf globaler Ebene ist wirklich raus. Jetzt, ein Jahr später, ist sie es umso mehr. Die letzten werden es erst 2020 kapieren und bis dahin noch auf eine wundersame Wende in den USA warten. An der US-Wahl 2020 werden die bis dahin noch verbliebenen fanatischen transatlantischen Träume und Ängste zerschellen (wenn sie ohne Fanatismus gelebt werden, werden diese Träume und Ängste der Realität schon vorher nicht trotzen können).

Kommentare sind freigeschaltet für diejenigen, die einen Link auf ihre Prognosen für 2018 + die Reflektion der eigenen Prognosen anzubieten haben.

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3 Kommentare zu “Prognosenrückschau 2018
  1. Grimmelshausen sagt:

    @ Analitik:
    Ihre Prognosen für 2018 haben Sie nicht Anfang “2017” sondern im Januar 2018 abgegeben.

  2. Rose sagt:

    Guten Tag
    Zunächst wünsche ich allen Menschen Frieden,Gesundheit und persönliches Wohlergehen.
    Meine Prognose für 2018 bezog sich auf das Finanzsystem:Rose sagt:
    21. Januar 2018 um 18:44 Uhr

    Das Jahr 2018(und folgende) wird schmerzhaft für den Finanzsektor werden.Es werden Strukturreformen der Zentralbanken stattfinden. Ziel ist,das Primat der Politik über den Finanzsektor sicherzustellen.Aus dem Finanzbereich werden Rufe nach einer Regulierung kommen…

    Die Turbulenzen an den Börsen kurz vor Jahresende verdeutlichen,dass das Welt- Finanzsystem schwere Zeiten erlebt.Dazu kommt der desolate Zustand diverser Banken(Deutsche Bank,HSH Nordbank,Monte dei Paschi und andere…) .
    Die Bemühungen,das Primat der Politik über den Finanzsektor sicherzustellen erfolgten sehr zaghaft und mit bisher wenig sichtbarem Erfolg.
    Es wird deutlich,dass die Aufgaben wie de-Dollarisierung,Umverteilung der globalen Macht,Schaffung neuer Strukturen … under der Bedingung erfolgt,das Kartenhaus des globale Finanzsystems nicht in einem unkontrolleten Crash zusammenstürzen zu lassen.Das erfordert mehr Zeit und ein behutsames Agieren…sowie ständiges Nachjustieren(Trumps Twitter-Botschaft an den FED-Chef Paulsen im Dezember…)
    Meine Prognose für 2018 hat sich nur teilweise eingestellt.Sie bleibt aber auch für 2019 und folgende Jahre aktuell.

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